Projekte der Professur

95 THESEN ZUR KUNST

Ein Kompass zur Desorientierung

In öffentlichen zugänglichen Bereichen der Hochschule wird seit Januar 2019 wöchentlich eine neue These der Kunst angeschlagen. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Manifesten, Handlungsanweisungen, Slogans, Denkansätzen, Forderungen, Lebenskonzepten, Selbstversuchen und Visionen aus der Geschichte und Gegenwart der Kunst (und anderer Bereiche).
Die 95 Thesen sind kein homogenes Material, das uns einen Weg weisen würde, wie wir uns im Universum der Kunst orientieren können. Sie sind der Stachel im Fleisch. Kaum haben wir uns eine Sichtweise zu eigen gemacht, wird sie in der kommenden Woche möglicherweise widerlegt.
Ein Experiment zum Selber denken.

Konzeption:
Jana Gunstheimer
Tom Ackermann

Satz:

Adrian Palko
Andreas Bortholamedi

Siebdruck:

Max Roßner

IRRE@bauhaus

Institut für regionale Realitätsexperimente

IRRE ist ein künstlerisches Institut für regionale Realitätsexperimente. IRRE sind die Prognosen, Methoden, Ergebnisse, die zu untersuchenden Dinge, die Wahl der Mittel und die Orte, an denen geforscht wird. Das Institut ist ein utopischer Raum. Jeder kann ihn konstituieren, formen und verändern. Es gibt keine unbeugsame Realität.
Seit dem vergangenen Jahr arbeite ich intensiv zusammen mit den Studierenden an der Ausrichtung dieses Instituts, das ganz klar von unten entstehen soll und das ich als partizipative Ergänzung des von oben strukturierten Studienalltags verstehe. Das Institut bildet einen Rahmen für die Zusammenarbeit mit wechselnden Partnern innerhalb und außerhalb der Universität, die sich auf unterschiedliche Weise mit Themen auseinandersetzen, die uns beschäftigen: neue Arbeitsformen, politische Umgruppierungen, überhaupt: das Zusammenleben von Individuen in der Gesellschaft, ihre Organisation, ihre Werte, Normen, Bräuche, die ständigen Veränderungen unterworfen sind. Wir betreiben Symptomforschung an der Gesellschaft. Das machen wir aber nicht als Soziologen, sondern als Künstler*innen mit unseren ganz eigenen Methoden.
Um einen Rahmen abzustecken, haben wir in diesem Semester Gäste eingeladen, die in Bereichen arbeiten, die für die Arbeit im Institut interessant sein könnten. Bei allen eingeladenen Gästen ging es um Fragen, welche Zukunftsvisionen wir als Bildende Künstler*innen haben, wie sich Arbeitsfelder verschieben, Präsentationsformen, direkte Teilhabe und Einbindung in die Gesellschaft stattfinden kann.

www.irre-bauhaus.de

Gastvorträge:

IRRE@bauhaus Lecture Series #3: Neue Auftraggeber, 2019

Neue Auftraggeber sind Menschen, die etwas verändern wollen. Sie beauftragen Künstler*innen damit, Kunstwerke zu entwickeln, die in ihrer Stadt oder ihrem Dorf Antworten auf drängende Fragen geben. Dabei arbeiten die Neuen Auftraggeber stets politisch unabhängig. Niemand gibt Themen oder Ziele von oben vor. Wünsche und Visionen entstehen deshalb immer lokal und gemeinschaftlich, nur so kommt es zu einem wertvollen Beitrag zum demokratischen Zusammenhalt sowie auch zur zeitgenössischen Kunstproduktion. Die Idee der Neuen Auftraggeber stammt von dem Künstler François Hers. Er schlug 1990 in Frankreich eine neue Methode vor, mit der Bürger und Künstler auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Seine Forderung lautete, die Kunst aus dem Museum heraus und in den Alltag der Menschen zu bringen. Sein Protokoll der Neuen Auftraggeber wurde zum Grundstein einer europäischen und heute internationalen Bewegung. Immer mehr Menschen schließen sich ihr an: Museumsleute und Dorfbewohner*innen, Bürgermeister und Künstler, Jugendliche und Wissenschaftlerinnen und viele mehr.

IRRE@bauhaus Lecture Series #2: Peng! Kollektiv, 2019

Das Peng! Kollektiv macht politische Aktionskunst an der Schnittstelle zwischen Hacking, Aktivismus und Medientaktik. Sie experimentieren mit Bots, Algorithmen, Online Hoaxes und Culture Jamming als künstlerische Protestform und entwickeln mediale Interventionen im öffentlichen Diskurs. Für die einen ist es Kunst, für andere ist es Linksterrorismus. Kollektivmitglied und Mitgründer Ronny Sommer stellt Aktionen der vergangenen Jahre vor, gibt Einblicke in Entstehung und juristische Konsequenzen und erzählt Anekdoten aus dem Alltag eines Künstlerkollektivs. Im Anschluss findet eine Gesprächsrunde zu Kunstfreiheit, zivilem Ungehorsam und der Notwendigkeit politischer Kunst statt.

IRRE@bauhaus Lecture Series #4: Ingo Niermann und Erik Niedling, 2019

Eine Gruppe junger Männer wollte im Jahr 2007 das größte Bauwerk der Menschheit errichten – eine gigantische Pyramide. Sie sollte ein 800 Meter hohes Grabmal für über eine Milliarde Menschen aller Nationen und Religionen werden, und in Ostdeutschland auf einem Acker stehen.

IRRE@bauhaus Lecture Series #5: New Scenario, 2019

New Scenario ist ein fortlaufendes künstlerisches und kuratorisches Projekt der bildenden Künstler Paul Barsch und Tilman Hornig, das sich mit der Frage beschäftigt, wie man im post-digitalen Zeitalter die Natur und die Eigenschaften von Ausstellungen und der Präsentation von Kunst neu denken und definieren kann und muss. Unter den sich ändernden Bedingungen müssen neue
Strategien des Zeigens (online/offline) außerhalb des White Cube und standardisierter Ausstellungsflächen entwickelt werden. Die vom Kollektiv entwickelten und organisierten Gruppenausstellungen überwinden den konventionellen Ausstellungsraum, um neue Präsentationsformen zu erforschen: Der Fahrgastraum einer Super-Stretch-Limousine (CRASH, 2015), ein Dinosaurier-Themenpark (JURASSIC PAINT, 2015) oder die Körperöffnungen des Menschen (BODY HOLES, 2016) werden zu Ausstellungsräumen, in denen Werke internationaler Künstler agieren und kommunizieren können. Die Kombination von physischen Kunstwerken und realen Produktionsorten, mit einer meist online-only-Präsentation und der künstlichen Ästhetik des Internets schafft ambivalente Realitäten, Erzählungen und filmische Seherlebnisse, die immer auch auf größere Bedeutungszusammenhänge hinweisen. Anhand spezifischer Situationen, Räume und Szenarien schafft New Scenario vor Allem kraftvolle Bilder, die die Grenzen von Kunstwerk, Ausstellung, Bildproduktion und szenografischer Inszenierung neu definieren. Die kollaborativen Arbeiten von New Scenario gehen über unsere konventionellen Vorstellungen von Kunst und Ausstellung hinaus und liefern neue Antworten und ästhetische Äquivalente, die sich nicht mehr auf die etablierten Kunstgattungen reduzieren lassen.

newscenario.net

IRRE@bauhaus Lecture Series #6: Henrike Naumann, Bildende Künstlerin, Berlin, 2020

Henrike Naumann wurde 1984 in Zwickau (DDR) geboren. In Ostdeutschland aufgewachsen, erlebte Naumann in den 90er Jahren die rechtsextreme Ideologie als vorherrschende Jugendkultur. In ihrer Arbeit reflektiert sie die Geschichte des rechten Terrorismus in Deutschland sowie die heutige breite Akzeptanz rassistischen Gedankenguts. Sie befasst sich mit den Mechanismen der Radikalisierung und deren Zusammenhang mit der persönlichen Erfahrung und der Jugendkultur. Naumann erforscht die Reibung konträrer politischer Meinungen durch die Ambivalenz des persönlichen ästhetischen Geschmacks. In ihren immersiven Installationen kombiniert sie Video und Ton mit szenografischen Räumen. In den letzten Jahren hat sie ihren Fokus auf die globale Vernetzung von Jugendkulturen und die Umkehrung des kulturellen Andersseins erweitert. Bemerkenswerte Ausstellungen sind Einzelausstellungen im Museum Abteiberg in Mönchengladbach und in der Galerie Wedding, Berlin, sowie Teilnahmen an der Biennale von Busan (2018), der Biennale von Riga (2018), dem Steirischen Herbst, Graz (2018), der 4. Ghetto-Biennale in Port-Au-Prince (2015) und dem 3. Herbstsalon am Maxim Gorki Theater Berlin (2017). Henrike Naumann lebt und arbeitet in Berlin.

Eingeladene Künstler*innen der Professur Experimentelle Malerei und Zeichnung seit 2016:

Benedikt Hipp
Jan Brokof
Schirin Kretschmann
Julia Oschatz
Bertram Haude