Seit 1. Oktober 2023 ist Tim Simon-Meyer Juniorprofessor für Konstruktives Entwerfen und Erproben an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar. Die Professur ist eine von acht Tenure-Track-Professuren an der Bauhaus-Universität Weimar, die die Universität im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einwerben konnte.
Tim Simon-Meyer studierte an der Universität der Künste Berlin und der Universidade Autónoma de Lisboa und sammelte praktische Erfahrungen unter anderem in den Architekturbüros Pezo von Ellrichshausen in Concepción, Chile, und Max Dudler in Berlin.
Von 2015 bis 2017 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl »Entwerfen und Gestalten« bei Prof. Uta Graff an der TU München und von 2017 bis 2022 an der HafenCity Universität Hamburg am Lehrstuhl »Architektur und experimentelles Entwerfen« bei Prof. Matthias Ballestrem. 2022 bis 2023 leitete er zusammen mit Daniel Springer das Entwurfsstudio Studio SM/S an der HCU Hamburg.
Gemeinsam mit dem portugiesischen Architekten João Quintela gründete er 2012 das deutsch-portugiesische Architekturbüro Atelier JQTS, welches in Praxis, Forschung und Lehre tätig ist.
Was hat Sie dazu bewogen, an die Bauhaus-Universität Weimar zu kommen?
Zunächst hat mich die Ausschreibung für die Stelle angesprochen, da sie sehr gut zu meinen Interessen und bisherigen Schwerpunkten in Praxis, Lehre und Forschung passt. Vor allem der Teil des Erprobens verspricht die Möglichkeit experimenteller und unkonventioneller Lehrformate, was mich an der Stelle auch reizt.
Zudem ist die Bauhaus-Universität eine sehr gute Ausbildungsstätte für gestalterische Disziplinen, und insbesondere für die Architekturausbildung. In einer kleinen Stadt wie Weimar ist das etwas Besonderes und scheint zu einer großen Identifikation der Studierenden mit der Universität zu führen. Dadurch entsteht eine sehr konzentrierte Lern- und Lehratmosphäre, welche einen intensiven Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden ermöglicht. Zudem wird großer Wert auf die Vermittlung entwerferischer Kompetenzen gelegt, was ich wichtig finde. In diesem Kontext meine Schwerpunkte und Interessen in der Lehre einbringen zu dürfen, freut mich sehr.
Wie haben Sie die ersten Wochen an der Fakultät und an der Universität erlebt?
Intensiv und aufregend. Die ersten Treffen mit den Studierenden waren sehr inspirierend und machen Lust auf das Semester und die nächsten Jahre an der Uni. Man spürt bei den Studierenden einen großen Tatendrang und eine sehr hohe Motivation für das Studium.
Zudem habe ich bereits einige Kolleg*innen kennenlernen und Sitzungen verfolgen dürfen, wodurch ich erste Einblicke in Themen und Schwerpunkte der Lehre und Forschung der Fakultät Architektur und Urbanistik bekommen habe. Auch ein erster Austausch zu möglichen Kooperationen innerhalb der Universität findet bereits statt, was mich freut und ein Interesse an lehrstuhlübergreifenden Formaten zeigt.
Und ich habe das Glück, ein tolles Team an der Juniorprofessur zu haben, welches zum Teil schon vor mir da war, aber gerade auch noch Zuwachs bekommt.
Welche Fragen beschäftigen Sie an der Juniorprofessur Konstruktives Entwerfen und Erproben? Was bedeutet es für Sie, Juniorprofessor zu sein?
Wir wollen uns mit Strategien für ein nachhaltigeres Bauen beschäftigen - immer mit einem hohen Anspruch an die Gestalt der Architektur. Uns interessiert dabei, wie aus einem nachhaltigen Entwurfsansatz ein spezifischer architektonischer Ausdruck resultieren kann, der auch sinnlich und körperlich erfahrbar ist. Übergeordnete Themen der Auseinandersetzung werden neben Materialkreisläufen auch reversible Konstruktionen sein, welche eine zukünftige Dekonstruktion und/oder mögliche Ergänzung mitdenken. Oder auch der Anspruch einer Robustheit der Architektur, die mehrere Nutzungen und individuelle Aneignung erlaubt, ohne ihren grundlegenden Charakter zu verändern.
Hierfür arbeiten wir mit verschiedenen Methoden und in unterschiedlichen Maßstäben und wollen Entwurfsansätze und Konstruktionen auch im Maßstab 1:1 erproben. Dabei wird die Auseinandersetzung mit Materialien und Konstruktionen ebenso eine Rolle spielen wie die Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen, Expert*innen anderer Disziplinen und potenziellen zukünftigen Nutzer*innen.
Die Juniorprofessur ermöglicht es, diese Themen zu vertiefen und gemeinsam mit Studierenden zu erforschen und auch zu erweitern. Sie erlaubt eine Verschränkung von Theorie, Forschung und Praxis.
Welche Forschungsthemen möchten Sie in Weimar verfolgen?
Eine Thematik, die mich schon seit längerem beschäftigt, ist der Zusammenhang von Konstruktion und architektonischem Ausdruck. Ein Begriff dazu ist die Tektonik, die Kenneth Frampton so wunderbar als Poetik der Konstruktion umschrieben hat. Dazu verfolge ich einen Entwurfsansatz, der Material, Konstruktion und Gestalt von Anfang an gemeinsam denkt und das Material und dessen Fügung an den Anfang der Entwurfsarbeit stellt. An der Bauhaus-Uni möchte ich diese Auseinandersetzung fortsetzen, allerdings mit dem Anspruch, das Potenzial für ein nachhaltigeres Entwerfen und Bauen zu erforschen. Denn ein Entwurfsansatz, der die zu verbauenden Materialien von Anfang an mitdenkt, kann beispielsweise auf Ressourcenknappheit reagieren.
Sie arbeiten seit über zehn Jahren mit eigenem Büro zwischen Hamburg und Lissabon. Was bedeutet diese internationale Perspektive für Ihren Entwurfsansatz? Welches war Ihr spannendstes Architekturprojekt bisher?
Die Zusammenarbeit mit Joao Quintela hat schon zu Studienzeiten begonnen und war von Anfang an geprägt von einer großen Motivation, Dinge nicht nur zu entwerfen, sondern auch umzusetzen - zur Not mit unseren eigenen Händen. Unsere ersten Projekte sind während der Finanzkrise in Portugal entstanden, wodurch wir von Anfang an mit einer zwangsläufigen »Ökonomie der Mittel« konfrontiert waren und der Frage, wie wir mit sehr beschränkten Möglichkeiten dennoch sinnstiftende Architektur gestalten können. Diese Auseinandersetzung beschäftigt und interessiert uns bis heute.
Ein spannendes Projekt dazu war die Schulerweiterung NOVERCA in Form eines kleinen freistehenden Gebäudes, das Kindern mit geistiger und/oder körperlicher Einschränkung bei ihren sozialen, intellektuellen, aber auch sinnlichen Entwicklung dienen sollte. Innerhalb der Elternschaft gab es einen Kontakt zu einer Firma, die modulare Systeme für Holzhäuser entwickelt und umsetzt. Es entstand also die Idee, dieses erprobte System zu nutzen und dennoch eine eigenständige Architektur zu entwickeln. Unser Interesse an den haptischen und sinnlichen Qualitäten von Materialien, egal ob es um eine Marmorplatte oder wie in unserem Fall um eine OSB Platte geht, und für das gestalterische Potenzial der Konstruktion, standen dabei im Vordergrund. So haben wir versucht, die Gestaltungspotenziale innerhalb der sehr begrenzten Rahmenbedingungen auszureizen.
Worauf können sich Studierende in Ihren Lehrveranstaltungen besonders freuen?
Ich denke, dass die Studierenden sich auf eine intensive und vielseitige Lehre freuen können, die sich immer zwischen unterschiedlichen Methoden und Maßstäben bewegt. Uns ist es ein Anliegen, dass die Studierenden eine eigene Haltung zu Themen und Orten entwickeln. Dazu wollen wir individuelle Ideen und Ansätze der Studierenden fördern und unterstützen. Die aktuellen Krisen und die damit verbundenen Forderungen an die Bauproduktion verlangen ein Umdenken im Architekturschaffen. Aber welche Ansätze wirklich zukunftsfähig und damit auch nachhaltig sind, wird sich erst noch zeigen. Wir wollen im Sinne eines forschenden Entwerfens auch Dinge ausprobieren und schauen, wo wir landen, um daraus Erkenntnisse für zukünftige Projekte zu entwickeln.
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