»In Zeiten, in denen der Arbeitsalltag von Designer*innen größtenteils von Pixeln und Vektoren geprägt ist, war es das Ziel des Projekts, gängige Design-Tools vorherrschender Software-Unternehmen zu hinterfragen und den Blick bewusst auf andere, unkonventionellere Designmethoden zu lenken«, erklärt Stefanie Schwarz, unter deren Leitung das Projekt im Sommersemester 2020 startete.

In der ersten Projektphase erforschten die Studierenden, welche Materialien und Werkzeuge zur Generierung (typo-)grafischer Formen brauchbar sind und inwiefern daraus Schriftformen herausgelesen werden können. Verschiedenste Utensilien wurden dabei zu Schreib-, Form- und Druckwerkzeugen umfunktioniert, wie beispielsweise ein Handrührgerät, ein Kamm, mit Messer und Gabel dick aufgetragene Margarine oder die perforierte Abrisskante einer Briefmarke. Auch die Zwischenräume von Seifenblasen und die von einem Spektrogramm erzeugten Linien wurden auf ihr typografisches Potential hin untersucht und als Grundlage für neue Schriftformen hergenommen.

Im weiteren Gestaltungsprozess analysierten die Studierenden die für die jeweiligen Werkzeuge charakteristischen Formen und stellten sich die Frage, in welchem Maße diese in den digitalen Schriftentwurf einfließen – ganz subtil und nur im Detail oder ausdrucksstark und offensichtlich. Darüberhinaus entwickelten die Designer*innen Plakate und Broschüren, um Hintergrund und potentielle Anwendungen ihrer Fonts zu präsentieren.

Die Vielfalt der gewählten Werkzeuge, der spielerische Umgang mit den Ergebnissen und die Offenheit, alles Mögliche und Unmögliche typografisch zu reinterpretieren, führte den Studierenden klar vor Augen, dass es lohnenswert ist, sich bewusst auf die Suche nach neuen, alternativen Tools zu begeben, um eigenständige, individuelle Type Designs zu schaffen, die sich jenseits des visuellen Mainstreams bewegen.

Die große Bandbreite der Resultate wurde im folgenden Semester von einer Studierendengruppe, ebenfalls unter der Leitung von Stefanie Schwarz, in die nun vorliegende Publikation transferiert. Die Gestaltung und Realisierung übernahmen die Studierenden Eva Richter, Anouk Felscher, Lynn Rosa Haag, Finn Röhmer-Litzmann und Amelie Knoblich. Als Leitmotiv diente das Medium des Werkzeugkoffers. Die Publikation umfasst 16 einzelne Hefte, á 12 Seiten, auf denen das Konzept, Experimente, Details, eine Übersicht des Zeichensatzes, sowie die gestalteten Plakate zur jeweiligen Schrift zu sehen sind. Die Ringmechanik in Kombination mit der Ringösen-Heftung erlaubt es, die einzelnen Hefte herauszunehmen. Dies gleicht der Entnahme von Werkzeug aus einem Werkzeugkoffer und stellt einen weiteren Bezug zur Tätigkeit von Designer*innen dar, die in ihrem Berufsalltag ebenso Schriften als Werkzeuge auswählen und anwenden.

Die knapp 200 Seiten starke Publikation wurde in den zwei Druckverfahren »Risographie« und »Offset«, jeweils zweifarbig, mit Unterstützung von Jörg von Stuckrad in der Druckwerkstatt der Bauhaus-Universität Weimar vervielfältigt.