energy4CHP

Ganzheitliche Wärmeversorgungslösung mit H2

Projekttitel:
energy4CHP - CO2-neutrale Energieversorgung in energieintensiven Gewerbebetrieben – Wasserstoffbasierte Sektorenintegration in der Wärme- und Strombereitstellung

Fördernde Einrichtung:
Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR)

Projektdauer:
01.06.2023 – 31.12.2025

Leiter des Projekts:
Prof. Dr. Mark Jentsch

Projektpartner:
An dem Vorhaben ist neben der Professur Energiesysteme der Bauhaus-Universität Weimar der WIR!-Bündnispartner Wissenschaftlich-Technisches Zentrum für Motoren- und Maschinenforschung Roßlau gGmbH beteiligt. Die Hyrican Informationssysteme AG tritt als assoziierter Partner auf.

Am Projekt beteiligte Personen der Professur:
Artjom Kolwa M.Sc., Dipl.-Ing. Christian Gebhardt-ScholzBenjamin Breuer M.Sc.Kaspar Schmädicke B. Sc., Nicole Meyer M. Sc.

Projektbeschreibung

Im Rahmen des Verbundvorhabens soll ein steuerungs- und regelungstechnisch integriertes Gesamtsystem zur CO2-neutralen Energieversorgung der Versuchshallen des Forschungsunternehmens WTZ Roßlau gGmbH mit Elektrizität und Wärme entwickelt, umgesetzt und erprobt werden. Der Fokus liegt hierbei auf der technischen Integration einer Elektrolyseanlage und eines Bifuel-ArgonPowerCycle (APC) BHKW, das konventionell mit Erdgas und Umgebungsluft oder mit Wasserstoff und reinem Sauerstoff im Kreislaufsystem betrieben werden kann, mit einer Photovoltaikanlage sowie einer Wasserstoffspeicherinfrastruktur und einem Bodenwärmespeicher mit Wärmepumpe. Darüber hinaus umfasst das Vorhaben die Entwicklung eines geeigneten Sauerstoffspeichersystems sowie die regelungstechnische Integration der Gesamtanlage mit dem Wasserstoffspeicher und der bereits bestehenden Photovoltaikanlage. Des Weiteren soll über eine geothermische Bohrung in den Boden die Einspeicherung von Prozesswärme ermöglicht werden. Mit dieser dezentralen Lösung zur Energieversorgung soll eine umsetzungsfähige Alternative zur Versorgung mit Strom und Wärme auf Basis eines Erdgas-BHKW aufgezeigt werden, um die Versorgungssysteme für Erdgas zukünftig zu entlasten.

Das Teilvorhaben der Bauhaus-Universität Weimar übernimmt hierbei Aufgaben in der grundlegenden Datenermittlung, Aufstellung von Betriebsszenarien, Planung, Modellierung und Simulation des Gesamtsystems sowie der Entwicklung eines gemeinsamen Lasten- und Pflichtenhefts für den Probebetrieb der Anlagenkomponenten im Verbund. Zentrales Entwicklungsziel ist hierbei die Konzeption, technische Umsetzung und Erprobung einer „thermodynamischen Weiche“ für verschiedene Wärmequellen zur Wärmebereitstellung in Gebäuden. Darüber hinaus sollen eine grundlegende EMSRtechnische Konzeption inklusive KI-basierten Prognosen für den Anlagenbetrieb aufgestellt, ein thermisches Bodenmodell für Fundamentwärmespeicher entwickelt und die wissenschaftlichen Grundlagen für eine Auslegungs- und Berechnungssoftware für Multi-Energy-Storage-Systemlösungen zur intelligenten Integration von erneuerbarer Elektrizitäts- und Wärmeversorgung geschaffen werden. Das Teilvorhaben beinhaltet weiterhin die Umsetzung der Prozessdatenspeicherung und -aufbereitung sowie die Auswertung der Messdaten aus dem gemeinsamen Probebetrieb sämtlicher Anlagenteile der Verbundpartner mit einer Validierung der erreichten Zielparameter. Dies dient dazu, um das EMSR-System und die KI-Prognosen zu optimieren sowie um das System und seine Komponenten in ihrer Übertragbarkeit auf verschiedene Unternehmen des produzierenden Gewerbes zu bewerten.  Abbildung 1 fasst das Konzept des Projektes energy4CHP zusammen.

Abb. 1 - Schaubild des integrierten Gesamtsystems

Projektverlauf

Im Zuge der Projektbearbeitung wurden Änderungen des ursprünglich geplanten Gesamtsystemaufbaus beim Projektpartner erforderlich. Die zunächst geplanten geothermischen Bohrungen konnten genehmigungsbedingt nicht umgesetzt werden.

Konzeption und technische Umsetzung des Fundamentwärmeübertragers:

Um den Innovationsgehalt dennoch hoch halten zu können, wurde eine neue Lösung eines entsprechenden Wärmespeicherkonzepts erarbeitet – ein Fundamentwärmeübertrager, veranschaulicht in der nachfolgenden Skizze.

Abb. 2 - Skizze mit Messtellenübersicht des Ende 2024 am Standort Dessau-Roßlau installierten Fundamentwärmeübertragers

Der Fundamentwärmeübertrager ist vom darunterliegenden Boden thermisch nicht getrennt, weshalb die (Gesamt)-Wärmespeicherkapazität größer als die des reinen Bauteils ausfällt. Zu den Seiten und nach oben wurde das Bauteil durch 100 mm starke XPS-Wärmedämmplatten thermisch weitgehend entkoppelt.

Zur Untersuchung der Wärmeströme wurden, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Betonelements, 20 Thermoelemente in verschiedenen Tiefen verlegt. Hinzu kommt eine Messstelle, um Grundwasserstand und -temperatur zu ermitteln.

Das 10 x 2,5 x 0,3 Meter messende Bauteil wurde Ende 2024 beim Projektpartner errichtet. 

Abb. 3 - Fundamentwärmeübertragerelement - vorbereitet für die Betonage

Infolge der Systemanpassung kam es zu einer deutlichen Reduzierung des zu erwartenden Speichervermögens des Fundamentwärmespeichers. Um jedoch weiterhin einen in sich konsistenten Gesamtsystemaufbau der Demonstratorumgebung zu gewährleisten, wurde eine neue Bilanzgrenze für den Testbetrieb des Wärmeverteilsystems festgelegt – ein eigens hergerichtetes Gebäude, die „energy Station“ mit Leitwarte, Motor- und Elektrolyseprüfstand sowie Heiz- und Wärmeverteilungszentrale.

Abb. 4 - Gesamtlayout der „energy Station“

Diese wurde als 3-Zonen-Simulationsmodell abgebildet und die zu erwartende jahreszeitabhängige Heizlast ermittelt.

Die Modellierung erfolgte für zwei unterschiedliche Szenarien hinsichtlich der energetischen Qualität der Gebäudehülle – Variante 1, welche den Ist-Zustand ohne Dämmung der Außenwände widerspiegelte und Variante 2, in welcher die Analysen unter Berücksichtigung einer nachträglichen Dämmung der Außenwände mit 50 mm erfolgten.

Abb. 5 - Visualisierung des Simulationsmodells
Abb. 6 - Simulationsergebnisse der maximal zu erwartenden Heizlasten in Abhängigkeit der energetischen Qualität der Gebäudehülle

Als Folge der Untersuchungen wurde für den weiteren Projektverlauf projektintern festgelegt, dass Variante 1 (ohne Dämmung der Außenwände) als lastdynamischer angesehen werden kann und sich somit besser für die weiteren Untersuchung im Zuge des Projekts anbietet.

Konzeption und technische Umsetzung der „thermodynamischen Weiche“

Das final erarbeitete Konzept beschreibt ein toroidales Wärmeverteilungsnetzwerk, bestehend aus Knotenpunkten, wobei jeder Knotenpunkt mit jeweils 4 weiteren Knotenpunkten verknüpft ist. Durch die Verwendung einer Vielzahl an Knotenpunkten und deren Verknüpfung lässt sich ein mehrdimensionales Gebilde, ein sogenanntes Torus-Netzwerk aufbauen, welches generell Anwendung in der parallelen Verschaltung von Computerprozessoren findet (siehe nachfolgende Abbildung 6). Bei der Planung und Konstruktion des Wärmeverteilungsnetztes wurde der Torus aufgeklappt, sodass eine 2D-Ebene entstand. Dies hatte zum einen den Vorteil der einfacheren Fertigung, und zum anderen, kann diese Ebene verwendet werden, um mit Hilfe der Thermografie unterschiedliche Wärmestrompfade zu untersuchen.

Abb. 7 - Weiche in 3D-Ansicht (torus-network) & Weiche als 2D-Modell

Mit Hilfe dieses multivalenten, mehrdimensionalen Netzwerks lassen sich innerhalb dessen unterschiedliche Fluidkreisläufe aufbauen, welche wiederum dynamisch miteinander verschaltet werden können (siehe nachfolgende Abbildungen).

Abb. 8 - Zwei Beispielverschaltungen mehrerer, getrennter Kreisläufe

Durch die Abbildung mehrerer interner Kreisläufe innerhalb des Wärmverteilungsnetzes lassen sich Wärmeströme unterschiedlicher Temperaturniveaus effektiv miteinander verschalten. Das Wärmemanagement der Versuchsumgebung wird dabei durch die folgenden Quellen/Senken definiert: 

  • Erdreich, welches sowohl als Wärmequelle als auch -senke verwendet werden kann. Die Wärmeein- bzw. -auskopplung aus dem Erdreich erfolgt dabei mit Hilfe des zuvor vorgestellten Fundamentwärmeübertragers. Um die entzogene Wärme auf das entsprechend benötigte Niveau der Gebäudebeheizung anzuheben, wird eine Sole-Wasser-Wärmepumpe verwendet.
  • Umgebungsluft, welche sowohl als Wärmequelle als auch -senke verwendet werden kann. Die Wärmeein- bzw. -auskopplung aus der Umgebungsluft erfolgt dabei mit Hilfe eines Rückkühlers. Um die entzogene Wärme auf das entsprechende Niveau anzuheben, wird eine Sole-Wasser-Wärmepumpe verwendet.
  • BHKW, welches als Wärmequelle verwendet werden kann. Dabei wird die Wärme bereits auf einem hohen Temperaturniveau bereitgestellt. Erfolgt der Betrieb des BHKW stromgeführt, so kann die Kühlung des BHKWs direkt mit dem Rückkühler erfolgen.
  • Elektrolyseur (ggf. LOHC-System), welcher als Wärmequelle verwendet werden kann. Die Wärme wird dabei auf einem mittleren Temperaturniveau bereitgestellt, welche wiederum dazu verwendet werden kann, den COP (Coefficient of Performance) der Wärmepumpe zu verbessern, indem der Solevorlauf (ggf. der Heizwasserkreis-Rücklauf) entsprechend in der Temperatur angehoben wird, bevor dieser in die Wärmepumpe eintritt.
  • Wärmespeicher, welcher sowohl als Wärmequelle als auch -senke verwendet werden kann. Der Wärmespeicher kann dabei Wärme unterschiedlicher Temperaturniveaus aufnehmen und abgeben, je nach Dargebot und Bedarf. Dabei handelt es sich um einen konventionellen Kurzzeit-Warmwasserspeicher (Pufferspeicher).
  • Gebäuderäume, welche sowohl als Wärmequellen als auch -senken charakterisiert werden können. Ein zu warmer Prüfstandsraum kann dabei bspw. als Quelle verwendet werden. Primär werden die Räume durch die Beheizung aber als Wärmesenken angesehen. Die Wärmeübertragung an die Räume erfolgt dabei mit Hilfe von Luft-Wasser-Heizregistern bzw. konventionellen Heizkörpern.

Die Ein- und Auskopplung verschiedener Wärmeströme in das bzw. aus dem Wärmeverteilungsnetz erfolgt mit Hilfe von konventionellen Wärmeübertragern was den Umgang mit mehr als nur einem Fluidstrom (z.B. Kühlflüssigkeit, Sole, Heizungswasser, Trinkwasser, etc.) ermöglicht - dargestellt in nachfolgendem Schema.

Abb. 9 - Prinzipschema zur Ein- und Auskopplung von Wärmeströmen

Die Innen- und Außenkreise dienen der Fluidförderung, sowie der Wärmeein- bzw. -auskopplung in das bzw. aus dem Wärmeverteilungsnetz. Die Umverteilung der thermischen Energie (Wärme) zwischen den einzelnen Quellen bzw. Senken erfolgt dabei innerhalb des Wärmeverteilungsnetzes. Stellventile verschalten dabei interne Kreisläufe entsprechend der optimalen Betriebsstrategie - dargestellt in nachfolgendem Schema.

Abb. 10 - Prinzipschema des Wärmeverteilungsnetzes

Für die detaillierte konstruktive Umsetzung des Konzepts wurde ein Zeichnungssatz sowie entsprechende Materiallisten erstellt. Der Gesamtzusammenbau kann dabei den nachfolgenden Abbildungen entnommen werden.

Abb. 11 - Modell von Ende 2024 und Umsetzung in der Heiz- und Wärmezentrale der „energy Station“ beim Projektpartner Anfang 2025

EMSR-Konzept

Im Rahmen der EMSR-Technik (Messen, Steuern und Regeln) wird das Wärmeverteilungssystem mithilfe einer Wago-SPS (Speicherprogrammierbaren Steuerung) überwacht und gesteuert. Unterschiedliche Sensoren erfassen dabei Temperaturen, Systemdrücke, Durchflussraten und den Wasserstand im Gelände des Fundamentwärmeübertragers (über eine Pegelsonde). Die von der SPS ausgelesenen und ausgewerteten Messwerte der thermodynamischen Weiche werden anschließend gebündelt und per TCP/IP, Modbus bzw. MQTT an ein übergeordnetes Datenmanagement- und Steuerungssystem übertragen (Raspberry Pi mit Home Assistant) – dargestellt im nachfolgenden Schaubild.

Abb. 12 - EMSR-Struktur für die Regelung, Steuerung und Messdatenspeicherung des Wärmeverteilungsnetzes

Zusätzlich zur SPS der Weiche steht die Home Assistant Instanz im Austausch mit der Wetterstation sowie den übrigen Komponenten des Wärmeversorgungsnetzes (BHKW, Elektrolyseur, LOHC, Wärmepumpe, LoRa-Station).

Basierend auf den empfangenen Messdaten erfolgt die Evaluierung der jeweiligen Betriebsszenarien infolge einer mittels Node-RED implementierten intelligenten Steuerungslogik. 

Abb. 13 - Schaubild der Node-RED Implementierung zur Steuerung der Betriebsszenarien

Die smarte Energiesteuerung und Interaktion der einzelnen EMSR Komponenten lässt sich wie im nachfolgenden Schema dargestellt zusammenfassen.

Abb. 14 - Schaubild der Gesamtsystemintegration der Energiesteuerung und der Interaktion der einzelnen EMSR Komponenten

Ausblick

Für das 2. Quartal 2025 ist eine erste Teilinbetriebnahme des Wärmeversorgungssystems mit Wärmepumpe, Rückkühler, Fundamentwärmeübertrager, Pufferspeicher und thermodynamischer Weiche geplant.