Plastic Fantastic

Die Aufgabenstellung lautet Elektrokleingeräte in Porzellan zu gestalten.

Nachdem die anfängliche Kunststoffeuphorie der 70ger Jahre in einen Kunststoffwahnsinn umgeschlagen ist, wurde mit dem ironischen Ausspruch »plastic fantastic« in den 90er Jahren erste Äußerungen über die ungezügelte Kunststoffverbreitung laut: Wachsende Kunststoffmüllberge bzw -inseln, das Wissen um die Beschränktheit unserer Erdölvorkommen, alarmierende Signale aus dem Gesundheitsdiskurs über diffundierende Weichmacher und Mikroplastik in Nahrungsmitteln verschärfen die Fragwürdigkeit des Kunststoffes als Allheilmittel. 

In der Nachhaltigkeitsdebatte wächst die Erkenntnis, dass Einfachheit, Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Upgrade-Fähigkeit, Hochwertigkeit etc Schlüsselbegriffe für ein ökologisches Produktdesign sind. Das Projekt plastic fantastic sucht auf diesem Hintergrund die Herausforderung Kunststoffgehäuse technisch, elektrischer Kleingeräte, wie Kaffeemaschinen, Toaster, Computermäuse und -tastaturen etc. durch Porzellangehäuse zu ersetzen. 

Ziel ist es, die Wertschätzung von Porzellan einer gefühlten Minderwertigkeit von Kunststoffgehäusen entgegenzusetzen. Die Nutzung von mit Porzellan verkleideten Geräten erweitert nicht nur die landläufigen Vorstellungen von Produktstandards, sondern hilft Achtsamkeit im Alltag trainieren: Porzellan fordert im täglichen Gebrauch Behutsamkeit, weil es als hochwertig und langlebig gilt, aber auch für seine Zerbrechlichkeit bekannt ist. 

Ins Projekt integriert sind Gastreferenten, KAHLA Firmenanschluss, Porzellan-Fachtagung, Werkstattarbeit und eine Exkursion.  

Arvid Haeusser – Espressomaschine »Seppl«

Die Abwaschbarkeit, Wärmespeicherung und Geschmacksneutralität sind Eigenschaften, welche Porzellan für den Umgang mit Speisen und Getränken ideal machen. Nach umfangreichen Überlegungen und Entwurfsideen, habe ich mich für die Küchen- und Kaffeekultur entschieden, wobei mich die Produktfamilie der Siebträger-Espressomaschinen besonders interessierte. 

Nach den ersten Zeichnungen versuchte ich die Ideen in Mockup-Modellen aus Papier, Schaum und Gips dienten darzustellen, um einen Eindruck von Form und Dimension zu erlangen. Die Arbeit in 1:1 Modellen bietet sich bei Objekten dieser Größe an. Sie sind wichtig um das Volumen der einzelnen Komponenten sowie deren Wirkung in ihrer Gesamtheit zu begreifen.

Die Auseinandersetzung mit der behandelten Thematik war ein spannendes Aufgabenfeld. Die zunächst widersprüchlichen Bereiche Porzellan und Elektronik konnten durch intensive theoretische wie praktische Arbeit zu einem schlüssigen Ergebnis geführt werden. Die praxisbezogene Auslegung des Projektes in Kooperation mit KAHLA lieferten vielschichtiges Wissen und Erfahrungen.


Julia Albert – Vibrator

Porzellan soll im übertragenen Sinne für die zwischenmenschliche Beziehung stehen, man muss diese genau wie das Material, behüten, pflegen und darauf aufpassen. Das Material - bekannt für seine Zerbrechlich - fördert den bewussten Umgang während der Benutzung und steigert so die sexuelle Lust und den Genuss. Porzellan ist wärmeleitend, wasserfest, leicht zu reinigen, hart und strahlt eine zeitlose Eleganz aus: Vibrator + Sexualität = Sinnlichkeit

Ich wollte mit meiner Arbeit einen neuen Raum definieren, wo Vibratoren einen Platz finden. Mein Thema soll ein kleiner Schritt zur Endstigmatisierung und pro Normalität sein.

Zu Anfang sezierte ich ein gekauftes Standardmodell und näherte mich mit Versuchen, wie sich Vibration mittels Porzellan überträgt: Ich befüllte die Form mit Papier, unglasierten Porzellankügelchen, Silikon uvm. Für die Energieversorgung verwende ich Induktionstechnik.

Der Ansatz meiner Formgebung kam mir eines Tages beim Kaffee trinken: der Kaffeeklatsch, meist von Frauen geführt, dient Kommunikation, Entspannung und Endorphinausschüttung. In geselliger Runde werden auch sexuelle Themen besprochen, gute Freundinnen wissen viel voneinander und scheuen sich nicht, alles wichtige auf den Tisch zu legen. Neben Teller, Tassen und Untertassen stehen hier vor allem traditionelle Gegenstände wie Kerzenständer, Milchkännchen, Zuckerdose und Vasen auf dem Tisch. Mein Porzellanobjekt sollte sich hier einfügen, denn Provokation war nicht gewollt, mir geht es eher um ein langsames Gewöhnen der Gesellschaft an den Vibrator als normalem Gegenstand. Ein klassisches Ornament in Form einer sensitiv spürbaren Struktur sollte im Kontrast zu der schlichten Grundform stehen.


Roy Müller – Wasserkocher

Das Hilfsgerät Wasserkocher finden wir in nahezu jeder Küche, häufig in einer preiswerten Plastikausführung. Bei meiner Suche nach einer anmutigen Porzellangestalt geht es um die Idee den Kocher zur Kanne und somit zum hochwertigen Serviceteil zu machen. Durch das Porzellan wurde dem Wasserkocher materiell eine neue ästhetische Bedeutung gegeben.

Das aktuelle Angebot klassischer Kannen-Entwürfe aus Porzellan befeuerten meinen Wunsch die altbackenen, bekannten Kannenformen nicht lediglich auf eine neue Produktgruppe zu übertragen, sondern gerade Linien und Kanten, als Gegenentwurf zu inszenieren. Das führte mich in wenig materialtypische Dimensionen der Porzellanfertigung: Die vielen geschwungenen Formen aktueller Gestaltungslösungen von Tee- und Kaffeekannen sind für die Fertigung in Porzellan ideal, ganz anders und sehr anspruchsvoll sind gerade Linien, planare Flächen und geometrische Körper. Daher muss ich mit meinen Prototypen nachsichtig sein.