h2well-compact

Wasserstoff mit Wasserkraft aus der Ilm

Projekttitel:
Kompaktes Wasserstoffversorgungssystem für dezentrale Mobilitätsanwendungen – h2well-compact

Fördernde Einrichtung:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Projektdauer:
01.06.2021 – 30.06.2024

Leiter des Projekts:
Prof. Dr. Mark Jentsch

Projektpartner:
An dem Vorhaben sind neben der Professur Energiesysteme der Bauhaus-Universität Weimar die WIR!-Bündnispartner Kyros Hydrogen Solutions GmbH, Energieversorgung Apolda GmbH, Fraunhofer IKTS Hermsdorf, Höschel & Baumann Elektro GmbH, Imaginata e.V., IMG Electronic & Power Systems GmbH, MAXIMATOR GmbH und Rießner-Gase GmbH beteiligt. Assoziierte Partner sind die Stadt Apolda, die eurocylinder systems AG und das EnviroConsult Ingenieurbüro.

Am Projekt beteiligte Personen der Professur:
Saskia Wagner M.Sc., Nicole Meyer M.Sc.

Projektbeschreibung

Im Forschungsvorhaben h2well-compact wurde die dezentrale Wasserstofferzeugung für Anwendungen in der Mobilität erprobt. Die Bauhaus-Universität Weimar war für die Gesamtkoordination des Vorhabens verantwortlich, an dem insgesamt neun Partner an der Entwicklung und Realisierung eines grünen H2-Versorgungssystems für dezentrale Anwendungen arbeiteten. Das durch das BMBF im Rahmen des WIR!-Bündnisses h2-well Wasserstoffquell- und Wertschöpfungsregion Main-Elbe-LINK geförderte Vorhaben wurde in Apolda umgesetzt. Die Kreisstadt des Weimarer Landes sollte hierbei Vorbild werden für Orte mit ähnlichen Voraussetzungen für die lokale Wasserstofferzeugung und dessen Nutzung in der Mobilität. Abbildung 1 fasst das Konzept des Projektes h2well-compact zusammen.

Abb. 1 - Schaubild des integrierten Gesamtsystems zur dezentralen Wasserstofferzeugung an einer Kleinwasserkraftanlage mit Transportlogistik und Wasserstoffnutzung durch regionale Anwender.

H2-Erzeugung unter den spezifischen Bedingungen kleiner erneuerbarer Energieanlagen

Ein Ziel in h2well-compact war es, einen PEM-Druckelektrolyseur auf die besonderen Bedingungen von kleinen Erneuerbare-Energien-Anlagen anzupassen. Am Beispiel der Kleinwasserkraftanlage in Oberroßla wurden hierfür mögliche Ansätze zur Systemdimensionierung von Elektrolyseanlagen im Zusammenspiel mit fluktuierender Energie aus erneuerbaren Quellen eruiert. Da keine langjährigen Daten zur Stromeinspeisung der Kleinwasserkraftanlage in Oberroßla an der Ilm vorlagen, wurde durch die Professur Energiesysteme auf Basis von langjährigen Durchflussdaten der etwas flussaufwärts gelegenen Pegelmessstation Mellingen ein theoretischer Ansatz zur Ableitung eines Leistungsprofils der durchschnittlichen täglichen elektrischen Turbinenleistung in den Jahren 2000 - 2020 entwickelt. Die so erhaltenen Daten wurden außerdem mit weiteren Durchflussdaten der flussabwärts gelegenen Pegelmessstation Niedertrebra abgeglichen. Die grundlegende Anwendbarkeit der theoretischen jährlichen Leistungsprofile konnte mit Hilfe von Realleistungsdaten der Energienetze Apolda zur Netzeinspeisung der Kleinwasserkraftanlage im Zeitraum vom 01.05.2014 bis zum 23.09.2021 nachgewiesen werden. Abbildung 2 zeigt, dass die theoretische Einspeiseleistung der Kleinwasserkraftanlage zwischen keiner Einspeisung in Trockenperioden, d.h. 0 kW (dunkelblaue Bereiche) und maximal ca. 70 kW (dunkelrote Bereiche) schwankt. In den Sommermonaten erreicht die Wasserkraftanlage aufgrund des geringeren Wasserdargebots der Ilm eine niedrigere Turbinenleistung als im restlichen Jahresverlauf. Besonders in den Sommermonaten der vergleichsweise trockenen Jahre 2003, 2018 und 2019 konnte die Wasserkraftanlage für längere Zeiträume gar keinen Strom einspeisen. Des Weiteren kommt es, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, in einzelnen Jahren in den Winter- und Frühjahrsmonaten zu Leistungseinbußen oder auch zu vollständigen Betriebsausfällen aufgrund eines zu großen Wasserdargebots.

Abb. 2 - Theoretische erwartete durchschnittliche tägliche Turbinenleistung der Kleinwasserkraftanlage in Oberroßla bei Apolda, sortiert nach Kalenderjahren

Mit Hilfe der theoretischen jährlichen Leistungsprofile der Kleinwasserkraftanlage wurde ermittelt, dass die installierte Leistung des Elektrolysestacks am Standort Oberroßla 25 kW nicht übersteigen sollte, um eine ausreichende Anzahl an Betriebsstunden (Volllaststunden) zu gewährleisten. Diese Größenordnung der Stackleistung entsprach hierbei der Elektrolyseurzielgröße, die durch den Projektpartner Kyros Hydrogen Solutions angestrebt wurde, um die im Gesamtvorhaben vorgesehene H2-Versorgungsaufgabe zu gewährleisten. Abbildung 3 zeigt das theoretische Wasserstofferzeugungspotential an der Kleinwasserkraftanlage pro Tag und Jahr bei der empfohlenen installierten Leistung des Elektrolysestacks von 25 kW unter der Annahme, dass noch 8 KW Leistung für Peripheriegeräte mit hinzukommen. Sofern der Elektrolyseur unter Volllast betrieben werden kann, können nach dieser Rechnung pro Tag ca. 10 kg Wasserstoff erzeugt werden (dunkelgrüne Bereiche). Allerdings ergeben sich anhand der bereits in Abbildung 2 aufgezeigten Zeiten ohne Stromerzeugung an der Wasserkraftanlage auch längere Zeiträume, in denen keine Wasserstofferzeugung möglich ist (dunkelrote Bereiche). Die höchste Anzahl an Tagen ohne Wasserstofferzeugung ergibt sich für das Jahr 2018 mit knapp 100 Tagen. (2018 war das trockenste Jahr im Betrachtungszeitraum.) Für den im Projektzeitraum von h2well-compact in den angesetzten Probebetrieb im Frühjahr konnte jedoch, wie Abbildung 3 zeigt, in der Regel von der Möglichkeit eines Volllastbetriebs des Elektrolyseurs ausgegangen werden.

Abb. 3 - Theoretisches tägliches H2-Erzeugungspotenzial an der Kleinwasserkraftanlage in den Jahren 2000 bis 2020 unter Verwendung eines 25 kW Elektrolysestacks (Peripherie: 8 kW)

Die Umsetzungsarbeiten am Elektrolysestandort an der Kleinwasserkraftanlage begannen Ende des Jahres 2022. Für die Aufstellung des PEM-Druckelektrolyseurs und des zugehörigen H2-Primärspeichers wurden eine Zaunversetzung, ein Bodenaustausch und Leerrohrverlegungen durchgeführt, sowie die Punktfundamente für den Elektrolysecontainer hergestellt. Abbildung 4 zeigt die auf dem Gelände der Kleinwasserkraftanlage umgesetzte Gesamtanlage bestehend aus: Turbinenhaus (grünes Gebäude), Elektrolyseur (hellgrauer Container), Verdichtungseinheit (graue Blechhütte) und Primärspeicher. Planerisch umgesetzt und koordiniert wurden die Arbeiten durch die Professur Energiesysteme.

Abb. 4 - Umgesetzte Anlagen am Elektrolysestandort auf dem Gelände der Kleinwasserkraftanlage in Oberroßla.

Wasserstoff für eine neu entwickelte H2-Betriebstankstelle

Ziel des Vorhabens war es, den treibhausgasneutral erzeugten Wasserstoff an eine neuartige Betriebstankstelle zu liefern, deren Prototyp in h2well-compact entwickelt wurde. An diesem Tankstellentyp, der an der Vereinsbrauerei Apolda erprobt wurde, sollen Brennstoffzellenfahrzeuge in Zukunft günstiger tanken können, denn dank einer Hochdruckspeicher-Kaskade können die Wasserstoffdrucktanks der Fahrzeuge per Überströmen befüllt werden, ohne dass ein vor Ort installierter Verdichter zur Komprimierung des Gases notwendig wäre. Da die Verdichtung ein signifikanter Kostenpunkt bei konventionellen H2-Tankstellen ist, kann dieses Konzept dabei helfen, Betriebstankstellen wirtschaftlicher zu gestalten. Im Rahmen von h2well-compact wurde für den Probebetrieb der H2-Tankstelle ein Brennstoffzellen-Gabelstapler betankt. Dessen H2-Bedarf wurde mit 3,3 kg Wasserstoff pro Betriebstag ermittelt.

Mobile Speicherung und Verdichtung für die flexible Wasserstoffauslieferung

Für die Auslieferung des Wasserstoffs konzipierten die Projektpartner eine mobile Speicherlösung, die über einen on-board-Verdichter verfügt, um die Hochdruckspeicher an der Tankstelle zu befüllen. Der mobile Verdichter hat die Dauerlauftests erfolgreich abgeschlossen und wurde Ende 2023 in eine Wechselbrücke integriert und 2024 Tests im Realbetrieb unterzogen. Mit dieser flexiblen Lösung können unterschiedliche Abnehmer, so zum Beispiel auch Industrieunternehmen, mit Wasserstoff beliefert werden. So soll die dem Projekt h2well-compact zugrundeliegende Vision verwirklicht werden, ein grünes H2-Versorgungskonzept mit kurzen und flexiblen Logistikketten zu konzipieren, von dem mehrere Infrastruktur- und Wirtschaftsbereiche profitieren.

h2well-Dimensionierungstool

Exemplarische Screenshots aus dem h2-well Dimensionierungstool für das Wasserstoffversorgungssystem im Projekt h2well-compact

Mit dem im Rahmen von h2well-compact durch die Professur Energiesysteme entwickelten h2well-Dimensionierungstool kann ein Wasserstoffversorgungssystem für Mobilitätsanwendungen von der Erzeugung bis zur Abnahme dimensioniert werden. Für die Dimensionierung werden Stromquellen für die Versorgung der Elektrolyse, der Wasserstoffbedarf für die Betankung der betrachteten Fahrzeuge, notwendige Wasserstoffspeichergrößen sowie – sofern erforderlich – der Transport des Wasserstoffs betrachtet. Durch die diversen Kombinationsmöglichkeiten können mithilfe des Tools verschiedenste Szenarien zur Wasserstoffversorgung einer Fahrzeugflotte realisiert werden.

Aus den eingegebenen Daten und Informationen errechnet das h2well-Dimensionierungstool automatisch auf Basis einer Elektrolyseurdatenbank Zielgrößen für die installierte Elektrolyseleistung, die benötigten H2-Speicherkapazitäten an den Elektrolysestandorten und Tankstellen sowie die Routen und Mengen für die ggf. erforderliche Transportlogistik zwischen den einzelnen Standorten. Die Ergebnisse werden abschließend automatisiert in einem pdf-Report zusammengefasst und entsprechend graphisch aufbereitet zur Verfügung gestellt. Das h2well-Dimensionierungstool besitzt folgende Funktionalitäten:

(a) Dateneingabemöglichkeiten

  • Nutzereingabe von bis zu 3 Standorten mit jeweils bis zu 3 bestehenden Erneuerbaren-Energien-Anlagen unter Einlesen von Leistungsdaten für jeweils mindestens 1 Kalenderjahr pro Anlage
  • automatisierte Auslegung einer neuen Photovoltaikanlage an einem vom Nutzer gewählten Standort zur Versorgung eines Elektrolyseurs mit Strom
  • Definition einer Stromversorgung über den Netzbezug (ggf. in Ergänzung zu den eingegebenen Erneuerbaren-Energien-Anlagen)
  • Definition von bis zu 3 H2-Tankstellenstandorten mit der Möglichkeit zur Eingabe verschiedener zu betankender Fahrzeugtypen (Bus, Lkw, Abfallsammelfahrzeug, Pkw, Gabelstapler, Hubwagen, Zug) in verschiedenen Zusammensetzungen bzw. täglichen Betankungszyklen
  • Nutzerdefinition und Standortbestimmung von bis zu 3 Elektrolyseanlagen inklusive Zuordnung von Stromquellen zu diesen Anlagen
  • Befüllung der Datenbanken für Elektrolyseure, H2BZ-Fahrzeuge und Transportsysteme mit eigenen nutzerdefinierten Einträgen in Ergänzung zu den dort bereits vorhandenen Einträgen

(b) Dimensionierungsrechnungen

  • Ermittlung der für die Versorgungsaufgabe am besten geeigneten Elektrolyseanlage(n) auf Basis der Datenbankeinträge für Elektrolyseure und der durch den Nutzer bestimmten Stromversorgung
  • Dimensionierung des H2-Primärspeichers an der jeweiligen Elektrolyseanlage und des H2-Speichers an der jeweiligen Tankstelle
  • Ermittlung der für die Versorgungsaufgabe geeignetsten mobilen H2-Transportlösung inklusive Bestimmung der Fahrtdistanzen, Routen, Tourenanzahl und Gesamtfahrleistung

(c) Datenausgabemöglichkeiten

  • direkte Darstellung wesentlicher Rahmendaten und Diagramme des dezentralen Wasserstoffversorgungssystems im Menüband der Ergebnisübersicht des Planungswerkzeugs
  • Ausgabe der Eingaben und Dimensionierungsergebnisse für das Versorgungssystem in einem pdf-Report mit zusätzlichen Erklär- und Hinweistexten (Ein Reportbeispiel, das für das Wasserstoffversorgungssystem im Vorhaben h2well-compact erstellt wurde, erhalten Sie → hier)
  • Speichern und späteres Weiterbearbeiten bzw. Ändern von Dimensionierungsprojekten

Weitere Informationen zur Installation und Anwendung erhalten Sie im Begleitdokument zum h2well-Dimensionierungstool. → Begleitdokument herunterladen

Um den Download-Link für das h2well Dimensionierungstool zu erhalten, wenden Sie sich bitte an energie[at]bauing.uni-weimar.de.

Veröffentlichte Arbeiten

Wagner S, Jentsch MF (2023)
Verfahrensleitfaden für die Planung dezentraler Wasserstoffinfrastruktursysteme für Mobilitätsanwendungen → Beitrag anzeigen

Wagner S, Jentsch MF, Meyer N, Büttner S (2022)
Standortplanung von dezentralen H2-Erzeugungsanlagen an Erneuerbaren-Energie-Anlagen am Beispiel einer Kleinwasserkraftanlage29. REGWA Energiesymposium, Stralsund, 09-11 November 2022, 262-271. → Beitrag anzeigen

Meyer N, Jentsch MF, Wagner S (2022)
Entwicklung eines Dimensionierungswerkzeugs für die überschlägige Auslegung dezentraler Wasserstofferzeugungs- und Verbrauchsinfrastrukturen für die H2-Mobilität, 29. REGWA Energiesymposium, Stralsund, 09-11 November 2022, 153-162. → Beitrag anzeigen