»Nachmachen ausdrücklich erwünscht!« ist das Motto, das sich hinter dem Prinzip des »Open Design« verbirgt. Um möglichst vielen Menschen in der Corona-Krise die Möglichkeit zu eröffnen, aufeinander acht zu geben, haben Lehrende des Produktdesigns und des Interface Designs ein spezielles Visier entwickelt. Der »BauhausUniVisor« wird im Bauhaus Form + Function Lab bereits produziert – für lokale und regionale Pflegeeinrichtungen und weitere Partner.
Das Visier versteht sich als »Geste der Höflichkeit« und soll Menschen dabei helfen, sich vor fremden Atemlufttröpfchen abzuschirmen. Jason Reizner, Vertretungsprofessor im Interface Design an der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar, hatte Ende März dazu aufgerufen, Entwürfe für persönliche Hygienematerialien und Hilfsmittel zu entwickeln: »Wir haben die Technik, wir haben das Material, wir haben das Know-How. Also lasst uns etwas tun«, so Reizner. Er leitet das Bauhaus Form + Function Lab der Bauhaus-Universität Weimar, das unter anderem von der Europäischen Union finanziell unterstützt wird und einen hochmodernen Lasercutter bereithält, mit dem beliebige Formen ausgeschnitten werden können.
Einen Grundentwurf für das Gesichtsvisier aus PETG-Folie lieferte kurz darauf Andreas Mühlenberend, Professor für Industriedesign, der sich schwerpunktmäßig mit Medizintechnik beschäftigt. Gemeinsam mit Jason Reizner und Kristian Gohlke entwickelte er die Idee weiter. Mittels sogenanntem »Rapid Prototyping«, der schnellen Herstellung von Testmodellen und sofortiger Anwendung von Verbesserungen, wurden in einem interdisziplinären Designprozess mehrere Prototypen mit dem Lasercutter hergestellt und verschiedene Varianten getestet und optimiert. In weniger als drei Wochen brachte das Team so den »BauhausUniVisor« von der Idee zur Fertigungsreife.
»Der ›BauhausUniVisor‹ sollte so materialsparend wie möglich und zudem einfach zu montieren sein. Deshalb basiert das Visier auf einem Design für alle (Universal Design, one size fits all) und besteht je nach verwendetem Lasercutter aus nur zwei bzw. drei Teilen, die ineinander gesteckt werden«, so Mühlenberend. »So kann sich das Visier an jede Kopfform anpassen – das ist komfortabel und praktisch zugleich.« Dem klassischen Bauhaus-Gedanken folgend, ist so nicht nur Design für jedermann entstanden. Vielmehr wird der Entwurf auch dem Anspruch der Universität gerecht, mit zeitgemäßen Mitteln auf Fragestellungen zu reagieren: Das Visier bietet eine Antwort auf ein aktuelles Problem.
Das Tragen von Gesichtsschilden mag dem einen oder anderen ungewohnt vorkommen; der Look sehr futuristisch. Doch die Vorteile des »BauhausUniVisors« liegen auf der Hand. Da er ohne 3D-Druck-Teile oder zusätzliche Gummibänder auskommt, ist die Produktionszeit sehr gering: In nur fünf Minuten können acht Exemplare ausgeschnitten werden. Erste Tests haben auch ergeben, dass das Material eine Reinigung mit den gängigen Desinfektionsmitteln gut verträgt; nur hitzebeständig ist die Folie nicht. Das Gesichtsschild ist mit seinen 60 Gramm extrem leicht, kann locker an unterschiedlichen Kopfformen befestigt werden und ist zudem für jede Frisur geeignet. Mühlenberend unterstreicht: »Man kann eine Brille darunter tragen, eine Mütze und natürlich eine Atemmaske. Außerdem haben wir gelernt, dass es manch einer Patientin oder einem Patienten unwohl ist, wenn er oder sie das Gesicht ihres Gesprächspartners nicht sehen kann. Mit unserem »BauhausUniVisor« wird dieses Problem wenigstens partiell gelöst.«
Die Abnehmerliste für den »BauhausUniVisor« ist schon jetzt lang: »Unsere Partnerinnen und Partner, darunter hauptsächlich Pflegedienstträger im Weimarer Raum, interessieren sich sehr für eine schnelle Lieferung hoher Stückzahlen. Aber auch andere sogenannte systemrelevante Berufsgruppen und Einrichtungen wie Geschäfte oder Arzt- und Zahnarztpraxen wollen wir erreichen«, so Reizner.
Wer sich für den »BauhausUniVisor« als ›Geste der Höflichkeit‹ interessiert, kann das Design sogar privat nutzen: Es ist als Open Design angelegt und unterliegt einer Creative Commons Licence. Das heißt, Entwurf und Montageanleitung stehen der Allgemeinheit zur Verfügung, sind also unter Angabe der Urheber und der Quelle frei verfügbar und können von jedem, der einen Lasercutter besitzt, für nicht-kommerzielle Zwecke genutzt werden. Da nicht jeder über einen großen Lasercutter verfügt, haben die Produktdesigner an der Bauhaus-Universität Weimar auch diesen Fall mitgedacht: »Hierfür gibt es einen Entwurf mit drei einzelnen Teilen des Straps, also des Befestigungsstreifens, sodass auch Lasercutter verwendet werden können, die mit kleineren Flächen und Folien arbeiten«, so Mühlenberend.
Das Team um Vertr.-Prof. Jason Reizner und Prof. Andreas Mühlenberend dankt Kristian Gohlke und Darko Velazquez für ihre unschätzbare Hilfe bei der Weiterentwicklung, Prozessoptimierung und Kommunikation innerhalb des Projekts.
Informationen zur Initiative, ein Video und die Datensätze zur Herstellung sind auf der Website des Bauhaus Form + Function Lab bereitgestellt:
bffl.io
Interessierte Hersteller aus der Industrie oder Betreiberinnen sowie Betreiber von FabLabs und Makerspaces möchten die Initiatoren ausdrücklich ermuntern, Kontakt aufzunehmen:
Prof. Andreas Mühlenberend
Professur Industriedesign
Geschwister-Scholl-Straße 7, Zi. 108
99423 Weimar
Telefon: +49 (0) 3643 / 58 33 87
EMail: andreas.muehlenberend[at]uni-weimar.de
Vertr.-Prof. Jason M. Reizner
Professur Interface Design
Marienstrasse 5, Zi. 105
99423 Weimar
Telefon: +49 (0) 3643 / 58 37 63
Email: jason.reizner[at]uni-weimar.de
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