Wörterbücher belegen die Gleichursprünglichkeit von Wand und Gewand. Semper zufolge fallen die Anfänge des Bauens mit den Anfängen des Textilen zusammen. Aus Gewand wird Wand. Schon im Alten Testament figuriert der Vorhang als „die erste Wand“. Im architektonischen Kontext ist der Vorhang ein räumliches Element, das zwischen einem offenen und einem geschlossenen Raum eine bewegliche und durchlässige Trennungslinie zieht. Vorhang, Membran, Schleier - sie lenken die Aufmerksamkeit auf die Fragen des verborgenen Raumes: was verbirgt sich, was zeigt sich durch ihre Filterungsfunktionen hindurch? Jean Starobinski schreibt, dass „in der Verschleierung eine seltsame Kraft lebt, die den Geist dazu bringt, sich dem Unerreichbaren zuzuwenden.“ Aus der Architekturgeschichte werden Beispiele ausgewählt, die Bezug nehmen auf den Modus des Ver- und Entschleierns: das Blur House von Diller und Scofidio, der Talvorhang von Christo, Friedrich Kieslers bewegliche und gekurvte Wände, Hashimoto Yukios sensible Oberflächen, die Wände auflösen. (Dr. Rike Felka)
Literatur: Jean Starobinski, Das Leben der Augen, Ffm./Berlin/Wien 1984
erster Termin 23.10.2013