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Die Architektur und das Reisen

Markus Karl Bolle, Diplomand, 2009

Bei einer deutschen Supermarktkette gibt es ein Brot zu kaufen, das aus italienischem Weizen besteht und mit spanischen „Queen-Oliven“ bestückt wird. Das ganze nennt sich Ciabatta, ist laut Beschreibung eine Art Landbrot und wird irgendwo in Deutschland vorgebacken und mit einer hartnäckigen luftdichten Kunststoffverpackung verschweißt. Einen scheinbaren Hauch von Italien und vermutlich wohl auch von Spanien erhält der Kunde nunmehr deutschlandweit für 2,19€ nach 10-15min bei 200°C, je nach Backofen. Beim europäisierten Asiaten um die Ecke gibt es Nudelpfannen schon manchmal um 2,90€, mit Bambussprossen aus dem Glas und Sojasauce extra. Stäbchen eventuell aus Holz, aus hygienischen Gründen in Papier gehüllt, sind wahlweise zu nehmen, um dem Feeling der fernöstlichen Essenskunst zumindest etwas näher zu kommen.

Der Film „The International“ aus dem Jahre 2009 unter Regie von Tom Tykwer zeigt das von Zaha Hadid entworfene Wissenschaftszentrum „Phaeno“ aus Wolfsburg in einem neuen Kontext. In diesem Film, dessen Handlung in diesem Zusammenhang eher zu vernachlässigen ist, wurde die skulpturale Betonarchitektur an das Ufer des Gardasees montiert. Protagonisten fahren zwar mit Wagen der Marke Audi vor, das ist aber auch der offensichtlich einzige wirtschaftliche Hinweis auf die Autostadt.

Die filmische Bildwelt suggeriert dem Zuschauer mit einem immens technischen Aufwand, dass diese Immobilie in Italien steht. Nur eine kleine Bevölkerungsgruppe wird auf Anhieb wissen, dass es sich hier lediglich um eine Bildmontage handelt.

Die Montagetechnik dieser Bildwelten, sei es für den Unterhaltungsfilm, die Werbung oder für die Darstellung von Architektur, sind derweil so ausgereift, dass es auch dem kritischsten und geschulten Betrachter schwer fällt zu differenzieren, was Real und was Fiktion ist. Ebenso vermögen diese generierten Welten auch eine gezielt angepasste Idee von etwas wiederzugeben. Diese Ideen werden jedoch sehr bewusst zurechtgeschnitten, dass die Frage nach dem Authentischen wohlmöglich verloren geht.


Wie kann man also wissen, wie ein italienisches Landbrot in Italien wirklich schmeckt und wie soll man sich sicher sein, wie und wo das „Phaeno“ wirklich städtebaulich verortet ist?

Die Antwort ist so einfach wie auch komplex. Um eine konkrete Idee von den Gegebenheiten dieser Welt zu haben muss man diese direkt beobachten und erfahren. Ein jeder Architekturstudent bekommt während seines Studiums mindestens einmal innerhalb unzähliger Konsultation den konkret unkonkreten Satz: „Das musst du mal ausprobieren!“ angetragen. Ausprobieren kann man viel, um aber eine gewisse Sicherheit in diesem Prozess zu bekommen, heißt es erstmal Erfahrungen sammeln: sich seine eigene Bibliothek an Wissen und Ideen erstellen. Mit dieser Bibliothek relativiert man, setzt in Verhältnis, verwirft, bejaht und entwickelt neu. Die Besten solcher Bücher sammeln wir Architekten auf Reisen.

Reisen und das einhergehende Studieren von Architekturen hat unzählige Vorteile. Einer davon ist, dass wir uns gebaute Objekte ohne dies überwiegend theoretisch nur anhand von Plänen und Fotografien vorstellen müssen. Es reicht aber bei weitem nicht aus zu versuchen Architektur ausschließlich zweidimensional zu verstehen. Wir müssen uns selber in Relation zu der Architektur setzen, ein Gefühl für Proportionen entwickeln und andere Protagonisten beobachten, wie sie mit ihr umgehen und dies dann immer wieder mit uns selbst abgleichen. Erst in Verbindung mit seiner Umgebung, dem allgemeinen Kontext, verliert das Gebaute die einstige Interpretation als Plan oder Fotografie seinen Grad an Abstraktion. Es erscheint real und nachvollziehbar, man tritt mit ihm in Kontakt und vernimmt so vielleicht gar seine Seele.

Der Sinn des Reisens ist also nicht nur ein fremdes Land, fremde Kulturen und Menschen kennen zu lernen. Alles, was man selbst gesehen, erlebt und angefasst hat, bleibt besser im Gedächtnis verankert als Dinge, die man nur gelesen oder theoretisch studiert hat. Reisen bildet somit, das ist unbestreitbar. Der Sinn des Reisens ist somit auch nicht nur eine Idee von dieser Welt zu erhalten; sondern sich daraus einen konkreten Entwurf abzuleiten, bei dem wir die Freiheit besitzen, ihn mit jeder Reise zu erweitern oder zu korrigieren.

Dazu gehört selbstverständlich auch der Verzehr von einem italienischen Landbrot in Italien. Aus eigener Erfahrung gelingt dies am besten bei einem Glas Wein in einer Trattoria mit Einheimischen.

Buon viaggio, werte Kolleginnen und Kollegen!

Hiddensee _ Entwurf im Bachelorstudiengang _ Gellen.Kirche

Bilder von Bernd Rudolf und Luise Nerlich.

Franzensbad–Karlsbad–Bad Schandau _ Entwurf im Masterstudiengang _ Wasser.Gymnasium

Bilder von Bernd Rudolf und Luise Nerlich

Budapest _ Entwurf im Masterstudiengang _ Wasser.Architektur

Bilder von Anna Bezdeka, Loni Boxleitner, Lisa Graf, Stefanie König, Richard Schmidt, Louis Thomet und Luise Nerlich.

Rom _ Entwurf im Masterstudiengang _ Erfurt via Rom

Bilder von Ariane Fischer, Bernd Rudolf, Luise Nerlich.

Lille _ Entwurf im Masterstudiengang _ wohnen an den gleisen

Bilder von Luise Nerlich.
Bilder von Luise Nerlich.
Bilder von Luise Nerlich.
Bilder von Luise Nerlich.

Exkursion nach Frankfurt/Main, Köln, Liége, Lille im Rahmen des Masterentwurfes ICE-Knoten Erfurt – Neues Leben an den Gleisen für Generation Y im Sommer 2015

Shanghai

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Venedig

foto_bernd rudolf
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Küchenexkursion mit dem Fahrrad _ Entwurf im Bachelorstudiengang

küchenexkursion_2.kernmodul
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