Im Februar 2024 hat der LUCIA Verlag die Publikation »Auf dem Weg zum Erinnerungsort – Das Gebäude der NS-Medizinbürokratie in Weimar« veröffentlicht. Sie setzt sich mit der Geschichte und Gegenwart des ehemaligen sogenannten Ärztehauses als Knotenpunkt der lokalen und überregionalen Medizingeschichte im Nationalsozialismus auseinander.
Wie kann heute der Weg zu einem Erinnerungsort gestaltet werden? Welche Rolle spielt das Gebäude in der Bauhausstraße 11 für die Erinnerungslandschaft Weimars? Der Band versammelt Texte aus der Geschichts- und Erinnerungsforschung sowie von Expert*innen lokaler Gedenkstätten und Erinnerungsorte. Sie sind Ergebnis des zweijährigen Forschungs- und Vermittlungsprojektes »Die Geschichte der Bauhaustraße 11. Auf dem Weg zum Erinnerungsort« der Fakultäten Medien sowie Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar. Gefördert wurde das Projekt von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. In dem Band sind ebenfalls Beiträge aus der Konferenz »Erinnern gestalten« veröffentlicht.
Mit der Neuerscheinung dokumentieren und reflektieren die interdisziplinär arbeitenden Herausgeber*innen die Erinnerungsarbeit auf dem Campus der Bauhaus-Universität Weimar und darüber hinaus. Die Beiträge von Historiker*innen, Medienwissenschaftler*innen, Urbanist*innen, Künstler*innen und Kunsthistoriker*innen verorten das Gebäude räumlich in Weimar und Thüringen sowie erinnerungspolitisch in einer seit Jahrzehnten erkämpften Landschaft des Gedenkens an nationalsozialistische Verbrechen. Dabei wird die Dringlichkeit deutlich, eine nachhaltige, eindeutige und trotzdem mehrdimensionale Form des Erinnerns zu entwickeln und zu gestalten.
Die Publikation ist erhältlich als Printversion im LUCIA Verlag sowie digital als Open-Access-Publikation in der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar.
»Auf dem Weg zum Erinnerungsort – Das Gebäude der NS-Medizinbürokratie in Weimar«
Hrsg. von Julia Bee, Lilli Hallmann, Franziska Klemstein, Jannik Noeske
LUCIA Verlag Weimar, Februar 2024
ISBN 978-3-945301-72-2
Preis: 25,00 €
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des LUCIA Verlags: https://luciaverlag.de/shop/einzelpublikationen/auf-dem-weg-zum-erinnerungsort/
Hier gelangen Sie zur Open-Access-Publikation in der Universitätsbibliothek: https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/frontdoor/index/index/start/0/rows/10/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/Erinnerungsort/docId/6461
Link zum Video »Die Geschichte der Bauhausstraße 11 – Auf dem Weg zum Erinnerungsort«: https://vimeo.com/572955761
Hintergrund zur Geschichte der Bauhausstraße 11
Das Gebäude in der heutigen Bauhausstraße 11 (ehemalige Kurthstraße), das seit 1997 durch die Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar genutzt wird, wurde 1935-1936 im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen als ein nationalsozialistischer Repräsentationsbau für Weimar und Thüringen erbaut und von 1937 bis 1945 als sogenanntes Ärztehaus genutzt. In diesem Zeitraum hatten hier die wichtigsten Institutionen der Thüringer NS-Gesundheitsverwaltung – beispielsweise die »Gauamtsleitung Thüringen des Amtes für Volksgesundheit«, der »Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund« oder der »Deutsche Reichsbund für Leibesübungen« – ihren Sitz. Das »Ärztehaus« fungierte somit während des NS-Regimes als administrative Schaltzentrale der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik und Medizinbürokratie im sogenannten Gau Thüringen. Im Zuge der NS-Medizin- und Gesundheitspolitik sollte eine als »arisch« verstandene Ärzt*innenschaft und Heilkunde etabliert werden. Dazu gehörten die Entrechtung jüdischer, oppositioneller und anderer verfolgter Ärzt*innen, Euthanasie-Verbrechen, die Bevölkerungskontrolle und Bevölkerungsselektion oder medizinische Folter in Konzentrationslagern. Vor diesem Hintergrund ist das ehemalige »Ärztehaus« als ein Ort des Täterhandelns im Nationalsozialismus zu verstehen.
Hintergrund zum Forschungs- und Vermittlungsprojekt der Bauhausstraße 11
Das Projekt hat im Rahmen einer Kooperation zwischen der Fakultät Medien und der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar die Geschichte des Hauses in der heutigen Bauhausstraße 11 untersucht. Geleitet wurde es von der Professur Archiv- und Literaturforschung und finanziert von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen.
Ziel des Projektes war es, die verschiedenen Akteur*innen, Handlungen und Strukturen sowie deren komplexe Interaktion im nationalsozialistischen Gesundheitswesen – und speziell dessen Manifestation in Weimar – zu rekonstruieren. Mittels einer solchen netzwerkartigen Perspektive, die die Medizin als Politikfeld in Beziehung zu anderen NS-Herrschaftsbereichen setzt, wurden einzelne Protagonist*innen ebenso in den Blick genommen wie beispielsweise die Beziehungen und personellen Überschneidungen der im »Ärztehaus« ansässigen NS-Institutionen untereinander, aber auch deren mögliche Verzahnung mit anderen NS-Institutionen in Weimar oder Thüringen. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem mögliche Kontakte, Konkurrenzen und Konflikte zwischen der Medizinalverwaltung und dem »Thüringischen Landesamt für Rassewesen«, das ab 1935 seinen Sitz in der nahegelegenen Marienstraße 13a und 15 hatte, untersucht.
Neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mittels einer architekturgeschichtlichen, medizinhistorischen und kulturwissenschaftlichen Perspektive ist im Rahmen des Projektes ein Erinnerungsmedium entstanden, welches das Gebäude als einen Erinnerungsort kennzeichnet und sich bewusst mit der NS-Vergangenheit des Hauses und seiner Rolle in Weimar und Thüringen auseinandersetzt. Das Projekt begreift sich über die universitätsinterne Reflexion hinaus auch als Vermittlungsprojekt, das in Austausch tritt mit der Stadt Weimar und ihren verschiedenen Akteur*innen, die entweder bereits im Bereich der Erinnerungskultur arbeiten oder auf diesem Gebiet aktiv werden wollen.
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