Anja Link

Wohnungsbau und Marshallplan - Siedlungsbau der Nachkriegszeit am Beispiel der ECA-Versuchssiedlungen in Westdeutschland und Bremen

Kurzdarstellung

Das Dissertationsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Wohnungsbau und Marshallplan - Siedlungsbau der Nachkriegszeit am Beispiel der ECA-Versuchssiedlungen in Westdeutschland und Bremen“ thematisiert den vom European Recovery Program (Marshallplan) geförderten und auch als „ECA-Entwicklungsbauten“ bezeichneten Wohnungsbau in der ersten Phase des westdeutschen (Wieder-)Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die im Jahr 1952 errichteten ECA-Siedlungen, die aus einem Realisierungswettbewerb mit über 700 Einreichungen hervorgingen, sollten als kleinräumliche Versuchssiedlungen - und unter Aufwendung möglichst geringer finanzieller Mittel - der Wohnungsnot spezifischer Bevölkerungsgruppen wie Vertriebenen Abhilfe schaffen. Dem wirtschaftsfördernden Charakter des Marshallplans entsprechend wurden die Siedlungen in räumlicher Nähe zu industriellen Produktionsstätten geplant. An den durch die ECA-Siedlungen geschaffenen Wohnraum wurden von amerikanischer wie deutscher Seite nicht nur räumliche, sondern auch politische, ökonomische und baukonstruktive Erwartungen formuliert. Denn dieser Wohnraum sollte günstig und schnell zu errichten sein, nicht zu groß ausfallen, einen Vorbildcharakter für weitere Wohnungsbauten und deren städtebauliche Organisation aufweisen, sich experimenteller und rationaler Bauweisen bedienen, in das Eigentum der Bewohner übergehen und Flüchtlingen eine dauerhafte Unterkunft bieten. Die ECA-Siedlungen sollten mithin die aufblühende industrielle Produktion im Westdeutschland der Nachkriegszeit potentiell tatkräftig unterstützen können und so zur politischen Stabilität der westlichen Welt beitragen.

Innerhalb der Gesamtheit aller Marshallplan-finanzierten Wohnungsbauprogramme stellte das Finanzierungsprogramm für die ECA-Versuchssiedlungen das thematisch komplexeste Konstrukt dar. Während die Konzeption der Marshallplanförderung für andere Wohnungsbauprojekte ausschließlich auf eine Bereitstellung finanzieller Mittel angelegt war, sollten die ECA-Entwicklungsbauten einerseits durch die Förderung kostensparende Bauweisen auch dem Ursprung des hohen Finanzierungsbedarfes Rechnung tragen. Andererseits sollten hierdurch konkrete räumliche Lösungen zur Beseitigung des Wohnraummangels der jungen Bundesrepublik gefunden werden.

Die ECA-Siedlungen wurden in der Vergangenheit entweder aus rein ökonomischen oder architektonisch-städtebaulichen Standpunkten heraus betrachtet. Sie wurden bislang keiner umfassend retrospektiv-einordnenden Betrachtung unterzogen, welche die jeweilige regionale architektonische Substanz in Beziehung zu den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten ihrer Entstehungszeit setzt. Ein erster Ansatzpunkt der Arbeit besteht daher im Zusammenführen der architektur- und wirtschaftshistorischen Themenstränge, indem eine Einordnung der ECA-Versuchssiedlungen und ihrer Nachfolgeprogramme in das Gesamtgefüge der amerikanischen Auslandshilfe und der besatzungspolitischen Rahmengebung des Marshallplan-finanzierten Wohnungsbaus erfolgen soll. Der zweite Ansatzpunkt widmet sich dem Aufarbeiten des Wettbewerbs und seiner Ergebnisse an sich. Da sich sowohl zeitgenössische als auch spätere Quellen vor allem den erstplatzierten Beiträgen und ihren gebauten Ergebnissen widmen, sind die nicht realisierten Wettbewerbsbeiträge bisher kaum publiziert. Diese werden daher auf Basis einer breit angelegten Recherche in den noch vorhandenen Nachlässen der Wettbewerbsteilnehmer untersucht. Sowohl die baulich ausgeführten und die nicht realisierten Entwürfe werden anschließend Bezug zueinander sowie zu übergeordneten städtebaulichen und architektonischen Leitbildern gesetzt. Das Projekt fokussiert insofern nicht ausschließlich bauhistorische Aspekte, sondern nimmt eine interdisziplinäre Einordnung im Spannungsfeld von Gesellschaft, Baukunst und Technik vor.

Verfasserin

Nach dem Abschluss ihres Diplom-Studiums der Volkswirtschaftslehre an der Universität Rostock im Jahre 2009 arbeitete Anja Link zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Rostock und Bremen, bevor sie sich zur Aufnahme eines Zweitstudiums der Architektur an der Hochschule Bremen entschied. Seit 2019 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Architekturtheorie und Baugeschichte an der Hochschule Bremen tätig. Mit der thematischen Setzung des Promotionsthemas im Bereich der Architektur- und Städtebaugeschichte, das mit einer wirtschaftshistorischen Betrachtungsebene unterfüttert wird, führt ihr Promotionsprojekt ihre bisherigen Forschungsinteressen zusammen.

Kontakt

Anja.Link[at]lba.hs-bremen.de