Dänemark um 1800
Der Klassizismus als Nationalstil?
Habilitationsprojekt Eva von Engelberg
Thema des Habilitationsprojektes ist die Baupolitik unter dem dänischen König Frederik VI. (1808-1839) mit einem Schwerpunkt auf den Herzogtümern Schleswig und Holstein. Die beiden Herzogtümer wurden seit dem späten Mittelalter in Personalunion von den dänischen Königen regiert, obwohl Holstein staatsrechtlich zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bzw. zum Deutschen Bund gehörte, Schleswig dagegen ein dänisches Lehen war. Zu dem immer wieder aufkeimenden Streit um die Zugehörigkeit der Herzogtümer trat im 18. Jahrhundert die Kritik an der deutschen Vorherrschaft in der dänischen Politik, die 1772 mit Absetzung und Hinrichtung des Geheimen Kabinettsministers Johann Friedrich Struensee einen ersten Höhepunkt erreichte. Ziel der folgenden "Gesamtstaatspolitik" war es, in allen Teilen des Landes gleiche Verhältnisse zu schaffen und die Herzogtümer fest in den Dänischen Gesamtstaat (1773-1864) einzubinden. Da Frederik bereits 1784 die Regentschaft für seinen geisteskranken Vater übernommen hatte, bildet seine Regierungszeit nicht nur die Kernphase der Gesamtstaatspolitik, sondern fällt auch zusammen mit dem dänischen Klassizismus.
Während die Bestrebungen einer "Danisierung" der Herzogtümer durch Sprachreskripte und die Einrichtung eines Lehrstuhls für dänische Sprache und Literatur an der Universität Kiel (Holstein) gut untersucht und allgemein bekannt sind, wurde die Baupolitik unter Frederik VI. unter dieser Fragestellung bisher nicht vertieft betrachtet. Einen Schwerpunkt der Arbeit bilden die einheitlichen für das ganze Land gültigen Bautypen, deren Entstehung und Verbreitung analysiert werden soll. Hierzu zählt unter anderem ein bestimmter Kirchentypus (dreischiffige Emporenkirche mit Westturm) wie ihn als prominentestes Beispiel die ab 1811 errichtete Frauenkirche in Kopenhagen zeigt. Architekt der Frauenkirche aber auch weiterer Bauten dieses Typus in den Herzogtümern war der dänische Architekt Christian Frederik Hansen (1756-1845), der in enger Verbindung zum Königshaus stand und eine Vielzahl von Funktionen - Landbaumeister von Holstein und Schleswig, Oberbaudirektor des Dänischen Gesamtstaates sowie Professor und Direktor der Kopenhagener Akademie - einnahm. Zum zentralisierten Bauwesen kam somit eine Ämterhäufung in der Person Hansens, der als wichtigster Architekturprofessor im Gesamtstaat auch die Ausbildung der folgenden Architektengeneration bestimmte. Inwieweit sich dadurch eine eigene dänische Stilausprägung des Klassizismus entwickelt hat, ist eine der zentralen Fragen der Arbeit.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die öffentlichen Bauten in den beiden Herzogtümern, die direkt der Kontrolle der Landbaumeister und des Oberbaudirektors unterstanden oder von diesen selbst entworfen wurden, wie Kirchen, Rathäuser, Zollgebäude, Torhäuser und Gefängnisse. Viele dieser meist zwar kleinen, architektonisch jedoch anspruchsvollen Bauten wurden bis heute kaum erforscht. Interessant sind in diesem Kontext aber auch die holsteinischen Herrenhäuser, deren adelige Bauherren oftmals im Dienste des dänischen Königs standen. Einige dieser Bauten scheinen sich in Architektursprache und Habitus an der "offiziellen" dänischen Architektur zu orientieren. Ob damit neben einer Anpassung an die aktuelle Hauptstadtarchitektur auch die Zugehörigkeit und Loyalität zum Gesamtstaat demonstriert werden sollte, bleibt zu untersuchen. Neben großen repräsentativen Gebäuden, wie dem Neubau des Herrenhauses Knoop durch den jungen, an der Kopenhagener Akademie ausgebildeten Axel Bundsen, ist diese Architektur auch im kleinen Maßstab in den Herzogtümern präsent, so beim Herrenhaus Krummendiek des bei Hansen persönlich ausgebildeten königlichen Bauinspektors F. Chr. Heylmann.