
BEYOND NOW – Biennial of Care: Studierende schaffen Bewusstsein für das »Danach« von Kunstprojekten
Ausstellungen, Biennalen und Festivals: Wenn Kunst temporär Räume erobert, entstehen intensive, oft aufwendig inszenierte Begegnungen zwischen Kunst, Publikum und Ort. Doch was bleibt, wenn die Werke verschwinden, das Publikum weiterzieht und der Raum leer zurückbleibt? Welche Spuren hinterlassen Kunstprojekte sozial, materiell, ökologisch? Und wer kümmert sich eigentlich darum?
Diesen Fragen widmen sich derzeit Studierende der Fakultät Kunst und Gestaltung im Bauhaus.Modul »When art left the scene«. Mithilfe qualitativer Forschungsmethoden entwickeln sie Videoessays, in denen sie Künstler*innen, Kurator*innen, Produzent*innen, Vermittler*innen und andere Akteur*innen der Kunstwelt interviewen und nach deren Erfahrungen fragen. Begleitet werden sie dabei von den Dozent*innen Giuliana Marmo und Martin Leibinger, die den Kurs leiten und Einblicke in Großevents gewonnen haben. Marmo hat unter anderem im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein Forschungsprojekt zur Situation der Kunstarbeiter*innen an der »La Biennale di Venezia« durchgeführt, Leibinger begleitet seit 2020 die »Manifesta« mit einer qualitativen Studie für seine Doktorarbeit.
»In unserer bisherigen Arbeit haben wir beide festgestellt, dass eine Lücke entsteht, wenn die Kunstwerke, die Budgets, die Materialien und auch die Projektbeteiligten beispielsweise nach einer Biennale wieder gehen«, beschreibt Marmo. »Ein Positivbeispiel: In Venedig gibt es eine Gruppe von Akteur*innen, die die Pavillons zurückbauen, das Material katalogisieren und es günstig an andere künstlerische oder soziokulturelle Projekte abgeben. Trotzdem entstehen an vielen Stellen andere Leerräume. Durch ein Event werden Budgets und Energien freigesetzt, Beziehungen, Kontakte und Netzwerke aufgebaut. Das weckt Erwartungen, die dann oft abrupt enden und Ernüchterung oder Enttäuschung zurücklassen. Dann droht ein Vakuum zu entstehen. Wie das gefüllt oder ›umgenutzt‹ werden kann, das interessiert uns!«
Das Projekt belässt es nicht bei einer Bestandsaufnahme. Martin Leibinger erläutert: »Im Bauhaus.Modul entstehen gemeinsam mit den Studierenden die Videoessays, die zahlreiche Szenarien und Erfahrungen zusammentragen mit Blick auf soziale, politische und ökologische Aspekte. Wir haben vor, all das im anschließenden Projekt ›Biennial of Care‹ in einer Art Archiv zu bündeln und das Wissen zugänglich zu machen. Wir möchten einen Raum eröffnen, der es anderen ermöglicht, diese Ressource zu nutzen und sie um eigene Erfahrungen und Projekte zu bereichern – ein Archiv, das wächst, skalierbar und an vielen Orten einsetzbar ist.«
Marmo wünscht sich eine nachhaltige Verinnerlichung bei den Akteur*innen: »Unser Ziel ist es eigentlich, bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es auch ein ›Danach‹ gibt. Die Künstler*innen können sich schon bei der Konzeption eines Kunstwerks fragen, was anschließend damit passieren soll. Und Institutionen bedenken bestenfalls auch, was sie nach einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung hinterlassen – neben dem ›schönen Bild∫ in der Außenwirkung.«
Wohin die Reise im anschließenden Projekt »Biennial of Care« führt, ist bewusst offengehalten. »Wir schauen, wer von den Studierenden sich weiterhin im Projekt einbringt. Unser Archiv soll mobil werden, es soll reisen können und es ermöglichen, weitere Erfahrungen einzuspeisen, um es wachsen zu lassen«, so Leibinger. Erste Ergebnisse dieser gemeinsamen Recherchen und künstlerischen Auseinandersetzungen können Besucher*innen im Rahmen der Jahresausstellung »summaery2025« entdecken. Dort zeigt sich erstmals, wie vielfältig das »Danach« gedacht und gestaltet werden kann.
Gefördert durch die Bauhaus-Universität Weimar im Kontext der Jahresthemen »Beyond Now ⸺ Umwelten« und des Programms »Lighthouses@B&U« der Fakultät Bau und Umwelt.
Projektteilnehmer*innen: Giuliana Marmo, Martin Leibinger, Stefan Ralevic
Mentorinnen: Jun.-Prof. Alexandra Toland, Vertr.-Prof. Suse Weber
Text: Romy Weinhold
Fotos: Richard Schött
Social Media: Marit Haferkamp
Signet: Romi Klockau
Konzept und Redaktion: Claudia Weinreich