Spolien in der Moderne
Die Wiederverwendung von Bauteilen in der Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts
In der zeitgenössischen Architektur, d.h. im Baugeschehen der letzten zwanzig bis dreißig Jahre, lässt sich ein zunehmendes Interesse an der Wiederverwendung von Bauteilen beobachten: Spolien sind wieder ein Thema für bauende Architekten geworden, so dass man, einmal darauf aufmerksam geworden, auf eine erstaunliche Fülle von neueren Beispielen trifft. Erklären lässt sich dieses Phänomen einerseits mit der Suche nach neuen Formen des Ornaments, andererseits mit einem neuen Interesse am Ort. Verschiedene Verfahren in der Gegenwartsarchitektur zeigen zwar ein neues Interesse am Ornament, lassen aber zugleich erkennen, dass man sich vom Bannstrahl der Moderne gegen das Ornament noch nicht wirklich freigemacht hat. Spolien bieten hier eine willkommene Möglichkeit, mit reichem Formenapparat Akzente zu setzen, ohne selber Zierrat entwickeln zu müssen. Im Kontext des in jüngerer Zeit gesteigerten Interesses am Ort leisten Spolien einen Beitrag, um in einem tendenziell ubiquitären Baugeschehen einen gegenständlichen Bezug zum konkreten Ort und seiner Geschichte zu schaffen. Die dafür angewendeten Verfahren sind dabei freilich ebenso unterschiedlich wie die jeweiligen Zielrichtungen.
Diese und weitere Fragen - so nach der Funktion von Spolien für die Memoria oder nach der konkreten Dinglichkeit der Spolien - werden in einem längerfristigen und auf verschiedenen Ebenen verfolgten Forschungsprojekt untersucht.
Eigene Publikationen zum Spolienthema:
Hans-Rudolf Meier: Architektur als Palimpsest. Spolien in der Gegenwartsarchitektur, in: Der Architekt 2/2013, S. 42-45.
Hans-Rudolf Meier: Rückführungen. Spolien in der zeitgenössischen Architektur, in: Stefan Altekamp / Carmen Marcks-Jacobs / Peter Seiler (Hg.): Perspektiven der Spolienforschung 1. Spoliierung und Transposition. Topoi. Berlin Studies of the Ancient World Vol. 15, Berlin / Boston 2013, S. 333-349.
Iris Engelmann / Hans-Rudolf Meier: "Passagen (...), die in ihr vergangenes Dasein führen" - Spolienportale in der Architektur der Moderne, in: Architectura 40/2, 2010, S. 189-200.
Hans-Rudolf Meier: Spolia in Contemporary Architecture: Searching for Ornament and Place, in: Richard Brilliant / Dale Kinney (Hg.): Reuse Value. Spolia and Appropriation in Art and Architecture, from Constantine to Sherrie Levine, Farnham 2011, S. 223-236.
Hans-Rudolf Meier: Vom Siegeszeichen zum Lüftungsschacht: Spolien als Erinnerungsträger in der Architektur, in: Bauten und Orte als Träger von Erinnerung. Die Erinnerungsdebatte und die Denkmalpflege. Veröffentlichungen am Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich, Bd. 21, hg. von Hans-Rudolf Meier und Marion Wohlleben, Zürich 2000, S. 87-98. (pdf)
Hans-Rudolf Meier: Die Anfänge des neuzeitlichen Spolienbegriffs bei Raffael und Vasari und der Konstantinsbogen als Paradigma der Deutungsmuster für den Spoliengebrauch, in: Das Münster 2007/1 (Themenheft Spolien), S. 2-9. (pdf)