Forschung

Bauforschung zu Glockenstühlen

Fotos: I.Engelmann

Glockenstühle des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in Thüringen

Dissertationsprojekt von Dipl.-Ing. Iris Engelmann

Glockenstühle sind Konstruktionen aus Holz oder Eisen, die in den Kirchtürmen die Glocken tragen. Sie fangen die dynamischen Lasten aus den Schwingungen der oft tonnenschweren Glocken auf und leiten diese in die Turmwände ab.

Seit ca. zehn Jahren nimmt der Sanierungsbedarf für Glockenstühle zu. Ein Grund dafür ist, dass die Eisenglocken durch Bronzeglocken ausgetauscht werden müssen. Die Lebensdauer von Eisenglocken beläuft sich auf nur ca. 80 Jahre; das Material versagt dann, die Glocken reißen oder springen. Die wohlklingenderen und langlebigeren Bronzeglocken wurden in den Weltkriegen häufig zwangsweise eingeschmolzen und in der Rüstungsindustrie als Materialspender genutzt. In der Folge wurden diese Bronzeglocken durch schwerere Eisenglocken ersetzt. Über die Jahre haben die Eisenglocken allerdings zu Schäden an den - ursprünglich für leichtere Bronzeglocken ausgelegten - Holzkonstruktionen der Glockenstühle geführt. Nun werden beim Austausch der Eisenglocken gleichzeitig auch die historischen Glockenstühle auf ihre Tragfähigkeit und Erhaltenswürdigkeit geprüft.

In diesem Zusammenhang wurde klar, dass wir nur wenig über historische Glockenstühle wissen. Eine Dissertation von Heinrich Biebel aus den 1920er Jahren, die nur in Teilen überliefert ist, beschränkt sich auf Stadtkirchen im Deutschen Reich; allerdings spart er Sachsen und Thüringen aus. Der Bestand an historischen Glockenstühlen in Thüringen und Sachsen ist nur lückenhaft dokumentiert bzw. meistens nur in den betroffenen Gemeinden und an der Sanierung beteiligten Fachleuten bekannt.

Aus diesem Missstand ergeben sich Fragen für eine Forschungsarbeit:

  • Welche Glockenstuhlkonstruktionen haben sich wie über die Jahrhunderte entwickelt?
  • Wie wurden Glockenstühle abgebunden und aufgerichtet?
  • In welchem Zusammenhang stehen diese Stühle mit dem Turmbau?
  • Können die Beobachtungen Heinrich Biebels auf die Dorfkirchen in Sachsen und Thüringen übertragen werden?
  • Welche konstruktiven Ähnlichkeiten und/oder Unterschiede gibt es zum Fachwerkbau bzw. zu Dachkonstruktionen?
  • Welche Holzverbindungen setzen sich auf Grund der dynamischen Lasten in den historischen Konstruktionen durch?

Ziel dieser Arbeit ist es, o.g. Fragen anhand ausgewählter Konstruktionen zu diskutieren. Inhalte werden neben bauhistorischen Beobachtungen, eine Bewertung des Bestandes bis hin zu Empfehlungen für den zukünftigen Umgang sein. In Kombination mit einem Katalog zu Glockenstühlen in Mittelthüringen kann die Forschungsarbeit eine Handreichung für Kirchgemeinden, Glockenbeauftragte, Denkmalpfleger und Architekten sein.