»Ich freue mich sehr auf die vielen persönlichen Begegnungen in den kommenden Wochen«
Ein Gespräch mit dem neuen Kanzler der Bauhaus-Universität Weimar, Dr. Horst Henrici, über das Ankommen in der Bauhaus-Universität Weimar, wichtige anstehende Aufgaben und die Schönheit Weimars.
Herr Dr. Henrici, Anfang Januar haben Sie Ihre Arbeit als Kanzler an der Bauhaus-Universität Weimar aufgenommen – was war Ihre allererste Handlung im neuen Büro?
Ich habe das Büro perfekt vorgefunden, frisch gestrichen, hell, wunderbar ausgestattet. Nachdem ich die Kisten mit Büchern und Akten auspackt hatte, habe ich gleich meine Flugzeugmodelle aufgestellt. Ich komme aus einer Fliegerfamilie und fliege selbst seit ich 14 bin – Segelflugzeuge, Motorsegler und einmotorige Propellermaschinen. Zwei der Modelle stammen von Dornier, dem letzten deutschen Flugzeugbauer, bei dem ich noch als Rechtsreferendar tätig war.
In Ihrem Leben gab es bereits verschiedene berufliche Neuanfänge – welche waren für Sie besonders bedeutend?
Die für mich wichtigsten beruflichen Neuanfänge waren immer mit einem Ortswechsel verbunden. Ich bin in Oberbayern, südwestlich von München, aufgewachsen. Zum Studium bin ich dann ans andere Ende der Republik nach Bremen gegangen und später nach Würzburg, wo ich mein Studium abgeschlossen habe. Herausheben würde ich meinen Start 2002 an der neu gegründeten TU Cottbus, denn die Entscheidung war in mehrerer Hinsicht eine besondere. Ich bin in die neuen Bundesländer gezogen, 35 Kilometer entfernt von der polnischen Grenze, in eine Region, die sich damals mitten im Aufbruch befand, so auch die dortige Hochschullandschaft.
2005 wechselte ich dann nach Berlin, ebenfalls ein großer Aufbruch an einen Ort, von dem ich mir bis vor kurzem nicht hätte vorstellen können, dass ich von dort noch einmal weggehe. Aber jetzt, nach fast zehn Jahren Berlin, habe ich gespürt, dass ich reif bin für einen nochmaligen Neuanfang - hier in Thüringen.
Apropos Berlin und Weimar: das sind zwei sehr unterschiedliche Städte. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?
Da bin ich ja noch mittendrin! Schon oft habe ich gehört, dass man in Weimar dieselben Leute am Tag drei Mal sieht, das ist wirklich ein großer Unterschied zu Berlin. Der Hauptstädter äußert sich ja gerne etwas despektierlich über die Provinz und alles außerhalb von Berlin ist für ihn auch Provinz. Aber für Weimar gilt das interessanterweise nicht, es hat vielmehr eine Ausnahmeposition mit seiner Strahlkraft und seinem enormen Spannungsbogen aus der Verbindung zwischen Moderne und Klassik und natürlich auch durch die Uni.
Man sagt, die Bauhaus-Universität Weimar sei ein ganz eigener Kosmos für sich. Wie wollen Sie sich diesem Kosmos nähern bzw. diesen für sich erschließen?
Ich möchte mir die Zeit nehmen, diese Uni kennenzulernen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die hier arbeiten und natürlich mit den Studierenden. Ich habe mir die Universität bewusst als Berufsfeld ausgesucht und ich könnte mir keinen anderen Ort vorstellen, an dem ich tätig sein möchte.
Die Bauhaus-Uni ist – wie Sie sagen – ein besonderer Kosmos. Hier trifft sich Wissenschaft, Kunst, Forschung und Lehre. In diesem Kontext sind wir auch im Vergleich zu den anderen Thüringer Universitäten besonders. Wir verkörpern die Verbindung von Kunsthochschule und Universität.Diese generiert aber auch besondere Herausforderungen für mich als Kanzler: wir passen eben nicht in herkömmliche Raster, sei es bei der Mittelverteilung, sei es bei den Betreuungsrelationen, beim Flächenbedarf etwa für Ateliers oder Galerien… Dies gilt es nach innen und außen zu vermitteln.
Sie haben an der TU Berlin die Abteilung Studierendenservice geleitet. Was bringen Sie aus den Erfahrungen dort mit und wie wollen Sie den Kontakt zu den Studierenden halten?
Ich möchte auf jeden Fall einen engen Kontakt aufbauen und ihre Themen zu meinen machen. Mein erstes Treffen mit den Studierenden fand bereits statt, in der M 18, in ihrem Haus. Wir saßen an einem Tisch und sprachen über ihre Bedürfnisse, Pläne, studentische Initiativen und Aktionen. Mir ging es dabei auch um die Serviceorientierung, also die Frage, was muss eine Universität, insbesondere die Verwaltung, leisten für die Bildung ihrer Studierenden.
Ich beziehe das natürlich stark auf die Aufgabenfelder, für die ich als Kanzler zuständig bin, also welche Infrastruktur gibt es, wie können wir die Projektarbeit der Studierenden unterstützen. Damit meine ich konkret Arbeitsräume oder Anlaufstellen für Studierende in der Verwaltung.
Welche konkreten Aufgaben werden Sie in den nächsten Wochen erwarten?
Das Kennenlernen der Uni nimmt natürlich erst einmal großen Raum ein. Und dann steht zugleich eine Reihe inhaltlicher Aufgaben an. Der Haushalt für 2015 ist aufzustellen und die Finanzierung für die nächsten Jahre zu sichern. Die Hochschulen wissen noch nicht, nach welchen dezidierten Kriterien die Landesmittel an sie ausgegeben werden. Das wird also eines meiner Hauptthemen sein: die Finanzierung der Bauhaus-Uni mit für uns passenden Parametern.
Auf der einen Seite brauchen wir eine möglichst hohe Grundfinanzierung, auf der anderen Seite steht der leistungsbezogene Anteil zur Diskussion, der gesetzlich vorgesehen ist. Dieser muss sich an einem für unsere Fächerkulturen leistbaren Spektrum orientieren. Durch unseren Spannungsbogen zwischen Kunst und Wissenschaft nehmen wir eine Sonderstellung ein. Dieser Sonderstellung wird bei der bisherigen Mittelverteilung im Land noch nicht ausreichend Rechnung getragen.
Gibt es konkrete Signale, wie es in diesem Prozess vorwärts gehen soll?
Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass sich diese Diskrepanz mit der noch zu verhandelnden Rahmenvereinbarung IV ändern und es eine Abkehr vom bisherigen Verteilungsmodell geben wird. Schon im Februar finden erste Abstimmungen mit unserem Ministerium zu dieser Frage statt. Es ist aber noch offen, wie sich das Land mit der neuen Regierung dazu positionieren wird. Die ersten Signale dazu von Minister Tiefensee sind positiv. Ich verspreche mir, zu Leistungskriterien zu kommen, die für uns gut verträglich sind. Ein zweiter Schritt wird sein, ein Modell zu finden, wie wir die vom Land zugewiesenen Mittel intern verteilen.
Wie lange wird die Rahmenvereinbarung IV gelten?
Wir beschließen sie in diesem Jahr, gelten wird sie von 2016 bis 2020.
Das heißt, einer der Schwerpunkte ist die Finanzierung durch das Land, ein anderer die Verteilung der Mittel an die Fakultäten und Bereiche?
Exakt. Die Mittel werden nicht eins zu eins durchzureichen sein. Dafür müssen wir ein eigenes Modell entwickeln. Das verspreche ich mir durch eine breite, transparente Diskussion mit den Gremien der Universität, etwa der AG Finanzen und dem Haushaltsausschuss. Wir werden nach eigenen Regeln der internen Mittelverteilung suchen müssen. Durch unsere Einzigartigkeit können wir eben keine Modelle von anderen Hochschulen kopieren.
Grundsätzlich gilt das Solidarprinzip, es darf sich niemand als Gewinner oder Verlierer fühlen. Die Kunst und die Wissenschaft werden bei uns ganzheitlich gesehen, es darf kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander geben. Jeder soll sich als Bestandteil der Einzigartigkeit verstehen.
Wie könnte man den Erkenntnisgewinn aus künstlerischer Tätigkeit greifbar machen?
Das ist genau der Punkt, mit dem wir uns beschäftigen müssen, da kann ich an dieser Stelle noch keine Lösung präsentieren. Sonst gäbe es ja dieses Problem nicht. Wir müssen erst einmal als Status Quo anerkennen, dass es für die Kunst bisher keine adäquate Berücksichtigung in der Mittelverteilung gab. Diesen Umstand würde ich gern über eine höhere Grundfinanzierung abfedern und über die interne Verteilung. Das wird dann aber nicht mehr über messbare Kriterien erfolgen können. Diese Einigung können wir nur im Miteinander erreichen.
Wie sieht es in Sachen Hochschulbauten aus? Gibt es hier für Sie Schwerpunkte in den nächsten Monaten?
Vor allem in der Coudraystraße 7 besteht akuter Sanierungsbedarf. Dort ist der Westgiebel seit einem Jahr gesperrt, Fassadenelemente drohen abzustürzen. Auch der energetische Zustand und die raumklimatischen Verhältnisse sind nicht mehr zeitgemäß. In dem Gebäude soll eine moderne Infrastruktur für die Labore und Lagermöglichkeiten geschaffen werden. Die Planungen hierfür gibt es schon lange, mein Ziel ist es, diese bald starten zu lassen.
Ein anderes bauliches Vorhaben, das mit diesem Größenvolumen zwar nicht zu vergleichen ist, aber in der öffentlichen Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielt, ist die Neugestaltung der Außenanlagen vor dem Hauptgebäude. Die ersten Abstimmungen zwischen der Stadt Weimar, dem Land und uns finden bereits statt. Zunächst wird es eine Ausschreibung geben, bei der wir unser hausinternes Know-how wesentlich einbringen werden.
Werden die Baumaßnahmen vor dem Hauptgebäude noch in diesem Jahr starten?
Nein, wir sind noch ganz am Anfang, planen mögliche Zeitschienen und bauen das Projektmanagement auf. Wir schauen natürlich auch darauf, wann die Flächen wie genutzt werden im Jahr, damit hier alle Veranstaltungen, zum Beispiel die summaery, stattfinden können. Bis zum Bauhaus-Jubiläum 2019 wollen wir fertig sein, daher werden wir genau überlegen, wann wir welche Abschnitte realisieren können.
Als Kanzler sind Sie auch der Chef der Verwaltung. Gibt es dort Projekte, die Ihnen am Herzen liegen?
Da möchte ich unbedingt das Enterprise-Resource-Planning-Projekt (ERP-Projekt) nennen, ein Organisations- und IT-Projekt des Landes Thüringen mit den Hochschulen, um den Bereichen Personal, Finanzen und Liegenschaften zeitgemäße IT-Unterstützung zu bieten. Dafür werden wir zunächst eine Projektstruktur und eine solide Datengrundlage schaffen, insbesondere im Bereich Personaldaten.
Da haben Sie bedeutende Dinge vor, die mit viel Arbeit verbunden sind. Was machen Sie denn, wenn Sie mal einen Tag frei haben?
Alle zwei Wochen verbringen wir, meine Frau und ich, das Wochenende in Berlin mit meinen beiden Kindern Philipp (10) und Klara (14) – ein privater, familiärer Anker, der mir sehr wichtig ist. Ansonsten überlege ich mir schon, welche Joggingstrecke wohl die beste ist. Der Ilmpark vor meiner Tür ist auf alle Fälle sehr verlockend. Weimar als Stadt möchte ich mir erlaufen, ich empfinde es als großen Vorteil, dass man überall zu Fuß hinkommt. Die Stadt strahlt einen unvergleichlichen Charme aus und ich werde mir die eine oder andere Stunde nehmen, auch bei Tageslicht mal herauszugehen. Einige Male ist mir das sogar schon gelungen.
Freuen Sie sich auf etwas ganz besonders?
Ja, wie eingangs erwähnt, sind die vielen Begegnungen mit den Menschen hier das, worauf ich mich am meisten freue in den nächsten Tagen.
Herr Dr. Henrici, wir bedanken uns für das Gespräch.
Mit Dr. Horst Henrici sprachen Andrea Karle und Claudia Weinreich.