Seit Januar 2019 erforscht das Verbundprojekt Stadtwende an der Bauhaus-Universität Weimar die Bedeutung der Bürgerinitiativen gegen den Altstadtverfall für die Wende in der DDR. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls wurde das Forschungsvorhaben nun mit einem Zeitzeugengespräch der Öffentlichkeit präsentiert.
Unter dem Titel »1989: Friedliche Revolution in der Stadterneuerung und das Ende der Abrisspolitik« diskutierten Dorothee Dubrau, Bürgermeisterin und Beigeordnete Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig, Matthias Klipp, Stadtentwicklungsexperte und ehemaliger Baustadtrat in Prenzlauer Berg sowie Ulf Heitmann, Vorstandsmitglied der Wohnungsbaugenossenschaft »Bremer Höhe«, inwieweit der Zustand der Altstädte in der DDR Auslöser für Aktivitäten und Protest gegen den zunehmenden Verfall und geplante Abrisse war.
Im Zentrum des Gesprächs stand neben den Restriktionen der DDR-Baupolitik, die die Stadterneuerung erschwert haben, besonders das Engagement von Altstadtgruppen in den Ost-Berliner Vierteln Mitte und Prenzlauer Berg. Dass sich hier nicht nur Oppositionelle, sondern auch Fachleute für den Erhalt der Gründerzeitbauten einsetzten, stellte Dorothee Dubrau heraus. Die damalige Mitarbeiterin im Büro für Städtebau war ab 1988 auch Sprecherin der Bürgerinitiative Luisenstadt, die damals unter dem Dach des örtlichen Wohnbezirksausschusses (WBA) gegründet wurde. »Andere Kollegen aus dem Büro für Städtebau haben mit den Aktiven aus der Initiative Spandauer Vorstadt zusammengearbeitet«, fügt sie hinzu. »Wir haben das einfach gemacht. So waren die Initiativen auch aus erster Hand darüber informiert, was geplant ist.« Ulf Heitmann, damals nach einem Jura-Studium Vertreter der Bürgerinitiativen am Runden Tisch des DDR-Bauministeriums, ergänzte, dass es auch beim Rat der Stadt Leute gab, die die Wohnbezirksausschüsse mit Informationen unterstützt haben – »wohl wissend, dass wir nicht unbedingt systemkonform sind«. Dass die Nachbarschaft die Ziele der Initiativen nicht unbedingt teilte, ist ein wichtiger Aspekt. Viele hätten auf eine Neubauwohnung gewartet, wie Dorothee Dubrau bemerkt. »Das ist der Grund, warum wir in der Oderberger Straße nie eine Bürgerbefragung gemacht haben«,resümierte Matthias Klipp. Im weiteren Verlauf des Gesprächs kamen die Beteiligten noch auf die Zeit nach der Wende zu sprechen, in der das Engagement teilweise verstetigt werden konnte, teilweise jedoch auch unter den neuen Bedingungen versickerte.
Innerhalb des Forschungsprojektes sollen diese Entwicklungen zum ersten Mal umfassend untersucht werden, wobei den Schlüsselakteuren der Gruppierungen gegen den Altstadtverfall ein besonderes Augenmerk gilt. Neben dieser Grundlagenforschung wird im Projekt großen Wert auf die Vermittlung in die heutige Öffentlichkeit gelegt. Neben einer umfassenden Website sind eine Wanderausstellung, Filmdokumentationen sowie eine Buchveröffentlichung vorgesehen.
Die Professur Raumplanung und Raumforschung an der Bauhaus-Universität Weimar ist mit zwei Arbeitspaketen am Forschungsprojekt beteiligt. Das Vorhaben entsteht im Verbund mit der TU Kaiserslautern, der Universität Kassel sowie dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Weitere Informationen unter www.stadtwende.de
Kontakt: jannik.noeske[at]uni-weimar.de
Moderation und Zusammenfassung des Gesprächs: Frank Peter Jäger, TU Kaiserslautern
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