Workshop des Graduiertenkollegs "Mediale Historiographien" am 24. und 25. Mai 2012
»Institutionenbegegnungen in Amerika. Lektüren von Franz Kafkas /Der
Verschollene/«
»Auf der Rennbahn ist eben viel Platz.«
Als sich Kafka im Herbst 1912 dazu entschließt, den jungen Karl Rossmann nach Übersee zu schicken, betritt er in seinem Schreiben selbst Neuland. Wenn Amerika »das Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, d.h. die Chance eines Neubeginns für viele Einwanderer und nicht zuletzt für seinen jüngsten Protagonisten darstellt, so bieten gerade diese unzähligen Möglichkeiten für Franz Kafka den Anlass, zunächst die Lebensgeschichte Karl Rossmanns zu erzählen und sich vor allem ins bis dahin für ihn unbekannte Terrain der Romanform zu wagen. Doch mehr noch als nach seiner Gattung lässt Kafkas erstes großes Romanprojekt nach deren Institutionenfassung fragen, nach dem bio-graphein, dessen Züge sich im Verschollenen finden lassen.
Gerade die Abweichung von der vorgezeichneten Traditionslinie des Bildungsromans unter dem Vorzeichen bürokratischer Apparate und institutioneller Ordnungen, moderner Verwaltungsstrukturen und ihrer Praktiken eröffnet ein neues poetologisches Gebiet, das keineswegs nur eine bloß thematische oder motivische Verschiebung impliziert. Es markiert vielmehr einen grundlegenden epistemologischen Umbruch im Verständnis des Menschen und führt Individualität als Produkt spezifischer institutioneller, verwaltungstechnischer und sozialer Machtpraktiken, als Produkt von Aufschreibesystemen und Gouvernementalitätspraktiken vor Augen.
Dieses (weite) Feld von Kafkas Verschollenem möchten wir in unserem Workshop erkunden. Nimmt man jene Praktiken in den Blick, die auf die Lenkung und die Leitung von Individuen und Kollektiven zielen, so erscheinen ausgerechnet die medialen und räumlichen Möglichkeitsbedingungen von Interesse, die, wie exemplarisch im Fall von Transitstationen, einerseits zur Sichtbarkeit gelangen, die andererseits aber vor allem zur Herstellung von Sichtbarkeit dienen. Weiterhin lässt sich gerade nach jenen Medien, Verfahren und Praktiken der Individualisierung und der Identitätskonstruktion fragen, die den Kern bürokratischer und institutioneller Abläufe ausmachen und die Auseinandersetzung mit institutionellen Ordnungen prägen. Im Allgemeinen, so könnte man zusammenfassen, sollen am Verschollenen, an dieser Geschichte eines Übergangs, die Aspekte, Momente oder Räume in den Blick genommen werden, die sich in und aus der Begegnung mit Institutionen ergeben.
Programm
Donnerstag, 24. Mai 2012, 21 Uhr
Klassenverhältnisse
(BRD/F 1984, Regie: Danièle Huillet / Jean-Marie Straub)
Filmvorführung im Lichthaus-Kino Weimar, mit einer Einführung von André
Wendler.
Freitag, 25. Mai 2012, 9.30 - 18 Uhr
Workshop im Seminarraum des Graduiertenkollegs, Berkaer Straße 1 (!neue Adresse!), Weimar
9.30 Uhr - Einführung
9.45 Uhr - Zachary Sng: »Ich habe meinen Regenschirm vergessen.«
10.30Uhr - Kaffeepause
11 Uhr - Lucia Iacomella: Institutionelle Redeordnungen in »Der Heizer«
Rupert Gaderer: Der Heizer: Widerspenstigkeit & Geschwätz
Yanik Avila: »Klare Rede«: Zur (In)Transparenz des Sprechens
13 Uhr - Mittagspause
14 Uhr - Wolfgang Struck: »Westlich von der Freiheitsstatue«. Verrückte Institutionen in Holitschers und Kafkas Amerika
Sarah Sander: K.s Selbst(ver)tilgung. Ein Gang durch die Gänge der Institutionen
Timm Ebner: Gouvernementale Innerlichkeit. Fiktionen der Herrschaft
16 Uhr - Kaffeepause
16.30 Uhr - Elena Meilicke: Kafka/Grosz: ein Cross-reading
Daniel Eschkötter: Calling K
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