Kurzbeschreibung
Welche demokratischen Antworten geben Städte auf die Anerkennung des „Klimanotstands“? Ausgehend von der ersten Formulierung des Begriffs durch Spratt und Sutton (2008) und zunächst kleinteiliger aktivistischer Bemühungen sowie der Verbreiterung von Klimabewusstsein und -bewegung in den vergangenen fünf Jahren haben kommunale Klimanotstandserklärungen und nachfolgende Aktivitäten stark zugenommen. Bereits im April 2020 hatten sich insgesamt über 1.000 Kommunen, aber auch andere Akteure wie Nationalstaaten, Universitäten und Unternehmen unter diesem Titel zusammengeschlossen. Mittlerweile sind es deutlich über 2.000 Beschlüsse, die – bei Unterschieden im Wortlaut – stets die Dringlichkeit und Problematik des vom Menschen verursachten Klimawandels anerkennen und fordern, eigene Maßnahmen zur Bewältigung zu verstärken und beschleunigen. Diese Maßnahmenpläne beziehen sich häufig auf Emissionsreduktionen, postfossile Metabolismen und ökonomische Relokalisierung und werden u.a. durch demokratische Innovationen – u.a. Bürger:innen-Räte, Plattformen und Beiräte, Partizipationsprozesse, Klimaschutzvorrang bei kommunalen Beschlüssen – flankiert. Für die beteiligten Städte und Gemeinden ging es strategisch auch darum, andere Kommunen zu beeinflussen ("sideways") oder die nächsthöhere Ebene erfolgreich zum Handeln aufzufordern ("upwards"). Die neuen Planwerke stehen im Kontext von in Veränderung begriffenen kommunalpolitischen Aushandlungsprozessen in vielen städtischen Gesellschaften weltweit sowie in der Tradition vielfältiger (trans-)kommunaler Umweltschutzbemühungen in den vergangenen Jahrzehnten wie beispielsweise Agenda-21-Prozesse und „Transition Town“-Initiativen, die oftmals ebenfalls von bewegungsähnlichen globalen Prozessen getragen und vorstrukturiert wurden, jedoch zumeist deutlich ergebnisoffener angelegt waren.
Acht Jahre nach der Ausrufung des ersten kommunalen Klimanotstands in Darebin, Australien, soll die hier beantragte Anschubfinanzierung ein Forschungsvorhaben ermöglichen, dass die kommunale Reaktion auf die Anerkennung des Klimanotstands, das Zustandekommen oder Überarbeiten von Klimaschutzkonzepten und die aus den Plänen abgeleiteten Maßnahmen untersuchen soll. Aus einer planungs- und allgemein governance-theoretischen Perspektive soll das Vorhaben idealerweise zwei Forschungsstränge miteinander verbinden: Erstens einen internationalen Vergleich, der mehrere westlich geprägte Demokratien umfasst und damit das Verhältnis von Notstandsnarrativ, Partizipationserfordernis und demokratischer Legitimation in den Blick nimmt. Zweitens soll durch einen historischen Vergleich eine Einbettung in die Entwicklung transkommunaler Klima- und Umweltpolitik vorgenommen werden. Den Schwerpunkt legt das Forschungsvorhaben hierbei jedoch weniger auf etablierte, anerkannte und entsprechend viel beforschte Städtenetzwerke, sondern vielmehr auf zirkulierende gegenhegemoniale Politikansätze. Neben den schon benannten Klimanotstandsbeschlüssen (Zeitraum 2016-2025) untersucht das Forschungsvorhaben auch Transition Towns (Zeitraum 2006-2015) und Lokale Agenda 21 Kommunen (Zeitraum 1993-2002). Sowohl der zeitliche als auch der räumliche Vergleich ermöglichen eine ortsunabhängige Perspektive auf Möglichkeitsstrukturen und Handlungsfähigkeit von Städten in den Bereichen der Klima- und Demokratiepolitik und deren Veränderung durch Mitwirkung an transkommunaler Klimapolitik und mittels demokratischer Innovationen. Des Weiteren soll das Vorhaben auch der Untersuchung dienen, inwieweit die lokale Ebene dazu fähig ist, sich so grundlegend zu transformieren, dass urbaner Metabolismus und klimarelevante Emissionen entsprechend globaler Klimaziele reduziert werden können.
Die Anschubfinanzierung dient dazu, den vorgesehenen Antrag zu erarbeiten, über eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Stand der Forschung die Fragestellung zu schärfen und durch Bestimmung von Umfang, Fallstudien und Methoden zu operationalisieren.
Projektdaten
Laufzeit: Oktober 2023 bis Juli 2024
Fördeurng: Anschubfonds der Bauhaus-Universität