Das Basler Münster
Baugeschichte im Rahmen des Kunstdenkmäler-Inventars
Hans-Rudolf Meier
Im Rahmen des Kunstdenkmäler-Inventar-Projekts wird von 2012-2017 die Baugeschichte und die kunsthistorische Bedeutung des Basler Münsters erforscht und zusammenfassend dargestellt.
Die Aktualität des Projekts aus der Sicht der kunst- und architekturhistorischen Grundlagenforschung ergibt sich einerseits aus mehreren Forschungsprojekten zu Teilaspekten des Münsters, die in den letzten zehn Jahren erfolgreich durchgeführt wurden und ein Netzwerk von ForscherInnen mit grossem Potential an Fachwissen generierten.
Andererseits taucht das Basler Münster in jüngerer Zeit mehrfach in der kunst- und architekturhistorischen Forschungsdiskussion im europäischen Zusammenhang auf: der Kryptenumgang wird im Kontext der Genese der Umgangschöre diskutiert, der Bau insgesamt im Zusammenhang mit dem "Übergangsstil" als Phänomen der frühen Gotikrezeption im Reich neuerdings hoch eingeschätzt und insbesondere der Chor in diesem Zusammenhang als Anregung für den Domchor von Magdeburg als "ersten gotischen Bau im Reich" gesehen. In der nur mehr erschliessbaren Westvorhalle erkennt man den Vorläufer für die berühmte Vorhalle des Freiburger (Breisgau) Münsters, im Westportal das Missing link zwischen dem Marienkrönungsportal der Notre Dame in Paris und dem Gerichtsportal in Freiburg i.Ü. Daneben laufen ältere Diskussionen um weitere Beiträge zur europäischen Kunstgeschichte weiter: Die Galluspforte als (möglicherweise) erstes Figurenportal im deutschen Sprachraum, die Zusammenhänge mit dem Bamberger Dom oder die Erneuerung nach dem Erdbeben als Beitrag zur sog. Parlerarchitektur, zugleich gilt dieses Erneuerungsprojekt als Beispiel früher "Denkmalpflege".
Dies alles, ohne dass die Baugeschichte ausreichend geklärt und der Bestand umfassend gesichtet bzw. zusammenfassend dargestellt wäre.
Dieser unbefriedigende Zustand wird in der Forschung immer wieder moniert, muss man sich doch weiterhin auf ein Werk aus dem vorletzten Jahrhundert abstützen, Karl Stehlins grossartige aber doch veraltete Baugeschichte von 1895.
Im Rahmen des von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte getragenen Kunstdenkmäler-Inventar-Projekts, das bis zur 1000-Jahrfeier der Weihe des sog. Heinrichs-Münsters im Oktober 2019 mit der Publikation des Großinventarbandes abgeschlossen sein wird, soll auch diese Lücke geschloßen werden, um damit der vertiefenden Diskussion des Beitrags des Basler Münsters zur europäischen Kunst- und Architekturgeschichte eine neue zeitgemässe Basis zu bieten.
Literatur:
Hans-Rudolf Meier: Reparatur und Umbau nach dem großen Erdbeben. Die Versatzmarken am Basler Münster, in: In situ. Zeitschrift für Architekturgeschichte 7, 2015/1, S. 37–46.
Dorothea Schwinn Schürmann / Hans-Rudolf Meier / Erik Schmidt: Das Basler Münster, Basel 2006.
Hans-Rudolf Meier / Dorothea Schwinn Schürmann (Hg.): Schwelle zum Paradies. Die Galluspforte des Basler Münsters, Basel 2002.
Forschungs- und Publikationsprojekt zum Hauptportal des Basler Münsters
Im Rahmen eines von der Münsterbaukommission der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt beauftragten und von den freunden der Münsterbauhütte kofinanzierten Ausstellungs- und Publikationsprojekts wird die Bau- und Überlieferungsgeschichte des Westportals des Basler Münsters untersucht. Die spätromanische Kathedrale erhielt bereits wenige Jahrzehnte nach der Vollendung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einen neue Westfassade in zeitgemäßen gotischen Formen. Deren Portal blieb bisher wenig beachtet und steht in der Kunst- und Architekturgeschichte ganz im Schatten der sog. Galluspforte, des spätromanischen Querhausportals, das als erstes Figurenportal im deutschsprachigen Raum gilt. Die Geringschätzung des Westportals rührt daher, dass die zweimalige Veränderung des gotischen Portals bisher nur als Verlustprozess gesehen und die damit jeweils verbundenen Umbauten kaum als kreative Anpassung und eigenwertige Gestaltung erkannt worden ist. Die erste Umgestaltung erfolgte nach dem Erdbeben von 1356 und bildete den Abschluss jener Reparatur- und Neugestaltungsmaßnahmen unter Johannes von Gmünd, dessen Chorerneuerung sowohl als Parlerarchitektur wie als Beispiel eines quasi proto-denkmalpflegerischen Vorgehens in der Forschung viel Beachtung fand. Die zweite eingreifende Veränderung des Portals erfolgte im späten 16. Jahrhundert, nachdem das Portal wohl im reformatorischen Bildersturm von 1529 beschädigt worden war und das mariologische Skulpturenprogramm entfernt werden musste. Vom Figurentympanon sind nur noch Füsse auf dem Türsturz übriggeblieben, die Szenen der Passion Christi erahnen lassen. Aber auch diese Anpassung des Portals an die Erfordernisse einer reformierten Stadtkirche war mehr als nur die notdürftige Glättung des Geschädigten und Entfernen des Anstößigen, sondern zeigt ein gestalterisches Konzept und hohe handwerkliche Qualität.
Die Resultate des Forschungsprojekts wurden im Oktober 2011 publiziert und in einer Ausstellung im Kleinen Klingentalmuseum in Basel präsentiert:
Himmelstür. Das Westportal des Basler Münsters,
hg. von Hans-Rudolf Meier und Dorothea Schwinn Schürmann im Auftrag der Münsterbaukommission, Basel 2011.