Semantiken der Wiederverwendung

Die vermehrte Wiederverwendung von Baumaterial ist eine der Maßnahmen, um die Abfallmenge und den Ressourcenverschleiß des Bauwesens zu reduzieren und die klimapolitisch notwendige „Bauwende“ voranzubringen. So fordert etwa auch der BDA in seinem Positionspapier „Haus der Erde“ als 5. These „Bauen als materielle Ressource“, dass die Baumaterialien wiederverwendbar sein müssten und vermehrt mit wiederverwendeten Teilen zu bauen sei. Auch wenn es dafür ein paar Leuchtturmprojekte gibt, stehen einer breiteren Wiederverwendung nicht nur baurechtliche und logistische Hindernisse entgegen, sondern gerade auch aus der Architekt:innenschaft negative Werturteile gegenüber einer von den vertrauten normativen Qualitätsvorstellungen abweichenden Architektur. Gleichzeitig stellt sich aber mit dem Architekturtheoretiker Andreas Denk die Frage: „Müsste nicht eine Upcycling-Architektur (…) zugleich ein Argument für sich selber sein, ein rhetorisches Mittel in eigener Sache? Wie kann es gelingen, eine Architektur, die aus wiederverwendeten Materialien besteht, zum Ausdrucksmittel ihrer Idee, ihrer Herkunft und ihrer Absichten zu machen?“1 Für Vittorio Magnago Lampugnani ist klar, dass „die systematische Wiederverwendung von Baumaterialien und -teilen (…) sich zwangsläufig auf die Ästhetik des Bauens auswirken, vielleicht sogar zu einer neuen, anderen Architektursprache führen“2 wird.

Im Seminar soll anhand von Texten und der Diskussion von Beispielen gefragt werden, ob Wiederverwendung zu einer neuen Formensprache führen wird und/oder führen sollte, was dem entgegensteht und letztlich auch, was das für Konsequenzen in der Ausbildung haben müsste.

1 Im Zeichen der Wiederverwendung. Andreas Hild, Hans-Rudolf Meier und Andreas Denk im Gespräch zur semantischen Funktion des Urban Mining, in: der architekt 3/2020, 29.
2 Vittorio Magnago Lampugnani: Gegen Wegwerfarchitektur. Dichter, dauerhafter, weniger Bauen, Berlin 2024, 81.

 

Literaturhinweise:

Julien Choppin / Nicola Delon: Matière grise. Matériaux / réemploi / architecture, Paris 2014.

Michaël Ghyoot / Lionel Devlieger / Lionel Billiet / Andrè Warnier / Rotor: Déconstruction et réemploi. Comment faire circuler les éléments de construction, Lausanne 2020

Material der Stadt. Material gewordenes Zeichen, Zeichen gewordenes Material. Der Architekt 4/2020.

Hans-Rudolf Meier: Spolien. Phänomene der Wiederverwendung in der Architektur, Berlin 2020 (22022).

Daniel Stockhammer / David Koralek (Hg.): Upcycling. Reuse and Repurposing as a Design Principle in Architecture / Wieder- und Weiterverwendung als Gestaltungsprinzip in der Architektur, Vaduz / Zürich 2020 (22021).

Eva Stricker / Guido Brandi / Andreas Sonderegger / Marc Angst / Barbara Buser / Michel Massmünster (Hg.): Bauteile wiederverwenden. Ein Kompendium zum zirkulären Bauen, Zürich 2021.

 

Zielgruppe: M.Sc. Architektur und Urbanistik + B.Sc. Architektur und Urbanis tik (ab 5. Semester)

Verantwortlich:  Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier

Leistungspunkte: 3 ECTS

Termine:
  Einführung: Freitag, 18.10.2024, 09:00 Uhr, anschließend drei halbtägige Veranstaltungen im Neuferthaus und eine Tagesexkursion