Stadtentwicklungspolitik in Brüssel, zwischen Städtebau für die EU-Institutionen und nachhaltiger Regionalplanung
Julia Gamberini und Piero Sassi
Note - 12 LP/8 SWS
Brüssel nahm 1997 mit dem Amsterdamer Vertrag die Rolle des Hauptsitzes der Europäischen Union ein. Die Ansiedlung von EU-Institutionen hatte allerdings bereits seit den 1950er Jahren das Stadtbild der belgischen Metropole maßgeblich geprägt, etwa durch den Bau des symbolträchtigen Europaviertels, wo sich die Europäische Kommission und der Europäische Rat niederließen. „Die EU-Institutionen beschäftigen über 40.000 Männer und Frauen aus den 28 EU-Mitgliedstaaten” (Europäische Union), die zum großen Teil in Brüssel leben und arbeiten. Die Stadt weist heute einen ausgeprägten Hauptstadtcharakter auf. Dieser ist nicht nur durch die Sonderstellung im internationalen Kontext bedingt. Brüssel ist seit 1831 Hauptstadt des Königreichs Belgien und seit 1989 der Region Brüssel-Hauptstadt, die insgesamt 19 Gemeinden mit über 1,2 Millionen EinwohnerInnen einschließt.
Aufgrund der strategischen Position als politisches Zentrum der Europäischen Union ist Brüssel heute täglich Arbeitsziel von etwa 375.000 PendlerInnen aus den Nachbarregionen sowie ein bedeutsamer Hub des internationalen Flugverkehrs. Der Ausbau der Stadt zu einer internationalen Metropole ging in den letzten sechs Jahrzehnten mit der Anlage großer Infrastrukturen im Rahmen einer Städtebaupolitik einher, die Brüssel zu einer autogerechten Stadt umgestaltete und zu einem degenerativen Prozess der Stadt, die „Bruxellose” (Michiels 1996), führte. Angestoßen wurde dieser Prozess der Stadtentwicklung durch die Veranstaltung der „EXPO 58” (Weltausstellung 1958) und den damit zusammenhängenden städtebaulichen Projekten. Heute setzt sich Brüssel mit zahlreichen Verkehrs- und Mobilitätsproblemen auseinander, die auf dieses Modell der Stadtentwicklung zurückzuführen sind. Die Suche nach neuen Wegen zu einer nachhaltigen Regionalplanung, vor allem im Hinblick auf Klimaschutzziele und sanfte Mobilität, bildet das wichtigste Thema in der fachlichen und kommunalpolitischen Auseinandersetzung.
Im Rahmen eines Planungsprojektes werden wir uns mit den zentralen Aspekten und der Komplexität der nachhaltigen Stadt- und Mobilitätsentwicklung in der europäischen Metropole Brüssel auseinandersetzen. Wie kann der Ausbau der Europäischen Einrichtungen in Brüssel zu einer nachhaltigen Städtebaupolitik (Ökonomie, Ökologie und Sozial) auf regionaler und lokaler Ebene beitragen? Wir werden uns mit der Städtebaugeschichte Brüssels unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung hin zu der heutigen Hauptstadt Europas auseinandersetzen und die regionalplanerische Diskussion erkunden. Dies wird Aufschluss über den Einfluss der EU-Institutionen auf den lokalen Städtebau sowie über wichtige Merkmale der belgischen Planungskultur geben. Basierend auf den Ergebnissen dieser analytischen Arbeit werden wir in einer konzeptionellen Phase konkrete planerische und politische Maßnahmen entwerfen, um die Ansprüche der verschiedenen Akteure mit einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik zu koordinieren. Das Programm sieht eine Exkursion nach Brüssel vor, vom Sonntag, 27.10., bis einschließlich Donnerstag, 31.10., um die für das Projekt wichtigen Orte und städtebaulichen Produkte zu besichtigen und mit verschiedenen Akteuren vor Ort Interviews durchzuführen.