Mit großer Betroffenheit und Trauer nimmt die Bauhaus-Universität Weimar Abschied von Univ. Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Brannolte, der am 17. April 2023 verstarb. Als Akteur und Inspirator zahlreicher innovativer Projekte in Lehre und Forschung hinterlässt er eine große Lücke an der Universität. Der emeritierte Professor für »Verkehrsplanung und Verkehrstechnik« war von 1998 bis 2001 Prodekan und Dekan der Fakultät Bauingenieurwesen, deren Neuausrichtung nach der Wende er maßgeblich mitgestaltete.
»Am 1. Juni 2017 haben wir im historischen Reithaus in Weimar den 70. Geburtstag von Ulrich Brannolte mit einem Festkolloquium begangen«, erinnert sich Prof. Uwe Plank-Wiedenbeck, aktueller Leiter der Professur Verkehrssystemplanung an der Bauhaus-Universität Weimar. »Für die meisten Teilnehmenden, die aus dem In- und Ausland angereist waren, war es das letzte Mal, dass sie mit ihm, ihrem akademischen Lehrer, Kollegen und Freund, zusammen gesprochen, gelacht und gefeiert haben. Kurze Zeit später erkrankte er schwer. Er wurde von seiner Frau liebevoll gepflegt und betreut, bis er im April dieses Jahrs verstarb«. Exakt sechs Jahre später, am 1. Juni 2023, findet die Beisetzung in Weimar statt.
Akademische und Berufliche Laufbahn
Ulrich Brannolte wurde 1947 in Blomberg in Nordrhein-Westfalen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er von 1969 bis 1975 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der damaligen Technischen Universität (TH) Karlsruhe und erwarb dort einen Abschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur. 1975 wurde er in Karlsruhe wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrswesen (IfV) bei Prof. Dr.-Ing. Leutzbach und 1978 erfolgreich mit dem Thema »Verkehrsablauf an Steigungsstrecken von Richtungsfahrbahnen« zum Doktor-Ingenieur promoviert. Als Wissenschaftlicher Angestellter mit Oberingenieurfunktion befasste er sich vornehmlich mit den Gebieten der Verkehrsflussmodellierung, der Verkehrstechnik und der Verkehrssicherheit. In dieser Zeit begann sein intensives Engagement in Fachgremien, u. a. in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) oder beim Transportation Research Board (TRB) der USA. Bei der FGSV war er viele Jahre besonders im Arbeitsausschuss für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, dessen Leitung er im Jahr 2000 übernahm, engagiert. Im besagten Arbeitsausschuss wurden ab 1994 die Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen (EWS-97) entwickelt, die als erstes deutsches Regelwerk Treibhausgasemissionen inklusive eines Kostensatzes von 180 DM pro Tonne als Indikator für die negativen Folgen der Erderwärmung durch Klimagase enthielten.
1991 erfolgte der Eintritt in die Firmengruppe PTV Planung Transport und Verkehr, bei der er – wie einige seiner Ex-Kollegen vom IfV - leitende Tätigkeiten übernahm. Er war Geschäftsführer der damaligen PTV Consult GmbH, mit der er den noch heute für Global Research der PTV Group gültigen Anspruch begründete, durch Politikberatung und Forschungsprojekte die Software der PTV-Gruppe inhaltlich voranzubringen und somit die Entwicklung der Produkte zu fördern. Die PTV Consult GmbH residierte natürlich im höchsten Stockwerk, der Elfenbeinturm, wo er auch sein Büro mit dem entsprechenden Überblick von Pfälzerwald über die Rheinebene bis zum Schwarzwald hatte. Neue Mitarbeiter gewann er gerne durch die Frage: »Sind Sie flexibel?«.
Ruf an die Bauhaus-Universität Weimar
Der Freistaat Thüringen ernannte ihn 1997 zum Universitätsprofessor (C4) an der Bauhaus-Universität Weimar. Dort übernahm er die Leitung der Professur für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, wobei er auch die Mitvertretung des Lehrbereichs Straßenwesen und Straßenbautechnik übernahm. Von 1998 bis 2001 war er als Dekan und Prodekan der Fakultät Bauingenieurwesen maßgeblich an der Umsetzung des Bologna-Prozesses mit einem umfassenden Reformkonzept in der Lehre verantwortlich. Als erste deutsche Bauingenieurfakultät führte die Bauhaus-Universität Weimar Bachelor- und Masterstudienabschlüsse im Wintersemester 2001 ein.
Mit der TU Dresden gründete er 2003 das Qualitätsnetzwerk »Verkehrssicherheit in der Hochschullehre«, in dessen Rahmen Studierende gemeinsame Lehrveranstaltungen in Dresden und Weimar besuchen können. Diese Kooperation ist auch heute noch in den jeweiligen Studienplänen fest verankert.
»Seine Mitarbeitenden an der Professur Verkehrsplanung und Verkehrstechnik erlebten einen Chef, dessen Bürotür als Zeichen der Gesprächsbereitschaft weit offenstand und die er durch ein sonores „Kommen Sie, kommen Sie!“ dazu aufforderte einzutreten, sobald ein Teammitglied fragend ins Büro blickte«, schildern Prof. Dr. Christoph Walther (externer Lehrbeauftragter, PTV Group), Dr.-Ing. Alexander Dahl (PTV Planung Transport Verkehr AG) und Dipl.-Ing. Raimo Harder (Professur Verkehrssytemplanung). Daraufhin wurde am langen Besprechungstisch, dessen sorgfältig angeordnete Papierberge von der intensiven Korrespondenz mit der Fachwelt zeugten, Platz genommen, die Beine übereinandergeschlagen und mit meist unendlich erscheinender Geduld und großer Gelassenheit jedes Anliegen aus verschiedenen Blickwinkeln erörtert, um gemeinsam die nächsten Schritte zu planen. »Seine Art der Führung zeichnete sich durch seine Fähigkeit aus, Menschen zusammenzubringen, ihnen Vertrauen zu schenken und Perspektiven für den eigenen Weg aufzuzeigen, sie dafür in Position zu bringen und diesen dann mit hoher Eigenverantwortung gehen zu lassen« sind sich seine ehemaligen Mitarbeiter*innen und Studierenden einig.
Internationaler Austausch
Ulrich (genannt »Uli«) Brannolte war der Austausch und die Verständigung mit anderen Ländern sehr wichtig, er pflegte zahlreiche und intensive Kontakte. In Fortführung des Engagements von Prof. Dr.-Ing. Leutzbach, der - vom zweiten Weltkrieg geprägt - die Wissenschaft als wichtigen Impulsgeber für Verständigung und Frieden in der Verantwortung sah, initiierte er über Jahre zusammen mit den Präsidenten der BASt und weiteren Fachkolleg*innen einen intensiven Austausch mit russischen und ukrainischen Wissenschaftler*innen. 2007 wurde er von der Staatlichen Technischen Moskauer Universität für Automobil- und Straßenbau (MADI) zum Ehrenprofessor ernannt. Aber auch mit weiteren Ländern, wie z.B. Thailand, wurden Projekte und Promotionen realisiert. Dabei legte er großen Wert darauf, dass ein guter fachlicher Austausch immer den passenden Rahmen braucht: »Egal ob Betriebsausflüge, Weiterbildungskolloquien für ehemalige Studierende und Mitarbeitende, Schulungen für Sicherheitsauditoren von Straßen oder Besuchsdelegationen aus dem In- und Ausland: Neben einem fundierten fachlichen Programm wurde großes Augenmerk daraufgelegt, dass für das leibliche Wohl gesorgt war und ausreichend Zeit für Geselligkeit eingeplant wurde«.
Im Jahr 2013 war Prof. Brannolte Teil eines deutschen Konsortiums, das für die Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland den Masterplan Verkehr erarbeitete. Die prognostizierte Zahl von einer Million ausländischen Gästen anlässlich der sportlichen Großveranstaltung stimmte mit der später tatsächlichen festgestellten Zahl nahezu überein. Sein letztes berufliches Vorhaben führte ihn nach China: Für die Universität Ningbo konzipierte er im Jahr 2014 deren ersten englischsprachigen Masterstudiengang »Master Programme Transport« mit dem akademischen Abschluss »Master of Science«. Das Konzept basierte auf europäischen Qualitätsstandards für universitäre Masterstudiengänge und wurde von einer deutschen Akkreditierungsagentur ohne Auflagen auditiert.
Wieder am Tag seines Geburtstags nehmen wir in Weimar von ihm Abschied. Auf seine freundliche und beharrliche Art hat er vieles und uns bewegt.
Prof. Dr.-Ing. Uwe Plank-Wiedenbeck
Prof. Dr. Christoph Walther
Dr.-Ing. Alexander Dahl
Dipl.-Ing. Raimo Harder
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