Klimawandel, Krise sozialer Infrastrukturen, demographischer Wandel, Gefährdung der Demokratie – der Thüringer Wald ist mitten in einem Transformationsprozess. Der besteht aber nicht nur aus Gefahren und Krisen, sondern sozial-ökologische Transformation kann auch eine Chance für den ländlichen Raum im Südwesten von Thüringen sein. Engagierte Kommunalpolitiker*innen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Pionierakteure erproben Ansätze eines ökologisch und sozial gerechten Wandels. Um die Transformationsherausforderungen und -potenziale des Thüringer Waldes auszuloten, konzentriert das Institut für Europäische Urbanistik (IfEU) in den beiden kommenden Semestern mehrere Planungs-, Studien- und Entwurfsprojekte auf die Region. Unter dem Titel „Räume in Transformation Thüringen“ (RiTT) treten wir in Dialog mit vielfältigen Praxisakteuren im Thüringer Wald, erarbeiten Analysen und Visionen und präsentieren diese der Öffentlichkeit.
Teilnehmende Lehrende und Studierende widmen sich der Frage, wie sich die sozial-ökologische Mehrfachkrise im Thüringer Wald niederschlägt. Sie untersuchen, wo Möglichkeiten und Hemmnisse für umfassende Transformationsprozesse liegen; entwickeln Lösungsvorschläge, diese zu überwinden; und machen deren potenzielle Umsetzung in Entwürfen greifbar. Gemeinsam wollen wir den Fragen nachgehen: Welche Rollen haben Urbanist*innen in der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft? Mit welchen Methoden können die erforderlichen Übergänge demokratisch und kokreativ gestaltet werden? Wie lässt sich eine sozial-ökologisch gerechte Regionalentwicklung konkret entwerfen? Ziel der zwei aufeinanderfolgenden Projekt-Semester ist die Prüfung der Zukunftsfähigkeit einer einzelnen Region „auf Herz und Nieren“.
Die geplanten Projekte nähern sich aus ganz unterschiedlichen disziplinären Hintergründen und mit verschiedenen Methoden und thematischen Fragestellungen dem heterogenen Raum Thüringer Wald:
- Welche Beiträge können verschiedene Disziplinen leisten, um die Entwicklung ländlicher Räume kritisch zu analysieren und konkrete Utopien zu entwerfen?
- Welche Konflikte entstehen um die Schaffung eines neuen Oberzentrums Südthüringen in Suhl und Zella-Mehlis?
- Wie kann Stadtplanung in Zeiten der Klimakrise die urbane Entwicklung von Kleinstädten positiv gestalten?
- Mit welchen Infrastrukturen gelingt ein gelingendes Ankommen von Migrant*innen in Kommunen des Thüringer Waldes?
- Wie beeinflusst der historische Kontext der räumlichen Planung in Thüringen die Bedingungen in der Region?
- Wie ist eine nachhaltige Gestaltung der historisch entstandenen Landschaften zwischen verschiedenen Nutzungsinteressen möglich?
- Wie veränderte der Tourismus im Wandel der Zeit die Dörfer in der Region und ihre gebauten Umwelten? Welche Bedeutung haben heute etwa noch die ehemaligen DDR-Kulturhäuser?
- Durch welche Infrastrukturen der Kontrolle wird der menschliche Kontakt zum Wasser (in Form von Flüssen, Talsperren etc.) in der Region gestaltet?
Die temporäre Eröffnung eines Projektraums in leerstehenden Räumlichkeiten in Suhl soll zu Synergien vor Ort führen und eine Mitwirkung von lokalen Akteuren und Bevölkerung ermöglichen. Ergänzend bieten wir in mehreren Workshops Argumentationstrainings für Studierende an, um sie im Einstehen für Demokratie und Vielfalt zu stärken. Nicht zuletzt begleiten wir die Projekte mit einem inhaltlichen Lehrangebot in Form eines NEB-Labors (Neues Europäisches Bauhaus), in dem wir diskutieren, welchen Beitrag verschiedene Disziplinen zu konkreten ländlichen Utopien leisten können.