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Annette Geiger

Geschmacksbeziehung – Über den Gemeinsinn im Design

Daniel Millers Buch Der Trost der Dinge (2008) beschreibt gelungen wie Menschen zu Dingen Beziehung aufnehmen müssen, um ein gutes Leben zu führen. Doch vernachlässigt diese kulturanthropologische Sicht die Ästhetik der Dinge: Als gute Begleiter des Menschen erweisen sich nur Dinge, die nicht nach Aussehen und Geschmack bewertet werden. In der Designästhetik hingegen gehe die soziale Funktion der Dinge verloren, da es Geschmacksmustern zu gehorchen gilt. Mein Rückblick in die Designgeschichte zeichnet jedoch ein anderes Bild: Der Geschmacksbegriff hatte sich um 1800 herausgebildet, um durch Designkultur neue gesellschaftliche Beziehungen zu stiften. Als ästhetische Praxis ohne Wissensdiskurs sollte das Geschmacksempfinden eine Verbindung herstellen zwischen individuellem Wahrnehmen und Gemeinsinn. So lässt sich Kants sensus communis als Designtheorie einer kollektiven Einbildungskraft lesen. Am Leitbild der Leere bzw. des ornamentlosen Wohnens möchte ich zeigen, wie sich die Geschmacksfunktion vom Biedermeier zum heutigen Loft Living als Beziehungsmodell entwickelt hat.

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© gemeinfrei

Annette Geiger ist Professorin für Designgeschichte an der Hochschule für Künste Bremen. Sie studierte Kunst- und Kulturwissenschaften in Berlin, Grenoble und Paris. Ihre Dissertation Urbild und fotografischer Blick zur Bildtheorie im 18. Jahrhundert erschien 2004. Seither forscht sie zu Themen zwischen Kunst, Design und Alltag, insbesondere zu einer Ikonographie der Gestaltung. Publikationen sind u. a.: Kunst und Design: Eine Affäre (2012, Hg. mit M. Glasmeier), Coolness: Zur Ästhetik einer Attitüde
(2010, Hg. mit Ä. Söll, G. Schröder), Imaginäre Architekturen – Raum und Stadt als Vorstellung (2006, Hg. mit S. Hennecke), Spielarten des Organischen in Architektur, Design und Kunst (2005, Hg. mit S. Hennecke).