Im Dezember des vergangenen Jahres fuhren die Erstsemester gemeinsam mit Masterstudierenden der Fakultät Architektur und Urbanistik zum Bauhaus Dessau. Auch in erwartungsvoller Voraussicht auf das sich nähernde »bauhaus100-Jahr« gab die Reise nach Dessau den Studierenden die Chance, die Ursprünge ihrer eigenen Universität zu erkunden.
Insgesamt 150 Studierende drängen sich vor dem großen Hauptgebäude in Dessau und warten darauf, dass die Führungen beginnen. Morgens wird einerseits eben dieses Gebäude, der zentrale Ort des Bauhauses Dessau, besichtigt, und andererseits schauen sich die Gruppen die sogenannten »Meisterhäuser« an, die Wohnhäuser der Lehrenden um Walter Gropius. Das Haupthaus in Dessau ist ganz in ihrem Bauhausstil erbaut worden und dank aufwändiger Sanierung bis heute erhalten. Große von außen aufgesetzte Fenster schaffen helle, lichtdurchflutete Räume und die Grenzen zwischen außen und innen verschwimmen. An anderer Stelle werden Stahlelemente aus der Industrie verwendet; große Fensterfronten lassen sich mit einer einzigen Kette öffnen. Im Zuschauerraum vor der Bühne findet man die ersten einfachen Sitzreihen aus simplen Materialien – Metallrohre mit Stoff bezogen und klappbar. Was heute in zahllosen Theaterhäusern, Vortagsräumen und Hörsälen nicht mehr wegzudenken ist, findet in den 1920er Jahren in Dessau seinen Ursprung und ist damals höchst innovativ. Die Bühnenrückwand bildet gleichzeitig eine räumliche Trennung zur Mensa, an die sich wiederum das damalige Studentenwohnheim anschließt. Dort fanden die Bauhaus-Studierenden Einzelzimmer mit Balkon, fließend Wasser, große Fensterfronten und Schreibtische zum Wohnen. 20 Quadratmeter Wohnfläche für eine Person waren damals viel Platz und selbst heute ist so manches Zimmerchen deutlich kleiner und die Miete höher als vor knapp 100 Jahren. Die Idee der im Campus integrierten Wohnhäuser für Studierende stammt aus den USA und wurde von Gropius als einem der ersten in Europa umgesetzt.
Das zweite Gebäude auf dem Gelände diente als Berufsschule für Auszubildende und ist durch eine Brücke im ersten Oberschoss verbunden. In dieser Gebäudebrücke befindet sich unter anderem das Büro von Walter Gropius. Im gesamten Gebäude stößt man immer wieder auf versteckte Wandschränke und dennoch herrscht stets viel Offenheit, die Raffinesse erschließt sich oft erst auf den zweiten Blick. Dabei fällt zum Beispiel auf, dass schon damals unglaublich große Fensterscheiben eingesetzt wurden. Wo es heute selbstverständlich ist, brauchte es damals zahlreiche Versuche bis eine große Scheibe ohne jegliche Mängel eingesetzt werden konnte.
Das Bauhaus Dessau ist heute einerseits Museum, Sitz der Stiftung Bauhaus Dessau und einige Räume werden von der Hochschule Dessau-Anhalt genutzt. Außerdem werden die ehemaligen Wohnheimzimmer heute als Hotelzimmer vermietet. Die »Meisterhäuser« stehen nicht weit vom Bauhaus-Gebäude und sind nur in Teilen im Original erhalten. Die drei Doppelhäuser und das Einzelhaus stehen an der heutigen Ebertallee in einem Kiefernwäldchen und bildeten damals eine Künstlerkolonie. Das Einzelhaus und die erste Hälfte des danebenliegenden Doppelhauses sind heute nachempfundene Neubauten, denn die Originalgebäude wurden durch Bomben im zweiten Weltkrieg zerstört.
Ebenso wie ein Großteil des Hauptgebäudes sind die »Meisterhäuser« heute Teil des Museums und für Besucher begehbar. So werden im Nachbau des Gropius-Wohnhauses Werke des jeweiligen »Artist in Residence« gezeigt. Die Stiftung Bauhaus Dessau ermöglicht unterschiedlichen Künstlern in regelmäßigen Abständen für einige Monate im ersten Doppelhaus der »Meisterhäuser« zu arbeiten. Vor allem das ehemalige Wohnhaus der Künstlerfamilien von Paul Klee und Wassily Kandinsky gibt den Besuchern einen realistischen Eindruck der 1920er Jahre, da die Wände dort in den ursprünglichen Farben gestaltet sind. In diesem Jahr ist das Haus aufgrund einer Instandsetzung durch die Wüstenrot Stiftung geschlossen. Aus diesem Grund waren die Räume bei der Besichtigung Ende Dezember schon geräumt.
Am Nachmittag fahren alle Studierenden gemeinsam zur Siedlung Dessau-Törten. Die Siedlung entstand unter der Leitung von Walter Gropius und Hannes Meyer von 1926 bis 1930. Wichtigstes Ziel war die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. So wurden einerseits die sogenannten Laubenganghäuser gebaut, in denen ganze Familien auf 47 Quadratmetern wohnten und andererseits entstanden 314 Reihenhäuser mit 57 bis 75 Quadratmetern Wohnfläche. Von vorn blickt man auf klar definierte und schlichte Fassaden im industriellen Stil, während sich hinter jedem Haus langgestreckte Gartenparzellen befinden. Mit Anbaufläche, Stall und Komposttoilette sind diese Häuser für Selbstversorger errichtet worden und zur damaligen Zeit für eine geringe Anzahlung käuflich zu erwerben gewesen. Die Gebäude sind alle noch erhalten, doch ein Großteil wurde saniert und ist heute kaum wiederzuerkennen. Es gibt noch ein Reihenhaus, das sich im Originalzustand befindet und heute für Besichtigungen genutzt wird. Die Laubenganghäuser gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe und sind, abgesehen von einer Ausstellungswohnung, ebenfalls bewohnt.
Der gesamte Ausflug war für alle Beteiligten eine informative und spannende Veranstaltung. Trotz des regnerischen Wetters spazierten alle gemeinsam gern durch Dessau und schauten sich viele kleine und große Details der Bauhaus-Geschichte an. Und selbst für die Museumsguides war es eine neue Erfahrung, denn es war wohl das erste Mal, dass so viele und so große Gruppen sich gleichzeitig das gesamte Gelände anschauten – dennoch fanden alle in den teils kleinen Räumen und Gängen Platz und Zeit genug, sich einen Eindruck zu verschaffen.
Ein Bericht über den Besuch des Bauhaus Dessau am 21. Dezember 2018 von Anna-Lena Öhmann
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