Denkmal Werte Dialog – Teilprojekt

Das Bild vom Denkmal

Vermittlung von Denkmalwerten in der Öffentlichkeit


Projektbearbeitung: Susanne Thiele, Dipl.-Ing. (FH), M.Sc.
Co-Leitung des Projekts: Dr. Ulrike Wendland, Landesdenkmalamt Sachsen-Anhalt, Halle/S.

Problemstellung und Zielsetzung
Mit der Herausbildung der Grundsätze der modernen Denkmalpflege um 1900 setzen auch die Bemühungen ein, die Ziele und Werte der Denkmalpflege publizistisch einer breiteren Bevölkerung zu vermitteln. Georg Dehios Flugschrift zum Heidelberger Schloss (1901) wendet sich explizit an die Öffentlichkeit, und spätestens seit Max Dvoráks "Katechismus der Denkmalpflege" (1916) bedient man sich zur Vermittlung auch Bildstrategien, wie sie kurz zuvor Paul Schultze-Naumburg für den ausdrücklich populären Heimatschutz erfolgreich etabliert hatte. Auch die breite Rezeption der Denkmalpflege in den 1970er Jahren (mit dem Höhepunkt im sog. Europäischen Denkmalschutzjahr 1975) erfolgte ganz wesentlich über Bilder und Schriften, die sich z.T. derselben Bildrhetorik mit Beispiel und Gegenbeispiel bedienten, die sich bei Schultze-Naumburg findet. In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben Visualisierungen und hat visuelle Kommunikation weiter an Bedeutung gewonnen. Mit dem Schlagwort des "iconic turn" ist aber nicht nur dieses Phänomen benannt, sondern auch die Herausbildung einer interdisziplinären Bildwissenschaft, welche die Rolle und Bedeutung von Bildern in ihrer Vielschichtigkeit untersucht und kritisch diskutiert.


In diesem Kontext ist auch das vorliegende Teilprojekt zu sehen, das allerdings neben den Abbildungen von Denkmalen auch Texte über sie sowie insbesondere die Gebäude selbst im Visier hat. Es ist danach zu fragen, welche Bilder von Denkmalen die praktische Denkmalpflege prägt und wie diese Bilder selbst wieder die Denkmalpflege prägen. Welche Werte vermitteln Darstellungen von Denkmalen in der Öffentlichkeit, wie korrespondieren diese mit den jeweiligen Schwerpunkten und Werten des denkmalpflegerischen Fachdiskurses, wie gelingt also die Übersetzung fachlich definierter Werte in der Öffentlichkeit, aus der die fachliche Legitimierung abgeleitet wird? Ausgehend von der These, dass die öffentliche Wahrnehmung auch normativ wirkt, ist aber ebenfalls zu fragen, wie die Außendarstellung auf die fachliche Arbeit zurück- und darauf einwirkt, wie die Denkmale schließlich aussehen. Ziel ist also auch, die Übersetzung nach Innen zu untersuchen: Was leistet die Außendarstellung rückwirkend zur internen Verständigung über die Grundsätze und Arbeitsziele der Denkmalpflege?


Untersucht werden die Bild- und Darstellungsstrategien der Denkmalvermittlung und -vermarktung auf drei Ebenen: In den denkmalpflegerischen Fachpublikationen, den touristisch ausgerichteten massenwirksamen Zeugnissen, zu denen neben den traditionellen Printerzeugnissen (Bildbände, Broschüren) in jüngerer Zeit insbesondere das Internet gehört, sowie in der historisch-geografisch ausgerichteten (Sach-)Literatur. Die chronologische Struktur ergibt sich aus vier Zeitschichten: den Anfängen seit ca. 1890 bis zum Ersten Weltkrieg, der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, der Zweistaatlichkeit Deutschlands und schließlich der Nachwendezeit bis zur unmittelbaren Gegenwart.
Den geografischen Schwerpunkt der Untersuchung bildet das Gebiet Mitteldeutschlands, im Besonderen das Territorium des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Die geografische Eingrenzung wird dabei nicht ausschließend verstanden, sondern einerseits aus pragmatischen Gründen gewählt, ist andererseits aber auch aufgrund des Territorialbezugs von Denkmalpflege geboten, die explizit nicht ubiquitär ist. Wesentliche überregionale Darstellungen und Debatten werden in der Untersuchung berücksichtigt. Als Vergleichsfeld unterschiedlicher Entwicklungen in der Zeit der Zweistaatlichkeit kann Niedersachsen hinzugezogen werden. Der Projektschwerpunkt in Sachsen-Anhalt begründet sich mit der Zahl und Dichte an auch überregional bekannten Denkmalen, ohne dass die öffentliche oder fachliche Aufmerksamkeit auf ein Monument fixiert wäre. Es existieren außerdem Vorarbeiten sowohl zur Rezeption einzelner Denkmale wie auch zu Teilaspekten der Fragestellung, so dass seitens der projekttragenden Institutionen kompetente Diskussionspartner zur Verfügung stehen. Mit den jüngst in Sachsen-Anhalt verabschiedeten „Standards der Bau- und Kunstdenkmalpflege“ wird überdies versucht, unter aktuellen Bedingungen Denkmalwerte zu kommunizieren, womit eine Weiterführung der Untersuchung bis in die unmittelbare Gegenwart inkl. Ausblick in die nähere Zukunft möglich ist.

Zum Stand der Forschung
Sowohl zur Frage der Bildlichkeit wie auch zur Vermittlung zwischen Denkmalpflege und Öffentlichkeit sind in jüngerer Zeit einschlägige Publikationen erschienen. Die Bildlichkeit ist Gegenstand einer in den 1990er Jahren einsetzenden Kontroverse um Schauwert versus Substanzwert von Denkmalen. Diese Debatte zielt auf die zentrale Frage, welche Erinnerungswerte Denkmale wie übermitteln können. Daran schließen jüngere Versuche an, diese Dichotomie aufzulösen und im Sinne der neuen Bildwissenschaft das "Denken mit dem Auge" auch in diesem Bereich zu verstehen. Eine explizite Untersuchung der Darstellungsweise im Denkmalbereich ist bisher aber ausstehend, während für die Architektur allgemein in den letzten Jahren Studien zur bildlichen Repräsentation und ihrer Wirkung bzw. zu den damit vermittelten Werten sowie zur Medialität zu verzeichnen sind.


Das Verhältnis von Denkmalpflege und Öffentlichkeit ist ein brisantes Thema, seit im Jahr 2000 die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen die Fachwelt aufgeschreckt hat mit ihrer umstrittenen Studie von Dieter Hoffmann-Axthelm, der, stark verkürzt, die Orientierung der Denkmalpflege am Publikumsgeschmack fordert. Wie allerdings dieser "Publikumsgeschmack" zustande kommt, wie er sich konstruiert und verändert, ist bisher kaum untersucht. Ansätze dazu bieten die Raumsoziologie und insbesondere die Arbeiten von Detlev Ipsen, die allerdings um bild- und architekturkritische Aspekte zu erweitern wären. In diesem Zusammenhang ist auch der Aspekt der Stimmung und Atmosphäre zu beachten, den Gernot Böhme als diskursive Kategorie zu etablieren versucht hat.


Wie Denkmale und wie Denkmalpflege in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ist im deutschsprachigen Raum kaum erforscht. Weiter ist man diesbezüglich in England, wo aus historischen wie ökonomischen Gründen die Denkmalpflege schon länger nur im Kontakt mit dem Publikum funktioniert (und es gelingt, auch komplexere Denkmalwerte zu vermitteln). Eine vor wenigen Jahren im Auftrag von English Heritage durchgeführte Studie untersucht die Wahrnehmung und Bedeutung von Denkmalen in der Bevölkerung, wobei sie sich dabei auf das klassische sozialwissenschaftliche Instrumentarium der Umfrage stützt.