Ende 1999 wurde Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Bargstädt an die Bauhaus-Universität Weimar berufen. Nach über 22 Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit an der Fakultät Bauingenieurwesen übergab der Universitätsprofessor am 05. April 2022 den Staffelstab offiziel an seinen Nachfolger Prof. Dr.-Ing. Jürgen Melzner. Im Interview mit Dana Höftmann lässt er die vergangenen Jahre Revue passieren und blickt auf seine persönliche und fachliche Zukunft.
Herr Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Bargstädt, mehr als zwei Jahrzehnte haben Sie die Professur »Baubetrieb und Bauverfahren« geleitet, waren als Dekan und Prodekan für die Fakultät Bauingenieurwesen im Einsatz und haben sich als Studiengangleiter engagiert. Welche Erinnerungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Besonders gern erinnere ich mich an meine zwei Forschungssemester in Taiwan und Vietnam sowie zahlreiche Lehraufenthalte in Südafrika, den Vereinigten Staaten, dem Jemen, Äthiopien, Russland, Usbekistan oder Myanmar. Aus heutiger Sicht erscheinen manche dieser Orte nicht mehr erreichbar. Dabei haben mich überall freundliche und aufgeschlossene Menschen mit entwaffnender Herzlichkeit und offenen Armen empfangen.
Auf welchen Erfolg sind Sie besonders stolz?
Es zählte zu den Highlights, gleich in meinen ersten Jahren zusammen mit Prof. Alfen den Studiengang »Management [Bau Immobilien Infrastruktur]« zu konzipieren und neu einzuführen. Bis heute ist dieser Studiengang eine Erfolgsgeschichte, die hoch motivierte Bachelorstudierende und darüber hinaus eine große Zahl von qualifizierten Quereinsteigern im Masterstudium ausbildet.
Inwiefern hat sich durch die Umstellung von Diplom auf das Bachelor- und Mastersystem etwas verändert?
Mit den Auswirkungen des Bologna-Prozesses Anfang der 2000er Jahre ging eine größere Mobilität der Studierenden einher. Einerseits, da mehr Studierende nun Zeit im Ausland verbrachten, und andererseits, da nun häufiger der Studienort zwischen Bachelor und Master gewechselt wurde. So war das Erfahrungsspektrum innerhalb eines Jahrgangs im Masterstudium spürbar vielfältiger.
Was hat Sie in Ihrer Zeit als Studiengangleiter besonders geprägt?
Die Erkenntnis, dass neben der Forschung auch die Lehre einem ständigen Wandel unterliegen muss, um veränderten Studierenden-Erwartungen gerecht zu werden. Zwar sind die theoretischen Grundlagen im Fachbereich Management für Bau, Immobilien und Infrastruktur im Wesentlichen die gleichen geblieben, aber wir haben die fachliche Ausrichtung in den Modulen komplett erneuert. Jetzt kulminiert der Veränderungsprozess gerade in der Suche nach einer neuen Balance unterschiedlicher Lehr- und Lernformen von der Präsenz-Vorlesung bis zu komplett selbstbestimmten digitalen Lernprogrammen. Es bleiben weiterhin spannende Zeiten.
Stehen Sie mit Ihren Alumni noch in Kontakt?
Einer der schönsten Aspekte in diesem Beruf ist die Wiederbegegnung mit ehemaligen Absolventinnen und Absolventen, die ihren erfolgreichen Weg in der Praxis gehen und gern darüber berichten. Ich habe elf weibliche und zwölf männliche Promovierende aus Deutschland, Indien, Vietnam, Sudan, Pakistan, Äthiopien und dem Iran betreut. Oft kontaktiert mich ein ehemaliger Absolvent oder eine ehemalige Promovendin und bittet um einen persönlichen oder fachlichen Rat. Das beweist das große gegenseitige Vertrauen, das wir während ihrer Studien- und Promotionsphase miteinander haben aufbauen können. Darüber hinaus ist der Begriff des Doktorvaters immer noch aktuell, denn die Promovierenden untereinander sind durch ihre gemeinsame Assistenzzeit zu einer großen Familie von Schwestern und Brüdern zusammengewachsen.
Und was würden Sie rückblickend anders angehen?
In der Forschung ist es von Vorteil, wenn man sich schnell auf ein sehr enges Spezialgebiet eingrenzt und dabei wenig nach rechts und links sieht. Doch das widersprach mir als vielseitig interessiertem Menschen. So dauerte es einige Jahre, eigentlich zu lange, um mich innerhalb der Breite des gesamten Faches intensiv auf die Bauprozesssimulation zu konzentrieren und später tief in das »Building Information Modeling« (BIM) in Planungs- und Bauprozessen einzutauchen.
BIM ist ein gutes Stichwort: Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung haben sich die Anforderungen an das Bauwesen stark verändert. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen aktuell und in der Zukunft?
In den letzten zwei Jahrzehnten haben die technologischen und informationstechnischen Möglichkeiten für das Bauwesen eine revolutionäre Entwicklung hingelegt: Ich bin immer wieder verblüfft, welche neuen Berufe und Berufsausprägungen seit Beginn meiner Hochschultätigkeit vor 22,5 Jahren entstanden sind. Dazu gehören beispielsweise Entwickler für Computerspiele, BIM-Manager, Consultants für Allianzverträge oder Baustellenabrechner auf Basis von 3 D-Modellen und schließlich Geoinformationsingenieure, die per Drohnenbefliegung und Laser-Scanning digitale Abbildungen von Bauwerken generieren. Doch weiterhin kommt es darauf an, den Menschen mitzunehmen. Diese Technologien müssen nicht nur sinnvoll eingesetzt werden, sondern wir müssen den Zugang der Menschen zu den Technologien deutlich verbessern, damit auch Facharbeiterinnen und Facharbeiter sowie ungelernte Arbeitskräfte effizient damit umgehen können.
Und welches Thema bewegt Sie derzeit?
Aktuell wird uns in der Ukraine sehr krass und tragisch vor Augen geführt, wie wichtig Ingenieurinnen und Ingenieure zur Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Infrastruktur eines Landes sind. Unsere Absolventinnen und Absolventen des Studienganges »Natural Hazards and Risks in Structural Engineering« (NHRE) können da einen wichtigen Beitrag leisten. Hier finden stark motivierte Studierende aus mehreren Nationen zusammen, verbunden mit dem Wunsch, etwas in ihren Heimatländern zu bewegen. Ich freue mich, dass ich meine langjährige Erfahrung als Pionier-Reserveoffizier im Katastrophenschutz im Rahmen des Moduls »Disaster- and Project Management« einbringen und weiter ausbauen konnte.
Haben Sie einen Rat, den Sie ihrem Nachfolger, Herrn Prof. Melzner, mitgeben möchten?
Der Name Bauhaus verleiht der Universität stets eine besondere Aura, einen spezifischen Klang von Spannung, Überraschung, Ungewöhnlichkeit und weiteren Eigenschaften, die Besonderes erwarten lassen. Im Ausland öffnet uns das »Bauhaus« besonders viele Türen. Das sollte man weiterhin als starkes Moment sowohl für die eigene Forschung als auch für innovative Lehrkonzepte nutzen. Darüber hinaus gibt es aus meiner Sicht keinen „guten Rat“, den Herr Melzner nötig hätte. Ich freue mich sehr auf ihn, weil er beste Voraussetzungen für das Amt mitbringt: hohes Interesse an Forschungsfragen, solide Praxiserfahrung, Ruhe und Ausstrahlung, interkulturelle Kompetenz sowie eine besondere Freude an der persönlichen Entwicklung junger Menschen.
Soweit ich weiß, haben Sie einen grünen Daumen. Tauschen Sie ab sofort PC gegen Gartenschere oder wie werden Sie Ihren Ruhestand gestalten?
Ob grüner Daumen oder eher Freude an blühenden Landschaften, lasse ich mal dahingestellt sein. Ein großer Garten mit Obstbäumen und -büschen braucht stets mehr Pflege als ich zu geben bereit bin. Das wird sich nicht ändern. Auf der Wunschliste für die Freizeit stehen jedoch weiterhin Reisen in ferne Länder und endlich auch mal wieder der unbeschwerte Besuch von Konzerten und Festivals.
Inwieweit für mich persönlich der Ruhestand eintritt, sieht meine Frau bisher noch kritisch. Zum einen werde ich den Weiterbildenden Studiengang Projektmanagement Bau an der Bauhaus Weiterbildungsakademie (WBA) weiterhin betreuen, zum anderen steht bei einer Handvoll meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch die Fertigstellung ihrer Promotion aus. Und schließlich stehe ich für weitere vier Jahre als Vorsitzender des Akkreditierungsrats zur Verfügung und bin somit für die Qualitätssicherung in Studium und Lehre an allen deutschen Hochschulen mitverantwortlich.
Doch der Ausgleich kommt nicht zu kurz. Als Familie sind wir zurückgekehrt an die Ostsee bei Rostock und genießen dort Wald, Strand und Wasser und die Nähe zu unseren sechs Kindern sowie vier Enkelkindern.
Vielen Dank für das Interview, Herr Prof. Bargstädt! Im Namen der Fakultät Bauingenieurwesen wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute für Ihren weiteren Lebensweg.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview führte Dana Höftmann, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit an der Fakultät Bauingenieurwesen
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