Erweiterung der Schlierenverfahren zur genaueren Messung infektiöser Atemluft und darin enthaltener Aerosole
An der Professur Bauphysik der Bauhaus-Universität Weimar wurden in den letzten Jahren zwei verschiedene bildgebende Schlierenverfahren, nämlich das optische Schlierenverfahren mit dem Schlierenspiegel sowie das Background-Oriented Schlieren (BOS) Verfahren aufgebaut und weiterentwickelt, um neuartige Forschungsvorhaben in dem weitläufigen Gebiet der Raumluftströmungen voranzutreiben.
Das optische Schlierenverfahren besteht aus einem konkav gewölbten Schlierenspiegel, dessen Schliff die Präzision eines astronomischen Teleskopspiegels aufweist, einer Lichtquelle, optischen Komponenten sowie einer hochauflösenden Kamera. Die Bauhaus-Universität Weimar ist hierbei eine von vier Institutionen weltweit, die über ein sogenanntes Groß-Schlierensystem verfügt. Das BOS-System der Professur Bauphysik hingegen besteht aus einer unregelmäßigen Hintergrundstruktur, einer hochauflösenden Kamera, die das Messfeld aufzeichnet sowie Blitzlichtern, die die benötigte Helligkeit für die Aufnahmen bereitstellen. Dieses BOS-System der Professur Bauphysik zeichnet sich dabei durch seine hohe Auflösung über einen großen Messbereich aus.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurden die beiden Schlierenverfahren an der Professur Bauphysik eingesetzt, um die Ausbreitung der ausgestoßenen, potentiell infektiösen Atemluft in verschiedenen Szenarien, wie bspw. während der Ruheatmung oder beim Husten, sowie die Wirksamkeit verschiedener Masken zu untersuchen. Weitere spezifische Anwendungen beinhalteten die Untersuchung der Ausbreitung der Atemluft beim Spielen von Blasinstrumenten und beim Singen sowie bei sportlicher Betätigung auf einem Ergometer. Darüber hinaus wurden die Schlierenverfahren genutzt, um das Mikroklima des menschlichen Körpers zu untersuchen sowie innovative personalisierte Heiz-, Kühl- und Lüftungssysteme zu bewerten. Für die erfolgreiche Anwendung der Schlierenverfahren und das Aufzeigen und Visualisieren pandemierelevanter Lösungen wurde die Professur Bauphysik im Jahr 2021 mit dem Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Angewandte Forschung“ ausgezeichnet.
Um den Umfang der Anwendungsbereiche der Schlierenverfahren zu erweitern sowie die Qualität und Quantität der Ergebnisse weiterhin zu steigern, ist die Erweiterung um ein Messsystem, bestehend aus mehreren Bausteinen, erforderlich: eine Hochgeschwindigkeitskamera für das optische Schlierenverfahren, eine Kamerareihe für das tomographische BOS, ein aerodynamisches Partikelmessgerät (APS) und Aerosolgenerator, ein künstliches Lungensystem für das bereits vorhandene thermische Manikin, eine akustische Kamera sowie eine Thermografiekamera. Die Hochgeschwindigkeitskamera ermöglicht die Messung hochinstationärer Prozesse (bspw. Niesen) in hoher Auflösung. Aus diesen Aufnahmen sollen anschließend mit Hilfe von Bildanalysealgorithmen zusätzlich quantitative Daten extrahiert werden. Da jedoch das optische Schlierenverfahren das meist komplexe, dreidimensionale Strömungsfeld nur auf einer zweidimensionalen Ebene abbildet, soll die ebenfalls beantragte Kamerareihe für das tomographische BOS zur dreidimensionalen Rekonstruktion der Strömung eingesetzt werden. Somit kann auch auf absolute Messwerte innerhalb eines dreidimensionalen Strömungsfeldes geschlossen werden. Das Partikelmessgerät und der Aerosolgenerator ermöglichen es, die Ausbreitung von kleinsten Partikeln zu untersuchen. Die Aerosolgeräte werden dabei in Verbindung mit der künstlichen Lunge des thermischen Manikins zur genauen und reproduzierbaren Simulation der menschlichen Atmung eingesetzt. Um den Zusammenhang zwischen Aerosolproduktion, Lautstärke sowie Temperatur des menschlichen Körpers und Mikroklimas zu beurteilen, werden die akustische Kamera und die Thermografiekamera simultan eingesetzt. All diese Komponenten werden das Spektrum der mit den Schlierenverfahren durchgeführten Untersuchungen von Raumluftströmungen massiv erweitern. Durch diese Erweiterung werden neben der zukünftig hochaufgelösten und dreidimensionalen Strömungsvisualisierung auch die anderen Parameter, die Kreuzinfektionen begünstigen, bewertet werden können, sodass ein holistisches Verständnis aller beteiligten Variablen generiert werden kann.
Fördermittelgeber:
Thüringer Aufbaubank, im Auftrag des Freistaates Thüringen, vertreten durch das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Die Förderung erfolgt mit Mitteln der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE-Programm 2021-2027 Thüringen) sowie aus Landesmitteln nach der Richtlinie zur Förderung und Forschung (FTI-Thüringen FORSCHUNG). (Förderquote 90%). Öffentliche Eigenmittel (Förderquote 10%).
Projektlaufzeit:
09/11/2022 – 31/12/2024
Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Hayder Alsaad
Tel.: +49 (0) 36 43 / 58 47 44