Lichtverhältnisse. Elemente einer medialen Historiographie des Lichts

Vorlesung im Wintersemester 2011/12

Unbekannter Künstler (Rembrandt-Schule): Christus im Gespräch mit Martha und Maria, lavierte Tuschzeichnung, ca. 1652, British Museum, London.

Zum Gegenstand der Vorlesung:
„Geschichten des Lichts“ konzentrieren sich gewöhnlich auf einen begrenzten Aspekt des Phänomens. Sie handeln von der physikalischen Erkenntnis des Lichts, von der wissenschaftlichen und technischen Optik, von den Medien der künstlichen Beleuchtung, von der ‚Behandlung’ des Lichts in der Malerei und Architektur, vom Film- und Theater-Licht oder von der Lichtmetaphorik in Philosophie und Theologie. Meist wird dann die Entwicklung dieser Themen im Längsschnitt dargestellt. Die Vorlesung fragt nach der Möglichkeit, solche disziplinären Trennungen zu überwinden und zu einer Form der historischen Analyse zu gelangen, die geeignet wäre, der Durchdringung der Bereiche Rechnung zu tragen. Denn jede irdische Lichtsituation ist, wie man in Anlehnung an Althussers Begriff der ‚Überdeterminierung’ sagen könnte, vielfach ‘überbelichtet’; in ihr überlagern sich die unterschiedlichsten Bestimmungen und Besetzungen: die physikalischen Lichteigenschaften, die Weisen der technischen Produziertheit des Lichts, die Schichten der mythischen, religiösen und philosophischen Bedeutungszuschreibung, die Geschichte der Darstellungskonventionen des Lichts, seine Einbettung in kultische Praktiken, seine Stellung in der Geschichte der sinnlichen Wahrnehmung usw. usf.

Am Anfang der Vorlesung stehen methodische Überlegungen zur medialen Historiographie des Lichts. Diese sollen dann in der Untersuchung einzelner, zeitlich und räumlich begrenzter Lichtsituationen überprüft werden. In der Fokussierung auf lokale Szenen des Lichts soll deutlich werden, dass man es immer mit einem ‚Mischlicht’ zu tun hat: mit vielfältig zusammengesetzten, heterogenen „Lichtverhältnissen”, in denen physikalische und metaphysische, technische und kulturelle, ästhetische und politische Bestimmungen untrennbar miteinander verwoben sind. So kommt man zwar zu keiner Universalgeschichte des Lichts vom Schöpfungstag bis heute; es eröffnet sich jedoch die Möglichkeit, die scheinbar selbstverständliche Anwesenheit des Lichts auf die Formen ihrer historischen und medialen Gegebenheit hin zu befragen.

Anmerkung:
Die Vorlesung bildet zusammen mit dem Seminar „Medien und Geschichte“ (Gregory) das Basismodul Medienkulturwissenschaft (zugleich belegbar als Studienmodul “Mediale Historiographien”).

Information für Studierende der Medienkunst/Mediengestaltung (MFA):
Um die 6 Leistungspunkte für das wissenschaftliche Modul zu erhalten, ist der Besuch und die Vorlage der entsprechenden Leistungsnachweise beider Bestandteile des Studienmoduls verpflichtend.

Leistungsnachweis:
Regelmäßige Teilnahme, schriftliche Klausur (Essay) zum Thema der Vorlesung.

Termine

27. Oktober 2011
01 – Intro – Das Licht einer Zeit

3. November 2011
02 – Zweierlei Lichtgeschichten: Natur- und Kulturwissenschaften

10. November 2011
03 – Modelle der Beschreibung

17. November 2011
04 – Der Lichtraum der gotischen Kathedrale

24. November 2011
05 – Geometrie des Lichts (neuzeitliche Optik)

1. Dezember 2011
06 – Insistenz des Lichts (Malerei des 17. Jahrhunderts)

8. Dezember 2011
07 – Lichtbilder des Geistes. Projektion und Imagination

15. Dezember 2011
08 – Exkursion zur Ausstellung “Lichtgefüge. Das Licht im Zeitalter von Rembrandt und Vermeer” in Kassel-Wilhelmshöhe

5. Januar 2012
09 – Das Weiße im Auge. Geschichte eines Lichtflecks (1783), Teil 1

12. Januar 2012
10 – Das Weiße im Auge. Geschichte eines Lichtflecks (1783), Teil 2

19. Januar 2012
11 – Spuren im Bild des Lichts: Fraunhofers Spektren

26. Januar 2012
12 – Erleuchtung, Aufklärung, Abklärung: Stationen einer Geschichte des Im-Licht-Seins

2. Februar 2012
Essay-Stunde (schriftliche Klausur)