Konferenzbericht

HUMANITÄRE STADT, SOLIDARISCHES LAND? Strategien der Geflüchteteninklusion neu denken

Am 5. und 6. Dezember 2019 hat die Professur für Sozialwissenschaftliche Stadtforschung der Bauhaus-Universität Weimar eine zweisprachige Konferenz unter dem Titel “Humanitäre Stadt, solidarisches Land? Strategien der Geflüchteteninklusion neu denken” ausgerichtet. Die Konferenz fand als sogenannter URBAN THINKERS CAMPUS in Kooperation mit UN-Habitat und der Thüringer Landesbeauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge Mirjam Kruppa statt.

Aus wissenschaftlicher, politischer, aktivistischer und künstlerischer Perspektive wurde auf der Konferenz folgenden Fragen nachgegangen: Wie können Thüringer Städte ein gutes Leben für all ihre Bewohner*innen ermöglichen – egal, welche Nationalität und welchen Aufenthaltstitel diese haben? Wie können Orte in Thüringen zu „Sicheren Häfen“ für all jene werden, die ihr Leben auf der Flucht nach Europa riskieren? Wie könnte ein solidarischer Freistaat Thüringen aussehen?

Der URBAN THINKERS CAMPUS ist eine weltweit stattfindende Initiative der World Urban Campaign des UN-Siedlungsprogramms UN-Habitat. Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Mitglieder internationaler, regionaler und lokaler Organisationen und Initiativen sowie Studierende kamen an zwei Tagen in Weimar zusammen, um sich über Handlungsspielräume (inter-)kommunaler Migrationspolitiken und Strategien für eine inklusive und humanitäre Stadt auszutauschen sowie konkrete Vorschläge für ein solidarisches Weimar und Thüringen zu erarbeiten. Neben Vorträgen und Diskussionen war auch ein WALK OF ART (Kunst-Spaziergang) des internationalen Kunststudiengangs “Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien” Teil des Programms. Außerdem ging der Konferenz das studentische Seminar "Solidarity Cities" von Kunst- und Urbanistikstudierenden voraus, welches sich mit solidarischen Städten, Migration und Grenzen beschäftigte und für die Konferenz studentische Workshops und interventionistische Beiträge entwickelte.

Nach dem erfolgreichen Auftakt und den Walk of Art begann der wissenschaftliche Teil des Abends mit dem zweiten Gespräch, da Frau Kron leider wegen Krankheit nicht an der Tagung teilnehmen konnte. Der Vortrag Stephan Liebschers beleuchtete städtische solidarische Bündnisse und translokale Plattformen, die sich für die Rechte von als ‚migrantisch‘ gelesenen Menschen einsetzen. Neben dem Blick auf die Herkunft des Konzeptes „Solidarity City“ und die unterschiedlichen Aktionsformate standen Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bewegungen, Verwaltung und transnationalen Migrant*innen, sowie die sich daraus ergebenden Spannungen im Fokus.

Das anschließende dritte wissenschaftliche Gespräch begann mit dem Vortrag Laura Colinis und regte Austausch zu städtischen Bündnissen auf EU-Ebene und EU-Finanzierung zur Inklusion von Geflüchteten an. Colini erläuterte, dass sich seit 2015 die Rolle der Städte in der politischen Arena der EU verschoben hat.  Einen neuen politischen Raum nehmen nun die Städte ein, die sich besonders für die Aufnahme von Migrant*innen und Flüchtlingen einsetzen und eine Alternative zum fehlenden Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Der abschließende Konsens war, dass solche Initiativen fortschrittliche und exemplarische lokale Möglichkeiten der Inklusion von Migrant*innen darstellen können.

Das vierte und letzte wissenschaftlich-politische Gespräch des Abends fand mit Mirjam Kruppa statt. Während des Inputs, aber mehr noch im anschließenden Gespräch, wurde deutlich, dass Zivilgesellschaft und Politik sich öffentlich und konsequent für Solidarität und die Wahrung der Menschenrechte einsetzen müssen. Besonders hervorzuheben ist hier der am Abend zuvor verfasste Beschluss des Stadtrates in Weimar, Solidarity City zu werden, was als positiver Schritt in Richtung Inklusion und Solidarität gewertet werden darf, die Bemühungen hier aber bei Weitem nicht aufhören sollten. Einen lockeren Abschluss des Abends bildete die motivierende Präsentation des UN-Habitat-Abgesandten Ahmet Soguktas und der Jugendaktivistin Sherife Tekdal zum Thema Jugendaktivismus bei der UN in Zeiten der Flüchtlingsherausforderung.

Der zweite Tag war bestimmt durch Präsentationen aktivistischer Gruppen, die sich für Solidarität im Umgang mit Geflüchteten seit nun mehr vielen Jahren einsetzen, und anschließenden Workshops, die von den Studierenden des vorausgegangenen Seminars geleitet wurden. Besonders hervorzuheben ist hier der Workshop "Don't call me refugee", bei dem ein junger Mann syrischer Herkunft von seinen Erfahrungen seiner Anfangszeit in Jena und der Berichterstattung über seine Lebens- und Fluchtgeschichte in der New York Times berichtete. Nach dem Abschlussplenum erwartete die Gäste noch ein informelles studentisches Programm im "Laden", sowie weitere Interventionen am nächsten Tag. So wurde die Konferenz nicht nur im Bauhaus-Gebäude im akademischen Rahmen beschlossen, sondern führte auch am Ende wieder in die Stadt und darüber hinaus.

Die Vorbereitung und Durchführung, sowie der Abschluss sind insgesamt als erfolgreich zu bezeichnen. Das Ziel, Wissenschaft, Politik und zivilgesellschaftliches Engagement konstruktiv in einer Veranstaltung zu vereinen, und die Uni zwar als Austragungsort zu sehen, aber gleichzeitig auch die Institution selbst als exkludierend in Frage zu stellen, ist durchgehend geglückt. Es wurde über den  Art Walk und Konferenz in verschiedenen Medien berichtet. Das Publikum war, wie erwartet, am ersten Tag diverser und erfasste eine größere Aufmerksamkeit als der zweite Tag, der fast ausschließlich von Uniangehörigen und Aktivist*innen besucht wurde. Man könnte in Zukunft an einem zeitlich integrativeren Konzept arbeiten, um an beiden Tagen großes Publikum begrüßen zu können. Abschließend ist zu berichten, dass Studierende und Uniangehörige weiter an der Thematik festhalten. Die Konferenz dürfte nur ein Auftakt zu weiteren früchtetragenden Kooperationen zwischen der Universität und der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge gewesen sein.


Fotodokumentation der Konferenz

5.12.2019: Begrüßung

5.12.2019: WALK OF ART

5.12.2019: Vorträge und Diskussionen

6.12.2019: Impulse und Workshops