Seminar im Bachelor Architektur 3. FS, Master ab 1. FS, 4 SWS | 6 ECTS
Lehrender: Dipl.-Ing. Ronny Schüler
Die Herausbildung und weltweite Ausbreitung eines modernen architektonischen Kanons gehört zu den größten Umwälzungen in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Prägung der neuen Architektursprache – in Deutschland als ‚Neues Bauen‘ bezeichnet – vollzog sich zu Beginn der 1920er Jahre in einer kleinen Zahl europäischer Länder. Schon früh vertraten die Protagonisten der modernen Architekturbewegung den Anspruch auf Internationalität – besonders wirksam tat dies Walter Gropius mit der 1923 am Weimarer Bauhaus gezeigten Ausstellung ‚Internationale Architektur‘. Tatsächlich verbreiteten sich die neuen Bauformen innerhalb der folgenden zwei Jahrzehnte über den gesamten Globus.
Für die Internationalisierung der europäischen Architekturmoderne bildet der Fall Palästina ein besonders aussagekräftiges Paradigma. Die Rezeption der architektonischen Moderne ereignete sich im Kontext eines breiten kulturellen Vermittlungsprozesses, der zusammen mit den Einwanderungswellen aus Europa bereits am Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte und innerhalb der sich emanzipierenden jüdischen Gemeinschaft in Palästina eine prägende Wirkung entfaltete. Während in den 1920er Jahren spät-historistische und traditionalistische Einflüsse zur Ausbreitung eklektischer Bauformen beitrugen, wurde seit etwa 1930 das Vorbild der europäischen Avantgarden bestimmend. Damals entstand mit der ‚weißen Stadt‘ Tel Aviv eines der weltweit dichtesten Ensembles von Bauten der internationalen Moderne. Auch in Haifa und Jerusalem folgte das Baugeschehen der neuen Architektur. In stärkerem Maße als in den Ursprungsregionen des Neuen Bauens wurde die Moderne zur dominierenden Architektursprache des Landes.
Das Seminar setzt sich am Beispiel des britischen Mandatsgebietes Palästina (1923-1948) mit den Netzwerken, Medien, Institutionen und den gesellschaftlichen Bedingungen auseinander, denen sich die globale Ausbreitung des Neuen Bauens verdankt. Sie steht inhaltlich in engem Zusammenhang mit der internationalen Konferenz „Vermittlungswege der Moderne“, die am 19. und 20. Juni 2015 von der Professur Theorie und Geschichte der Modernen Architektur im Oberlichtsaal durchgeführt wird. Ziel der Veranstaltung ist es, sich mit dem aktuellen Forschungsstand zum Thema anhand ausgewählter Texte und Projekte auseinander zu setzen.
Leistungsnachweise:
– regelmäßige und aktive Teilnahme an den Seminarsitzungen
– Teilnahme an der internationalen Konferenz „Vermittlungswege der Modern“
am 19. und 20. Juni 2015 in Weimar
– Ausarbeitung und Präsentation eines Referates
– Verfassen eines Essays in Auseinandersetzung mit den Seminar- und Tagungsinhalten
Organisatorisches
Beginn: 10. April 2015
Termin: freitags, 13:30 – 15:00 Uhr
Ort: HG, R. 109