»Branntwein, Tabak, Kino!« - unter diesem Motto kontextualisiert die IV. Weimarer Stummfilm-Retrospektive das Kinojahr 1922 zwischen Filmhighlights, wirtschaftlichen Verhältnissen und staatlichen Auflagen. Begleitet von historischen Wochenschauen, Einführungen, Vorträgen, Filmgesprächen und live vertont von international renommierten Stummfilm-MusikerInnen.
Die Folgen des Krieges schlugen sich in der jungen Republik in großer Verzweiflung, Hysterie und Zynismus nieder. Kriegsprofiteure und Spekulanten verdienten Millionen und genossen das Leben in vollen Zügen, während abertausende täglich ums Überleben kämpften. Ein Produkt dieser desolaten Verhältnisse ist Norbert Jacques‘ Romanfigur »Dr. Mabuse«, ein tyrannischer Schwerverbrecher mit 1000 Gesichtern. Er manipuliert die Börse, hypnotisiert in illegalen Kasinos seine Mitspieler, bringt Menschen um Verstand, Geld und Leben. Mit ihrer Filmadaption schufen Fritz Lang und seine Ehefrau Thea von Harbou »ein Bild der Zeit«, eine milieuechte Konstruktion, die »die Bedingungen aufzeigt, unter denen eine Gesellschaft zwischen Chaos und Tyrannei einem ›Übermenschen‹ verfallen kann.«1 Der Stummfilmpianist Richard Siedhoff begleitet den Zweiteiler gemeinsam mit Mykyta Sierov (Oboe) nach Motiven der von Konrad Elfers 1964 anlässlich der ersten Wiederaufführung komponierten Musik.
Der amerikanische Komponist und Dirigent Robert Israel lässt mit seiner Orchestermusik F. W. Murnaus frühes Meisterwerk zu neuem Leben erblühen. Am 3. September leitet Israel die Staatskapelle Weimar und transportiert mit seiner einfühlsamen Komposition die kinematographische Faszination des Stummfilm-Melodrams in die heutige Zeit. »Phantom« markiert den Höhepunkt der frühen Hauptmann-Verfilmungen. Er erzählt die Geschichte des armen Bücherwurms Lorenz Lubota und seiner unerwiderten Liebe zur wohlhabenden Veronika. Besessen von ihrer Unerreichbarkeit gerät Lubota in einen Strudel aus Leidenschaften und driftet immer mehr in eine surreale Scheinwelt ab. In Murnaus Inszenierung verschmelzen Im- und Expressionismus zu einem atmosphärisch dichten Traumbild.
Anschließend an jede Veranstaltung hat das Publikum die Möglichkeit, in unserer »Cine-Corner« im Lichthaus Kino mit den Veranstaltern und ExpertInnen gemütlich über die Filme zu plaudern und zu debattieren.
Karten: www.kunstfest-weimar.de
Förderung: Thüringer Staatskanzlei, Sparkasse Mittelthüringen, Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Sparkassenstiftung Weimar - Weimarer Land, Stadt Weimar, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Bauhaus-Universität Weimar, Weimarer Republik e.V.
Kooperationspartner*innen: British Film Institute London, Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin, Deutsches Filminstitut & Filmmuseum Frankfurt a. M., Deutsche Kinemathek Berlin, Filmmuseum München, Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung Wiesbaden, Lobster Films Paris, Stummfilmmagazin.de, Svenska Filminstitutet Stockholm, Kunstfest Weimar
Veranstaltungsreihe: Lichthaus Kino, Bauhaus-Universität Weimar, Stadtarchiv Weimar, Kunstfest Weimar
Kontakt: Dr. Simon Frisch (Fakultät Medien der Bauhaus-Universität, Tel.: +49 (0) 3643 / 58 37 37, E-Mail: simon.frisch[at]uni-weimar.de) und Dr. Katrin Richter (Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, Tel.: +49 (0) 3643 / 58 28 03, E-Mail: katrin.richter[at]uni-weimar.de)
1 Dr. Mabuse, der Spieler. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 10. Juni 2022.
Cinessage: So. 29.08., 18 Uhr, Lichthaus-Kino
Karten: www.kunstfest-weimar.de
HIER gelangen Sie zum Programm auf der Kunstfest-Website
HIER gelangen Sie zum Programm auf der Lichthaus-Kino-Website
Bereits ein Jahr nach der Gründung der Weimarer Republik verabschiedet die Nationalversammlung am 12. Mai 1920 das Reichslichtspielgesetz, »eine der wichtigsten Stationen auf dem ›Weg des Films‹ überhaupt« (Friedrich v. Zglinicki). Filme wurden als Massenmedium anerkannt und durch Skandale und Zensurakte öffentliche Debatten angeregt. Unter dem Titel »Überreizung der Phantasie«, jener hinweisenden Formulierung aus dem Gesetzestext, lässt die II. Weimarer Stummfilm-Retrospektive gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Film, Kultur und Musik das Weimarer Kinojahr 1920 Revue passieren: eine dichte Annäherung an den Kinoalltag vor 100 Jahren.
Die rekonstruierten Spielpläne der lokalen Kinos »Scherffs Lichtspielhaus« und »Reform Licht-Spiele« bekunden: Das Weimarer Leinwandgeschehen war überaus reicher, als es die Konzentration auf die bekanntesten Werke ahnen lässt. So zählten italienische Heldenepen, frühe Science-Fiction-Filme und die Werke des in der Rezeption bisher kaum beachteten Regisseurs Erik Lund zur Weimarer Kinokultur des Jahres 1920. Alle Filme der Retrospektive werden von international renommierten Stummfilm-Musikern live begleitet, darunter John Sweeney (Großbritannien), Richard Siedhoff (Deutschland), Mykyta Sierov (Ukraine) und Günter A. Buchwald (Deutschland). Getreu der damaligen Vorführungspraxis werden die Hauptfilme durch historische Messter-Wochenschauen aus dem Bundesarchiv ergänzt.
Zudem wurde eine verschollen geglaubte Filmmusik des Weimarer Kinos wiederentdeckt: die Originalmusik zu »Der Golem, wie er in die Welt kam« des jüdischen Komponisten Dr. Hans Landsberger, der 1941 im Internierungslager Camp de Gurs ums Leben kam. Der Stummfilmmusiker Richard Siedhoff hat die Orchesterfassung rekonstruiert, um das Gesamtkunstwerk »Der Golem« in seiner ursprünglichen Form wieder aufführen zu können. Paul Wegeners Adaption der jüdischen Sage aus dem Prager Ghetto zählt zu den außergewöhnlichsten künstlerischen Erfolgen des Weimarer Kinos und der prometheische Traum vom »künstlichen Menschen« strebt bis heute nach Verwirklichung in den Grenzbereichen der Kybernetik und Biotechnologie, in Androiden, Cyborgs und künstlicher Intelligenz. Die Neuorchestrierung konzertiert die Staatskapelle Weimar unter der Leitung des Dirigenten Burkhard Götze vom Metropolis Orchester Berlin. Der Direktor des Filmmuseums München Stefan Drößler gibt eine Einführung in die Thematik.
Cinessage: Mi. 2.9., 18:30 Uhr, Lichthaus-Kino mit Dirk Heinje (Lichthaus GmbH), Rolf C. Hemke (Kunstfest Weimar), Dr. Katrin Richter (Bauhaus-Universität Weimar), Richard Siedhoff (Hauspianist Lichthaus Kino und Stummfilmmusiker)
Programmheft (PDF 5,3 MB):
Idee und Konzeption: Dr. Simon Frisch, Gerrit Heber, Dr. Katrin Richter, Bauhaus-Universität Weimar / Sven Opel und Dirk Heinje, Lichthaus GmbH / Dr. Jens Riederer, Stadtarchiv Weimar / Richard Siedhoff
Veranstalter: Lichthaus Kino, Bauhaus-Universität Weimar, Stadtarchiv Weimar und Kunstfest Weimar
Förderer und Kooperationspartner: Kunstfest Weimar, Lichthaus Kino, Bauhaus-Universität Weimar, Stadtarchiv Weimar, Thüringer Staatskanzlei, Sparkassenstiftung Weimar - Weimarer Land, Sparkasse Mittelthüringen, Stadt Weimar, Weimarer Republik e.V (gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz), Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar, Filmmuseum München, Deutsche Kinemathek, Deutsches Filminstitut, Bundesarchiv, Stummfilmmagazin.de, Musikverlag Ries & Erler
Mit der Gründung der Weimarer Republik beginnt auch für das Weimarer Kino das goldene Zeitalter des deutschen Films. Während im Weimarer Nationaltheater die verfassunggebende Versammlung tagt, etabliert sich der Film als einflussreiches Massenmedium, die Lichtspielhäuser nehmen einen rasanten Aufstieg und die UFA entwickelt sich nach Hollywood zum zweitgrößten Filmimperium der Welt. Nach der Kaiserherrschaft und den Schrecken des Ersten Weltkriegs spiegelt sich der plötzliche »Schock der Freiheit« (Siegfried Kracauer) in den eskapistischen Lustspielen, glamourösen Spektakeln und düsteren Leinwandfantasien des Films.
Anhand der rekonstruierten Spielpläne der lokalen Kinos »Scherffs Lichtspielhaus« und »Reform Licht-Spiele« zeigen das Lichthaus Kino, die Bauhaus-Universität Weimar, das Kunstfest Weimar und das Weimarer Stadtarchiv in Zusammenarbeit mit international renommierten Musikerinnen, Musikern und Gästen eine Stummfilm-Retrospektive mit seltenen Werken, die sich vor genau 100 Jahren als Publikumsmagneten erwiesen und an das filmische Kulturerbe aus der Perspektive der Stadt Weimar erinnern. Zudem bieten Einführungen, Filmgespräche und historische Wochenschauen sowie eine Ausstellung einen spannenden Zugang zum doppelten Jubiläumsjahr der Weimarer Republik und des Bauhauses.
Förderung: Thüringer Staatskanzlei, Sparkassenstiftung Weimar - Weimarer Land, Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Sparkasse Mittelthüringen, Stadt Weimar, Bauhaus100-Fonds der Bauhaus-Universität Weimar, Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar, Weimarer Republik e.V, Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar, Kunstfest Weimar
Kooperation: Kunstfest Weimar, Lichthaus Kino, Bauhaus-Universität Weimar, Stadtarchiv Weimar, Deutsche Kinemathek, Deutsches Filminstitut, Filmmuseum München, Danish Filminstitute, Achives Jutta Niemann, Bundesarchiv Filmarchiv, Hüftstern Büro*Gemeinschaft für visuelle Gestaltung
MDR KULTUR | Richard Siedhoff - Schock der Freiheit |
MDR THÜRINGEN | Die beliebtesten Stummfilme des Jahres 1919 |
MDR KULTUR | Nächste Generation - Richard Siedhoff |
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