Rekonstruktionen von zerstörten Gebäuden und ganzen Stadtvierteln sind in den letzten Jahrzehnten zur fast schon selbstverständlichen Option zeitgenössischen Bauens geworden: die Dresdner Frauenkirche und der dortige „Historische Neumarkt“, das Potsdamer „Landtagsschloss“, die „Neue Altstadt Frankfurt“ und zukünftig das Berliner Stadtschloss/Humboldtforum sind nur die spektakulärsten Beispiele. So verbreitet solches Tun inzwischen auch ist und so sehr auch versucht wurde, das „Prinzip Rekonstruktion“ architekturgeschichtlich zu legitimieren, bleibt es gleichwohl nicht nur in der Denkmalpflege umstritten. Die polemischen Auseinandersetzungen versperren allerdings den analytischen Blick auf das Geschehen, darauf, was architektonisch gemacht wird im Grenzbereich zwischen Reparatur, Denkmalpflege, Kopie und historisierendem Neubau. Das soll in diesem Seminar versuchsweise nachgeholt werden, und zwar am Beispiel von Weimar.
Das Seminar beschäftigt sich auf theoretischer Ebene mit dem Phänomen Rekonstruktion und ermöglicht dabei einen kritischen Blick auf die Debatten der letzten Jahre. Methodisch angereichert werden die Diskussionen durch das anlaufende Forschungsprojekt „Medien und Mimesis“. Anhand einer Auswahl von etwa 15 Beispielen (vom Neuen Museum über die Marktplatz-Nordseite und das Haus am Horn bis zum laufenden Umbau der Puschkinstr. 1) sollen jeweils die Ausgangslage, die Interessen und Intentionen, die architektonischen Maßnahmen und deren Ergebnisse sowie die Rolle und Begründungen verschiedener Akteure untersucht werden. Angestrebtes Ziel ist eine Publikation der Resultate (ähnlich der zur DDR-Architektur in Weimar). Neben Literaturrecherchen erfordert dies auch Arbeit in den lokalen Archiven, das Erstellen von Fotografien sowie das Verfassen aussagekräftiger und sprachlich qualitativer (Kurz-)texte.
Literaturliste
Michael Braum / Ursula Baus (Hg.): Rekonstruktion in Deutschland, Positionen zu einem umstrittenen Thema, Basel / Boston / Berlin 2009
Adrian von Buttlar et al. (Hg.): Denkmalpflege statt Attrappenkult. Gegen die Rekonstruktion von Baudenkmälern – eine Anthologie. Bauwelt Fundamente 146, Basel / Berlin 2011
Eva von Engelberg: "Historisierende Architektur" als zeitgenössischer Stil, in: Birgit Franz / Hans-Rudolf Meier (Hg.), Stadtplanung nach 1945. Zerstörung und Wiederaufbau. Veröffentlichung des Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. Bd. 20, Holzminden 2011, S. 30-37
Uta Hassler / Winfried Nerdinger (Hg.): Das Prinzip Rekonstruktion, Zürich 2010
Hans-Rudolf Meier: Paradigma oder Büchse der Pandora? Die Frauenkirche – oder wie Dresden zum Zentrum der gegenwärtigen Rekonstruktionswelle wurde, in: Die Alte Stadt 36, 2009/1, S. 59-76
Winfried Nerdinger (Hg.): Geschichte der Rekonstruktion. Konstruktion von Geschichte, München 2010
Christian Welzbacher: Durchs wilde Rekonstruktistan. Über gebaute Geschichtsbilder, Berlin 2010.
Anmeldung: per Mail im Sekretariat: cornelia.unglaub[at]uni-weimar.de
Starttermin: ist am 2.4., Ort und Zeit werden bekanntgegeben.
Zeit: Mittwochs, 9.15 bis 12.30 Uhr, Raum 109, HG
Betreuung: Prof. Dr. phil. habil. Hans-Rudolf Meier, Dr. phil. Eva Engelberg-Dockal
Leistungsnachweis: publikationsreife schriftliche Arbeit
Zielgruppe: Master Architektur und Master Urbanistik