Projekttitel
Subjects in facebooks. Eine Genealogie facialer Social-Network-Praktiken. (Arbeitstitel)
Projektbeschreibung
Dem Gesicht kommt im Kontext von Social Media und Mobile Computing eine wichtige Rolle
zu. Für die Administration der Social-Media-Plattformen bildet es eine informative, lesbare
Fläche zur Individualisierung der User_innen. Für die User_innen-Subjekte bildet es die
Schnittstelle zur Teilhabe an und Sichtbarkeit in sozialen Netzwerken (z.B. via Selfies). Auch
unter den neuen medientechnischen Bedingungen übt das Gesicht seine vermeintlich
natürliche und selbstverständliche Funktion als eindeutiges Kennzeichen individueller Identität
und als soziales Display menschlicher Kommunikation aus. Um dieser Gegenwartserfahrung
ihre Selbstverständlichkeit zu nehmen und stattdessen die historisch gewachsenen
Machtimplikationen offenzulegen, unternimmt die Dissertation eine Genealogie facialer
Praktiken. Diese führt in die bürgerliche Medien- und Selbstkultur des 19. Jahrhundert, in der
das Gesicht mittels neuer Medien wie der Fotografie zum gouvernementalen Instrument der
Menschenregierung (u.a. in Physiognomik, Kriminalistik, Anthropologie) sowie zum Mittel der
Selbsterfindung, -darstellung, -abgrenzung, kurz: Selbstregierung bürgerlicher Subjekte wird.
Medienwissenschaftlich greifbar wird diese spezifische Macht-Wissen-Konstellation u.a. in der
medienarchäologischen Vorgeschichte von Facebook. In den Archiven nordamerikanischer
Bildungsinstitutionen finden sich Zeugnisse einer verbreiteten Kultur facialer Buchführung:
buchstäbliche Gesichtsbücher oszillieren in Gestalt von Class Albums und Scrapbooks zwischen
administrativer Fest-Stellung und „Technik des Selbst“. Weitere Untersuchungen im Feld des
Rechts legen Brüche in und Kämpfe um Funktion und Deutung des Facialen offen, wodurch
gegenwärtigen Auffassungen vom Gesicht ihre Gewissheit und Machtblindheit genommen
werden sollen. Ziel der Dissertation ist es, dadurch den Blick zu öffnen für Kontinuitäten wie für
Brüche und Transformationen in aktuellen faciale Social-Media-Praktiken, um diese
machtanalytisch einordnen zu können.
Vita
Studium der Kulturpädagogik in Mönchengladbach und Studium der Medienwissenschaft in Weimar. 2011 Masterabschluss (mit Auszeichnung). Seit 2011 Doktorandin an der Bauhaus-Universität Weimar. 2012-2014 Stipendiatin der Thüringer Graduiertenförderung und wissenschaftliche Hilfskraft an der Professur Philosophie audiovisueller Medien (Bauhaus-Universität Weimar). Februar/März 2014 Forschungsstipendium des DAAD für Archivaufenthalte an der Harvard University und in Washington DC. Seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin am Kompetenzzentrum Medienanthropologie. Forschungsschwerpunkte: Medienanthropologie, Kultur- und Mediengeschichte des Gesichts, digitale Kultur und Social Media, Interface-Theorien, Geschichte der Privatheit.
Publikationen
Monographie:
Das Spiel in der Kulturpädagogik, Hamburg 2009.
Herausgabe:
(zus. mit Tim Othold und Nicolas Oxen), Müll - Interdisziplinäre Perspektiven auf das Übrig-Gebliebene, Bielefeld: transcript, 2016.
Aufsätze/ Artikel:
"Collective Likeness: Mimetic Aspects of Liking" In: Jörg Dünne/Kathrin Fehringer/Kristina Kuhn/Wolfgang Struck (Hg.), Cultural Techniques: Assembling Spaces, Texts & Collectives. De Gruyter (Im Erscheinen).
"Wie man Harvard (s)ein Gesicht gibt. Sich selbst zurechtmachen in Class Album und Scrapbook", in: Czerney, Sarah; Eckert, Lena; Martin Silke (Hg.): DIY und Feminismus. (In Vorbereitung)
"Relevant wird, was anregt. Warum sich Fake News und Clickbait im Social Web so gut verbreiten können.", in: Bauhaus.Journal 2017/2018, S. 32f.
“Utopie als Methode”, in: Eckert, Lena; Martin, Silke (Hrsg.), Schöner Lehren – gegendert und gequeert, Marburg: Schüren 2016.
"»Look at all the fucks I don't give!« GIF-Animationen bringen die Provokation zurück in die Sozialen Medien", DIE EPILOG, Heft 3, Januar 2014, S. 74-79.
„Von der Publizität des Persönlichen. 'The Right to Privacy' als Strategie liberaler Regierung“, in: Halft, Stefan u.a., Medien & Privatheit, Passau 2014, S. 225-241.
Vorträge
"Surface and Depth. The Revival of Physiognomy in Deep Learning." 6th Conference of the IDP Mimesis "UnMasking. On a Mimetic Form" (4-6 July 2019), Zentralinstitut für Kunstgeschichte Munich and LMU Munich.
"Collective Likeness. Liken als kollektive Praktik." Tagung "Kulturtechniken des Kollektiven" (30.11.-02.12.2017), Laborgruppe Kulturtechniken, Universität Erfurt.
„Selbsterzählen. Wie man Harvard (s)ein Gesicht gibt.“ Internationale Tagung „Selbermachen! Informelles Wissen und subversive Praktiken“ (18.-20.11.2015), Herder-Institut Marburg.
„My face when…“ Why Facebook hates Reaction GIFs.“ Archives of/for the Future. The NECS 2015 conference, (18.-20. Juni 2015), Lodz.
"Bildpraktiken des Gesichts: Von mug shots, selfies und reaction gifs." Gastvortrag auf Einladung. Studentische Tagung "Transparente Welten. Netzwerk - Sicherheit - Anonymität" (18.07.2014), Ruhr-Universität Bochum.
„'Making up people': Selbsttechnologien, Humanwissenschaften und die medienkulturelle Vorgeschichte von Facebook.“ Gastvortragauf Einladung von Prof. Friedrich Balke in seine Modulveranstaltung für Masterstudierende „Medienanthropologie“, (05.12.2013) Ruhr-Universität Bochum.
„Face it! Vom Recht am eigenen Bild/ auf ein eigenes Bild um 1900“ Ringvorlesung „Medien & Privatheit“ (05.11.2013), DFG-Graduiertenkolleg 1681 „Privatheit“, Universität Passau.
„Publizität des Persönlichen. Privatheit zwischen Schonraum und Bühne“ Interdisziplinäre Tagung „Medien & Privatheit“ (21.-22.02.2013), DFG-Graduiertenkolleg 1681 „Privatheit“, Universität Passau.
„Die Widerspenstigkeit der Dinge gegen den Ordnungswahn der Moderne“ Studentische Tagung „Medien-Denken: Aspekte kulturwissenschaftlicher Medienforschung“ (16.07.2010), Bauhaus-Universität Weimar.
Lehre
Sommersemster 2015: „#placesmorefiercethanhere“ (Seminar) im Modul „Diversity II – Queere Utopien im Social Web“.
Wintersemester 2017/19 + Sommersemester 2019: Ringvorlesung Bauhaus & Gender