SoSe 2020, BA - Variety of Views | Leaving Traces

Variety of Views «(…) Blickwinkel der Empfindsamkeit»

Galicien (Bild: Clemens Helmke 2019)
Galicien (Bild: Clemens Helmke 2019)

 

Piet Mondrian schrieb dem befreundeten Architekten J.J.P. Oud, daß er eben ein Bild für 400 Mark verkauft habe «to a dancer who apparently has a white dance studio and now my canvas is hanging there as a focal point when the dancer is at rest, so I am told. That is rather nice, eh?» (1) Für die Tänzerin Gret Palucca eröffnete sich hierdurch ein weiterer Raum, die ‹Leichtigkeit des Seins›. In seinen Betrachtungen verwendet Mondrian mehrere Beschreibungen, die aber alle dasselbe meinen: »Plastisch Sehen heißt: mit Bewusstsein betrachten oder, besser noch: hindurch sehen. Es heißt unterscheiden, richtig sehen. (...) Das reine Sehen ist Wissen. Wenn das Wissen - wie der Weise sagt - das Glück ist, führt also das reine Sehen zum Glück. Das reine Sehen können wir das bildnerische Sehen nennen. (...) Wenn es uns jedoch gelänge, daß wir uns von unserem Haften am Äußeren befreien könnten wir es schaffen die Wahrheit zu erkennen.»(2) Mondrian bezieht sich hier auf Schriften über ‹Ethik› von Benedictus de Spinoza. Er malte rahmenlose Bilder; so wie sich Allbertis ungeteilte Rechteckfenster von gemalten Landschaftsausblicken ‹fenestra prospecta›, die sich als ein ‹Bild im Bild› in architektonischer Rahmung präsentieren. In unserem Semesterprojekt behandeln wir den ‹Blick› (aus dem Fenster) eine ‹Kulturtechnik des Sehens›, von Domburg Zeeland NL nach Urbino I, Palazzo Ducale. Hier sind es Albertis Ansprüche an die rechtwinklige Ausformulierung imaginärer ‹de pictura› und gebauter Fenster, welche gerade ‹nicht› mit der Realität übereinstimmen. «Er schrieb kleine Abhandlungen über die Malerei und schuf mit malerischen Mitteln Werke, die er in einem kleinen Kasten einschloß und durch ein winziges Loch hindurch zur Schau stellte.» Alberti, über sich in der 3. Person Das Gemälde ein ‹finestra aperta› als Blick durch ein ‹offenes Fenster›. «(...)architektonische Rahmung von Ausblicken (...) architektonisch eingefasste ‹Bilder›, die nicht materiell fixiert sind, sondern im Auge des Betrachters entstehen.»(3)

Zitate:

(1) Nancy Troy: Mondrian›s Design for the Salon de Madame B...a› Dresden, in: The Art Bulletin, December 1980

(2) Zitate Mondrian in: Beat Wismer: Mondrians ästhetische Utopie, LIT Verlag, Baden CH 1985

(3) Robin Evans: Figures, Doors, Passages, in: Translations from Drawing to Building and Other Essays, AA Documents, London/Cambridge 1997

Bemerkungen:

2.KM | Ba.Sc.A

Leaving Traces «(…) Überbleibsel»

Peter Eisenmann, Cidade da Cultura de Galicia, Santiago De Compostela (Bild: Helmke 2019)
Peter Eisenmann, Cidade da Cultura de Galicia, Santiago De Compostela (Bild: Clemens Helmke 2019)

 

Harmonie-Denken und mystische Zahlenwissenschaft, «die ewige Sprache des Steins, Rhythmik der Musik, Haptik der Dichtung versucht Jahnn innerhalb eines gesamtästhetischen Lebensentwurfs zu bündeln und zu entgrenzen.» (1) Der Dichter Hans Henny Jahnn und sein Freund der Musikforscher Harms unternehmen Reisen zu nordischen ‹Traumlandschaften›, imaginäre Fahrten zu fernen Inseln. Die Sehnsucht nach der Gestaltung einer neuen Lebensform taucht erstmals in Jahnns Drama ‹Du und ich›, ‹die Mauer› und ‹Ugrino und Ingrabanien› auf. «Der Name Urgrino ist übrigens frei erfunden. Er bezeichnet dasjenige Land, das durch eine imaginäre Grenze von allen übrigen Ländern der Erde getrennt ist. Man erreicht es zu Schiff durch ein Tor, das Mitten im Meer steht; man muß durch das Tor hindurch, da sonst überall gefährliche Klippen sind. Vor und hinter ihm sind Wasser, es hat sich scheinbar nichts geändert, und doch ist ein Unterschied: die Grenze ist überschritten, die Untergründe sind anders geworden. Es ist zugleich das Tor der Erinnerung: die Substanz des Lebens hinter ihm ist dieselbe (...)» (2) In unserem Semesterprojekt begegnen wir einem Ort, der auf jede denkbare Art und Weise seltsam, wunderlich, komisch erscheint oder auch wirkt. Unsere architektonische Reise kommt dem nahe, was Alice im Wunderland beschreibt: es gibt tatsächlich eine ‹Siamesische Zwillingsstadt›. In diesem Ort erblickt man auf den Bürgersteigen immerzu Linien aus weißen Kreuzen; seitlich davon die Buchstaben NL und B. Ein Kuriosum, ‹lat.:curiositas, die Neugier›.

Zitate:

(1) Rüdiger Wagner, Hans Henry Jahnn. Der Revolutionär der Umkehr, Murrhardt 1989

(2) Walter Muschg, Gespräche mit Hans Henry Jahnn, Franfurt 1967

Bemerkungen:

2. & 5. KM | B. Sc.U