Am 27. September 2023 verabschiedet sich Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Des. Bernd Rudolf nach über 40jähriger Tätigkeit an der Fakultät Architektur und Urbanistik in den Ruhestand. Im Gespräch mit Gabriela Oroz lässt er diese Jahre Revue passieren und blickt auf die Abschiedsausstellung, in der er ausgewählte Projekte aus seiner Zeit in Weimar zusammengestellt hat.
Herr Prof. Rudolf, Sie arbeiten seit 1982 an der heutigen Bauhaus-Universität Weimar. Die Professur Bauformenlehre haben Sie 30 Jahre geleitet, Sie waren viele Jahre als Studiendekan, Studiengangsleiter in den Studiengängen Master Architektur, Bachelor Architektur und Master MediaArchitecture engagiert und 18 Jahre als Dekan der Fakultät Architektur und Urbanistik tätig. Welche Erinnerungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Ich habe es immer als Privileg empfunden, an diesem besonderen Ort mit dieser besonderen Atmosphäre zu arbeiten.
Gute Partnerschaften, sei es in der eigenen Fakultät, der eigenen Universität oder mit anderen Hochschulen, waren immer förderlich für erfolgreiche Projekte. Es hat die Fakultät ausgezeichnet, dass durch Gemeinschaft über das eigene Maß an Innovation hinaus ein Mehrwert entstanden ist, der auch mit einer gegenseitigen Wertschätzung verbunden war.
In der Funktion des Dekans war ich über mehrere Amtszeiten in der Verantwortung, die Fakultät nach außen zu vertreten und im Inneren zusammenzuhalten. Die Kontinuität des Wandels zu gestalten, für Ausgleich und Stabilität zu sorgen, war dabei meine Hauptaufgabe. Bei der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse galt es, eine Idee für eine stabile zukunftsfähige Entwicklung unserer Curricula zu finden und nahtlos umzusetzen. Auch waren eine solide Ausstattung und Besetzung der Professuren bei häufigen Sparmaßnahmen nicht selbstverständlich.
Was hat Sie in Ihrer Zeit als Dekan besonders geprägt?
Während dieser Zeit habe ich unsere Fakultät auch in der Deutschen Dekane- und Abteilungsleiterkonferenz für Architektur, Raumplanung und Landschaftsarchitektur (DARL) vertreten, zu deren Präsident ich 2015, 2019 und 2022 gewählt wurde. Ich habe den Eindruck, dass unsere Fakultät aufgrund ihrer Geschichte an dem bedeutenden Ort und der ausgewiesenen Qualität ihrer Akteure – seien es Studierende, Alumni oder Lehrende – ein besonderes Ansehen auch im Netzwerk der Hochschulen der Architektur- und Planungstudiengänge deutschlandweit genießt.
Zum Abschied zeigen Sie im Hauptgebäude eine Ausstellung mit einer Auswahl an eigenen Projekten. Der Titel lautet: »und werdemich gerne erinnert haben.« Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich erkläre gewissermaßen meinen Ausstand zum Projekt, und dieser wird begleitet von der Ausstellung und einer Publikation meiner Lehre. Tatsächlich ist die Ausstellung sehr heterogen, bildet sehr unterschiedliche Phasen ab, von meinen Diplomprojekten über eigene Wettbewerbsbeiträge bis hin zum Einführungskurs der Erstsemesterstudierenden.
Das so genannte erste Kernmodul inklusive Einführungskurs, mit dem die gestalterische Grundlehre im ersten Semester des Architekturstudiums vermittelt wird, ist dabei sicherlich das wichtigste Projekt, wenn man allein dessen Laufzeit in Rechnung stellt. Ich konnte damit 40 Generationen von Erstsemsterstudierenden auf ihrem »Weg zur Architektur« begleiten. Jedes Matrikel wurde mit einem anderen Thema für seinen Einstieg konfrontiert und das Programm über die Jahre immer wieder aktualisiert und nachjustiert.
Es lohnt sich, mit einer gewissen Neugierde das eigene Werk aus heutiger Perspektive neu zu erschließen. Generell hat es mich bei der Wiederbegegnung mit meinen in Vergessenheit geratenen Projekten überrascht, dass sie in einer fast logischen Kette miteinander verbunden scheinen, ein Domino-Effekt, der nie zu planen gewesen wäre. Viele Projekte haben übrigens einen Wettbewerb im Rücken, und viele Vorhaben sind an den Ort des Bauhauses und seine Wirkungsgeschichte gekoppelt.
Gibt es jenseits der ausgestellten Projekte einen Moment, der besonders wichtig für Sie war?
Exkursionen und Studienreisen haben mein Leben für die Professur sehr geprägt. Ich konnte dort vielfältige Erfahrungen sammeln, weit über den Projektstandort hinaus. Ganz im Sinne einer Expedition haben diese Reisen mir einen sehr anregenden Kontext erschlossen. Auch waren ganz unterschiedliche Mobilitätskonzepte dabei, von Stand-by-Flugtickets für eine Reise an 21 nordamerikanische Hochschulen über private PKWs auf den Spuren von Alvar Aalto in Finnland bis hin zur Fahrradtour ins tschechische Karlsbad.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Die Zeit für die Aufarbeitung von Projekten war oft zu knapp. Nur bei denen, die über mehrere Semester angelegt waren und mit externen Partnern stattgefunden haben, war eine fundierte Aufarbeitung möglich, die auch mit Veröffentlichungen und Ausstellungen einher ging. Bei anderen Projekten war ich zu nachlässig, so dass diese oft nur im Internet dokumentiert wurden. Zurückblickend wünsche ich mir, ich hätte öfter einmal resümiert und innegehalten.
Wo sehen Sie die Herausforderungen für die Ausbildung künftiger Architekt*innen?
Ganz klar geht es darum, Nachhaltigkeiten in Entwurfs- und Planungszyklen neu zu denken, sich von eindimensionalen Parametern und Kriterien zu verabschieden. Der Kontext in unserem Beruf wird immer komplexer.
Für mich liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Ausbildung im Experiment. Das Bauen im Maßstab 1:1 hat viele Facetten, denn es bezieht sich auch darauf, dass Studierende und Betreuende in Augenhöhe in einen Dialog miteinander treten. Es wird weiterhin wichtig bleiben, den akademischen Schutzraum zu nutzen und davon ausgehend Experimente und Realisierungen im öffentlichen Raum zu wagen, also die Grenzen des universitären Raumes zu überwinden und in die Öffentlichkeit zu gehen.
Was würden Sie Ihrer Nachfolge gerne auf den Weg geben?
In einem gemeinsamen Lernprozess sollte es immer darum gehen, diejenigen, die zu uns kommen, mit ihren Talenten ernst zu nehmen und als Partner zu begreifen. Ich konnte viele Generationen von Studierenden mit sehr verschiedenen Biografien beobachten und begleiten. Diese Qualitäten und Qualifikationen zu erkennen und zugunsten der kreativen Atmosphäre produktiv zu machen sollte auch in der universitären Lehre eines Nachfolgers bedacht sein, ein paar diskrete Hinweise finden sich auch in der Publikation »Ein Weg zur Architektur«.
Wie werden Sie Ihren Ruhestand gestalten? Bleiben Sie der Universität verbunden?
Ich hoffe, dass ich weniger Dinge gleichzeitig machen werde als bisher. Vielleicht erkläre ich auch meinen Ruhestand zum Projekt. Keinesfalls werde ich den Ruhestand als Stillstand begreifen, zumal Stoff für mehrere Ruhestände liegengeblieben ist. Konkret bin ich gerade mit anderen Architekturhochschulen aus der DARL im Gespräch, um die weiteren Stationen für die Wanderausstellung zu Campusarchitekturen zu planen, die bei uns in Weimar zur summaery eröffnet wurde.
Der Universität bleibe ich auch weiterhin verbunden, sei es als Mitglied im Freundeskreis, als Besucher von öffentlichen Anlässen oder als Espressotrinker im Bauhaus-Atelier.
Was werden Sie vermissen?
Ganz klar diesen paradiesischen Arbeitsort und das morgendliche Grüßen der Eva, jeden Morgen in einem anderen Licht.
»und werde mich gerne erinnert haben«
27. September bis 30. Oktober 2023
Ausstellung
Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar
Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 16 Uhr
Eintritt frei
Interessierte sind herzlich eingeladen zur Teilnahme.
Programm zum Abschied
Mittwoch, 27. September 2023
15 Uhr: Ausstellungseröffnung »und werde mich gerne erinnert haben«
16 Uhr: Musik
17 Uhr: Buchpräsentation »Ein Weg zur Architektur«
18 Uhr: Buffet
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