unauffällige Verschiebungen
déplacements discrets_ inconspicuous shifts
Das Feld der Architektur und des Städtebaus vergleicht der Mathematiker und Physiker Horst Rittel, mit ‹Wicked Problems›. Sie seien verzwickte, komplexe, unklare und ambivalente Probleme von hoher Komplexität, Unschärfe und Widersprüchlichkeit. «Ihre jeweilige Einzigartigkeit, Kontingenz, Offenheit, kulturelle Bedingtheit, disziplin-übergreifende Komplexität, emergente Natur und sowohl ethische als auch ästhetische Streitbarkeit macht sie zu wicked problems per excellence.» (1) In unserem Semesterentwurf ergründen wir die Bedeutung der Form der Stadt und ihrer Wirkung_ die Wechselwirkung von räumlicher Umwelt und menschlichem Verhalten. Eine experimentelle einwöchige Übung, die zur Einführung herausgegeben wird, erweitert nicht nur ihr Entwurfsrepertoire, sondern zeigt die gesellschaftliche Relevanz von Architektur auf_ schafft Dialog, Transformation und Reflexion über gesellschaftliche Bedeutungen und Veränderungen. In den 1980er Jahren begründeten die Künstlerin und Soziologe Annemarie & Lucius Burckhardt die ‹Strollology›; sie ist eine interdisziplinäre Herangehensweise mit Elementen aus der Wahrnehmungs-psychologie, Soziologie, Stadtplanung, Landschaftsplanung und Architektur. Bei dem Spazierengehen_ ‹Strollology› werden unmittelbar Raumeindrücke und räumliche Bezüge vermittelt, da Raum durch die eigene körperliche Bewegung erfahren wird; der Körper dient als Instrument zur Erforschung der alltäglichen Lebensumwelt. Beide Projekte des 2. KM und 5.KM sind inhaltlich aufeinander bezogen. An verschiedenen Orten in unterschiedlichen Ländern und Kulturen entwerfen sie zukunftsweisende städtische Interventionen fill-ins, die in der Lage sind, das, was derzeit ein lost space_ vernachlässigter Zustand ist, in einen lived space_ intimen städtischen Raum umzuwandeln. Ausgewählt haben wir diese Räume nicht nur aufgrund ihrer Besonderheit neue Nutzungen_ shared spaces und Gemeinschaftswohnen_ lived spaces aufzunehmen, sondern auch aufgrund der Möglichkeit einer Transformation der gebauten städtischen Landschaft, im Sinne einer hohen Verdichtung von Objekt & Natur. Nahes Verwand(t)es_ in diesem Zusammenhang studieren wir D’Arcy Wentworth Thompson, dessen ‹Geometrie der Natur› die avantgardistischen Kunstbewegungen in den 1940-60er Jahren inspiriert hat. D’Arcy Wentworth Thompson, schottischer Mathematiker und Biologe zeigt in seinem Werk ‹On Growth and Form› auf, wie man durch einfache geometrische Verwandlungen die Formen nah verwandter, aber sehr verschieden aussehender Naturarten präzise ineinander überführen kann. Dazu wird der Umriss einer spezifischen natürlichen Form in ein rechtwinkliges Koordinatennetz eingetragen und durch Transformation der Koordinaten in den Umriss einer anderen Form verwandelt. Es ist eine geeignete Methode sich Prozesse bewusst zu machen, sie zu nutzen, zu kopieren und in den Entwurfsprozess einfließen zu lassen. Die Übersetzung von einer gedanklichen Verknüpfung und Erfahrung in eine visuelle Form beinhaltet, dass ein Entwurf auf einen erkennbaren und lesbaren Sinn reduziert sein sollte, wie Nahes Verwand(t)es. Die Entgrenzung des Innenraums und Umgrenzung des Außenraums sind die Spannungsräume des zu entwerfenden architektonischen Körpers
Literaturhinweise | Zitate:
(1) Horst Rittel: Dilemas in a General Theory of Planing, 1973
Bemerkungen:
Richtet sich an: 2.KM Bachelor Architektur (B.Sc.A.)
kleine Eingriffe, die verbinden
les petites interventions qui relient_ the small interventions that link
Fill-in nennen wir sie. Fill-ins sind Überbrückungen zwischen melodischen Phrasen (etwa durch Atempausen des Sängers oder Pausen), die als akzentuierte Akkorde oder Melodiefloskeln bei weiterlaufendem Beat in der Rhythmusgruppe eingestreut werden. Wiki «Das Haus muss wieder werden, was es früher einmal war : ein Lebensinstrument statt einer Lebensmaschine.»(1) An verschiedenen Orten in unterschiedlichen Ländern und Kulturen entwerfen sie zukunftsweisende städtische Interventionen fill-ins, die in der Lage sind, das, was derzeit ein lost space_ vernachlässigter Zustand ist, in einen lived space_ intimen städtischen Raum umzuwandeln. Sie entwickeln Ideen für neue Formen der Dichte von Raum und Natur, der Koexistenz zwischen derzeit getrennten Funktionen und entwerfen neue Wohn- und Arbeitstypologien im Sinne eines zukunftsweisenden Gemeinschaftshauses_ lived spaces. Im Semesterentwurf wollen wir eine radikale Alternative zu den Problemen des StadtLandschaft Ressourcenverbrauchs entwickeln. Anstatt die Stadt nach außen zu erweitern, soll eine Ausdehnung nach innen erfolgen, aufbauend auf dem, was bereits gebaut ist, eine hohe Verdichtung erfahren. Beide Projekte des 2. KM und 5.KM sind inhaltlich aufeinander bezogen
Zum Beispiel zeigen die Entwürfe von Ludwig Hilberseimer Möglichkeiten auf die Struktur der bestehenden Stadt zu verändern, eine Art ökologischen Urbanismus, der eine Verschränkung von Stadt und Landschaft vorsah_ The New City. In Anlehnung an diesen Ansatz erarbeiten sie im Sommersemester mögliche Transformationen der gebauten städtischen Substanz von innen heraus, indem die Entwurfsarbeit auf das aufbaut, was bereits gebaut ist. Im Semesterentwurf werden sie zunächst ausgewählte Ausschnitte der Stadt erkunden; diese Orte sind entweder Räume mit geringer Dichte_ Zwischenräume_ Restflächen_ Leerstände, die aufgrund ihrer Bedingungen als gebaut betrachtet werden können. Ausgewählt haben wir diese Räume nicht nur aufgrund ihrer Besonderheit neue Nutzungen_ shared spaces und Gemeinschaftswohnen_ lived spaces aufzunehmen, sondern auch aufgrund der Möglichkeit einer Transformation der gebauten städtischen Landschaft, im Sinne einer hohen Verdichtung von Objekt & Natur. Die Erkundung, Kopie, Transformation ausgewählter Architekturbeispiele ermöglicht Ihnen in einen direkten Zugang zu ihrem Entwurf, eingeleitet durch eine einwöchige Semesterübung. «Wenn es gelingt, den Umgang mit der dritten Haut mit Wachheit und Bewusstheit zu vollziehen, erhält das Leben in seinen alltäglichen Vollzügen eine kreative Färbung. Wohnen als Lebenskunst (…) hieße (…), unsere dritte Haut als einen nach außen verlagerten Teil unseres Selbst zu verstehen und ihn, öffnend und schließend, zu gestalten.»(2)
Literaturhinweise | Zitate:
(1) Bernhard Rudofsky: 1982, Lessons from Bernhard Rudofsky, Architekturzentrum Wien, Wien 2007
(2) Dieter Funke: Die dritte Haut, Psychoanalyse des Wohnens, Psychosozial Verlag 2006
Bemerkungen:
Richtet sich an: 2. & 5.KM Bachelor Architektur (B.Sc.A )