Universitäten sind Orte des gesellschaftlichen Austauschs, an ihnen werden unterschiedliche Perspektiven erörtert, einander entgegenstehende Positionen diskutiert, fakultätsübergreifende Entscheidungen ausgehandelt. Es sind Orte, an denen Demokratie gelebt wird. Wie jedoch kann die akademische Selbstverwaltung mit den dazugehörigen Gremiensitzungen gelingen, wenn Coronaschutzmaßnahmen das universitäre Leben dominieren?
Am 6. Mai 2020 tagte unter sehr besonderen Bedingungen eines der wichtigsten Gremien der Bauhaus-Universität Weimar erstmals nach zweimonatiger Pause: der Senat. Aufgrund der aktuellen Distanz- und Hygienevorschriften stand das Präsidium vor der Herausforderung, ihn als Präsenz- und Onlineveranstaltung organisieren zu müssen – ein Novum und Experiment für alle Beteiligten. Zunächst musste die zentrale Frage nach einem geeigneten Ort gelöst werden: Alle üblichen Sitzungssäle waren für die rund 20 angemeldeten Personen einfach zu klein. So entschied man sich für den Hörsaal D in der Marienstraße 13, da er ebenfalls über die nötige Technik verfügt: Es gibt Beamer und Leinwände, aber auch genügend Platz, um Sitze frei zu lassen und genügend Abstand zwischen den Senatorinnen und Senatoren zu gewährleisten.
Und so ergab sich am Mittwoch zu gewohnter Zeit um 13.30 Uhr ein für alle Teilnehmenden ungewöhnliches Setting. Knapp zwei Drittel der Senatsmitglieder saßen physisch präsent im Hörsaal und konnten die Tagesordnungspunkte direkt miteinander besprechen sowie die Redebeiträge der per Video zugeschalteten Senatsmitglieder und Präsentationen auf der Leinwand verfolgen. An jedem der Sitzplätze war zuvor eigens ein Mikrofon installiert worden, sodass man einander gut verstehen konnte.
Die übrigen Senatsmitglieder waren mit dem Rechner per Moodleraum und BigBlueButton-Videochat zugeschaltet. Auch sie konnten sich lebhaft an der Diskussion beteiligen. Sie kamen direkt zu Wort oder meldeten ihre Beiträge und Fragen in der integrierten Chatfunktion an, welche dann im Hörsaal von der Referentin des Präsidenten, Viola Baser, vorgetragen wurden. Eine Kamera schwenkte auf den Redner oder die Rednerin, sodass auch der persönliche Charakter des Austauschs glücklicherweise nicht ganz verloren ging. Für die Hochschulöffentlichkeit wurde die Sitzung in einen weiteren Hörsaal übertragen. Obwohl dieses Format eine echte Umstellung und Herausforderung bedeutete, waren alle Beteiligten sehr froh, dass der Senat in dieser Form konstruktiv tagen konnte.
Digitales Sommersemester bestimmt die Arbeit des Präsidiums
Nicht nur wegen der Pandemie und der Veranstaltungsform handelte es sich um einen besonderen Senat: Gleich zu Beginn verabschiedete Präsident Prof. Winfried Speitkamp die bisherige Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Prof. Nathalie Singer, und dankte ihr für ihr Engagement in ihrer Tätigkeit. Er begrüßte noch einmal ausdrücklich Prof. Dr. Christian Koch, seit Anfang April als Vizepräsident für Studium und Lehre Nachfolger von Prof. Singer, sowie Prof. Dr. Jutta Emes, die nunmehr die Zuständigkeit für Internationales, Diversität, Gleichstellung und Transfer übernommen hat.
Naturgemäß bildeten der Umgang mit der Corona-Krise und die Gestaltung des Sommersemesters 2020, das gerade als digitales Semester gestartet ist, einen der wichtigsten Tagesordnungspunkte und wurden besonders intensiv diskutiert. So berichtete das Präsidium zunächst über die Maßnahmen, die es bisher ergriffen hat, um die Herausforderungen zu bewältigen. Dabei zeigte sich die Universitätsleitung besonders glücklich und dankbar, dass es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität bislang zu keinem Infektionsfall im Kontext der Corona-Epidemie gekommen ist. Sie plant dennoch, weiterhin mit größter Umsicht bei der Bewältigung der Krise voranzuschreiten.
Basisbetrieb statt vollständiger Schließung
Gleich im März hatte das Präsidium als eine der ersten Maßnahmen einen Krisenstab eingerichtet, der unter der Leitung des Präsidenten und stellvertretend des Kanzlers die jeweils drängenden Sicherheits- und Organisationsfragen erörtert und dem Präsidium zur Entscheidung vorlegt. Ebenso tagt eine Task Force als beratendes Ad-hoc-Gremium, in dem die zuständigen zentralen Einrichtungen der Universität vertreten sind; als »Erweiterte Task Force« kommen die Fakultätsleitungen, die Leitung des Studierendenwerks und eine Vertretung des StudierendenKonvents hinzu. Gleichzeitig stimmen sich die Leitungen der Thüringer Hochschulen mit dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft regelmäßig über die Lage und die weitere Vorgehensweise ab.
Der Präsident schilderte dem Senat dabei den besonderen Weg, den die Bauhaus-Universität Weimar während des Lockdowns gegangen ist: Anders als andere Hochschulen wurde die Universität nicht komplett geschlossen, sondern auf einen Basisbetrieb reduziert. Die Gebäude wurden zwar für den Publikumsverkehr versperrt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlagerten soweit wie möglich ihre Tätigkeit ins Home-Office – das Leitmotiv der Universität ist der »begegnungsarme Betrieb«. Für zwingende Arbeiten können die Gebäude aber weiterhin betreten werden, was für vieles eine Erleichterung ist – selbstverständlich müssen jedoch alle Hygiene- und Abstandsregeln beachtet werden. Der wichtigste Kommunikationskanal für alle Schritte ist die extra eingerichtete Corona-Themenwebsite (www.uni-weimar.de/coronavirus) – hier informiert die Universität tagesaktuell über die Entwicklung, die Vorgaben von Land und Stadt und über die universitären Maßnahmen und Vorschriften.
Die Semesterzeiten verschieben sich etwas und die summaery2020 gibt es »remote«
Zu den wesentlichen Aufgaben der Gremien gehört die Vorbereitung des Semesters und auch der Senat widmete sich intensiv und unter vielen Aspekten der Frage, wie das Sommersemesters 2020 bestmöglich ausgestaltet werden kann. Schon in der Vorbereitung hatte die Universität durch beträchtliche Investitionen von über 400.000 Euro die digitale Infrastruktur (Hardware und Software) ergänzt sowie etwa 40 studentische eTutoren zur Betreuung der digitalen Lehre eingestellt und geschult. Mit dieser sehr guten Vorbereitung in nur sehr kurzer Zeit konnten am 4. Mai die digitale Projektbörse und der Lehrbetrieb ohne größere technische Probleme gut starten, ein schöner Erfolg.
Die Veranstaltungszeit des Sommersemesters endet am 24. Juli, danach folgt die Prüfungsphase. Die summaery2020 wird am 30. Juli als Höhepunkt und Abschluss des Semesters digital eröffnet. Auch das Wintersemester haben die Verantwortlichen schon jetzt im Blick: Um langfristig Planungssicherheit zu geben, wurde avisiert, den geeigneten Rahmen zu schaffen, damit die Veranstaltungen des Wintersemesters verbindlich am 2. November beginnen können.
Stets im Blick: die Lage der Studierenden
Ein weiterer Punkt, mit dem sich der Senat intensiv befasste, ist die aktuelle Situation der Studierenden. Dabei ging es zum einen um die Frage der Anrechnung des Semesters. Präsident Prof. Speitkamp plädierte dafür, das Semester als reguläres Semester zu starten. Die Universität habe eine gesellschaftliche Aufgabe, man wolle zeigen, dass Kultur und Bildung gerade in der Krise wichtig seien und Unterstützung verdienten. Den Studierenden sollte jede Hilfe gegeben werden, um Nachteile so gering wie möglich zu halten. Vizepräsident Prof. Koch zeigte auf, welche Möglichkeiten wie das Teilzeitstudium, die Möglichkeit eines Urlaubssemesters etc. es bereits jetzt gebe, um schnell individuelle Lösungen zu finden.
Die Verantwortlichen prüfen derzeit auch Modelle aus anderen Universitäten, z.B. die optionale Verschiebung oder Wiederholung von Prüfungen. Das Land plant zudem, durch ein Gesetz dafür zu sorgen, dass bei der Berechnung von Langzeitstudiengebühren das Sommersemester 2020 nicht mitgezählt wird. Besonderes Augenmerk in der Senatsdiskussion galt auch der Situation der internationalen Studierenden und der derzeitig bedrohten materiellen Lage von Studierenden überhaupt. Schon Anfang April hatte die Universität Mittel für Notdarlehen an Studierende über das Studierendenwerk zur Verfügung gestellt; sie setzt sich aber zudem für großzügige, nicht rückzahlbare Unterstützungen ein, die über ein bloßes Notdarlehen hinausgehen.
Zum Schutze aller Universitätsangehörigen: Präsenzlehre nur im Einzelfall
Intensiv diskutiert wurde im Senat auch die Frage, an welchen Stellen und ab wann ein Präsenzbetrieb aufgenommen werden könnte. Zwar soll das Semester als digitales Semester durchgeführt werden. In vielen Bereichen sind aber Präsenzelemente in der Lehre unverzichtbar, nicht zuletzt im Blick auf die Vorbereitung von Abschlussarbeiten. So sind etwa Labore der Fakultät Bauingenieurwesen unvermeidbar, da darin Studierende praktische Übungen absolvieren müssen, die an einer bestimmten Stelle im Curriculum festgeschrieben und verpflichtend sind. Für die entsprechenden Werkstätten, Ateliers und Labore werden nun von den Fakultäten bis Ende Mai individuell angepasste Konzepte erarbeitet und mit dem Servicezentrum Sicherheitsmanagement abgestimmt.
Geplant ist, ab Anfang Juni einige wenige Bereiche punktuell und unter größten Sicherheitsvorkehrungen wieder zu öffnen. Dies könne aber erst in der zweiten Mai-Hälfte definitiv entschieden werden und hänge von der allgemeinen Lage in Thüringen ab, so Präsident Speitkamp. Einigkeit herrschte im Senat darüber, dass Präsenzlehre nur im unabweisbaren, begründeten Einzelfall in diesem Sommersemester möglich werden kann. Auch für Prüfungen, die in Präsenz stattfinden müssen, werden Hygiene- und Abstandskonzepte erstellt; hier handelt es sich vor allem um Klausuren, für die angemessene Räume mit entsprechenden Abstandsmöglichkeiten gefunden werden.
Der Präsident warb ungeachtet aller Bemühungen zum »Hochfahren« des Universitätsbetriebs gleichzeitig um Verständnis dafür, dass es gegenwärtig noch nicht zu verantworten sei, Studierende zur Rückkehr an die Universität aufzufordern. Gesundheit und Sicherheit aller Mitglieder der Universität hätten derzeit höchste Priorität. Der Präsident appellierte gerade vor diesem Hintergrund noch einmal an alle, gerade auch an die Studierenden, mit Mut, Zuversicht und großer Selbstverantwortung in das Semester zu gehen. Und er dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Lehrenden und Studierenden besonders dafür, wie engagiert sie sich an der Bewältigung der Krise beteiligt und auf das neue Semester vorbereitet hätten. Insbesondere unter den besonderen Belastungen der Mitarbeitenden im Blick auf Home-Office und der dabei zu bewältigenden Kinderbetreuung sei dies außerordentlich zu würdigen.
Corona darf nicht alles überlagern: Wichtige Instrumente zur Gleichstellung in Berufungsverfahren vorgestellt
Auch mit den ganz »normalen« Fragen des Universitätsbetriebs befasste sich der Senat. So wurden verschiedene Ordnungen behandelt und Ausschusspositionen besetzt. Ein Tagesordnungspunkt war zudem einer außerordentlich wichtigen Frage gewidmet: Wie kann es der Universität gelingen, den Anteil von Frauen auf Professuren deutlich zu erhöhen? In den kommenden Jahren wird bis zu einem Drittel der Professuren neu besetzt. Die Gleichstellungsbeauftragte Frau Meinhardt stellte Konzepte und Instrumente vor, die der Universität helfen können, bei der Gleichstellung der Geschlechter deutlich voranzukommen. Denn die Corona-Krise dürfe nicht alles bestimmen, so Präsident Speitkamp. Die Bauhaus-Universität Weimar habe sich für die Jahre bis 2025, also die Laufzeit der nächsten Rahmenvereinbarung mit dem Land Thüringen, viel vorgenommen.
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