Das Schiff. Bausteine einer Wissenschaft der Kulturtechnik (B. Siegert)
Vorlesung, 2 SWS Mittwochs, wöchentlich, 11.00-13.00 alle, MK, AKK Marienstraße 13, Hörsaal D
Die Dimension des Forschungsgegenstandes “Schiff” tritt erst deutlich hervor, wenn man das Schiff am Kreuzungspunkt von Realem, Symbolischem und Imaginärem verortet. Das Schiff funktioniert überhaupt nur aufgrund einer höchst problematischen Relation zwischen dem Imaginären der Instrumente und Medien, dem Symbolischen von Schrift und Zahl und dem Realen eines grundlosen und glatten Raumes. Das Schiff ist einerseits Technologie, Medium, Waffe, Machtinstrument und Subjekt bzw. Objekt spezieller Wissenschaften, andererseits aber auch: ein völkerrechtliches Problem, ein kulturgeschichtliches Paradox (ein Ort im Ortlosen), das Gegenteil der Polis (der Stadt), das daher immer wieder mit der Stadt verglichen worden ist, Topos einer vom Logos abgefallenen Schrift, der Unwahrheit, der Fiktion und der Phantome (siehe Fliegender Holländer). Die Vorlesung versucht, die technischen, kriegshistorischen, rechtlichen und kulturgeschichtlichen Aspekte aufeinander zu beziehen und ihre Interferenzen sichtbar zu machen. Einige der Themen, die die Vorlesung (stets an konkreten Beispielen) behandeln wird sind daher: Die Geschichte des Schiffs – Segelschiff, Ozeandampfer, Schlachtschiff, Patrouillenboot, Kanonenboot, Torpedoboot, U-Boot, Luftschiff, Raumschiff – in bezug auf das “Wesen” des Meeres; die Geschichte der Navigatons- und Ortungstechniken in bezug auf die Geschichte des Seekriegs, die Begriffe des mare clausum und der res nullius (bzw. communis), Piraten und Freibeuter, der Passagier, die Wissenschaften des “glatten Raumes”; das Staatsschiff, das Narrenschiff, der Schiffbruch.
Literaturliste (Auswahl)
Zur Vorbereitung empfohlen:
Herman Melville: Moby Dick oder Der Wal. Übers. v. Matthias Jendis, hg. v. Daniel Göske. München-Wien 2001 (oder andere Ausgaben).
Gemeinsames Doktorandenkolloquium (B. Siegert und J. Vogl)
Das Doktorandenkolloquium findet im Sommersemester nach Vereinbarung statt. Ort und Zeit werden den Teilnehmern rechtzeitig mitgeteilt.
Im Übrigen. Zur kulturellen Funktion von Rest und Abfall (M. Krajewski)
Seminar, 2 SWS, Dienstags, wöchentlich, 15.00-17.00. Bauhausstraße 11, Raum 013.
Seminarplan
08.04.03: Einführung und Problemstellung
15.04.03: Abfall, Fragment, Müll, Relikt, Residuum, Rest, Rückstand, Ruine, Zerfall –
Natürliche und kulturelle Ordnungen
22.04.03: Natur vs. Kultur, Dauer vs. Vergänglichkeit. Verfallsmodelle und Abfall
Außerdem: Grenzgänger. Die Geschichte der Müllabfuhr
Lektüre zur Vorbereitung (beide Bücher im Semesterapparat
Flusser, Vilém, 1993, Flaschen, in: ders., Dinge und Undinge. Phänomenologische Skizzen, Edition Akzente, Carl Hanser Verlag, München, S. 11–26.
Thompson, Michael, 2002, Benji the Binman and his Anti-Archive, in: Hedwig Pompe und Leander Scholz (Hg.), Archivprozesse. Die Kommunikation der Aufbewahrung, Bd. 5 von Mediologie, DuMont, Köln, S. 100–110.
29.04.03: Stoffwechsel: Städtereinigung, Kanalisation, Hygiene
Referat: Thomas Heilmann
Lektüre zur Vorbereitung (Texte im Ordner des Semesterapparats):
De Lillo, Don, Unterwelt, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1998, S. 331–340.
Illich, Ivan, 1985, H2O und die Wasser des Vergessens, Bd. 12131 von rororo, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, S. 83–125.
(Ergänzend:)
Payer, Peter, 1997, Der Gestank von Wien. Über Kanalgase, Totendünste und andere üble Geruchskulissen, Döcker Verlag, Wien, S. 61–77.
06.05.03: Ordnungstheorie: Enzyklopädien und was sie nicht auflisten. Wissenssystematik, Bücherordnungen, Selektionen zwischen Wert und Abfall
Referat: André Wendler
Lektüre zur Vorbereitung:
d’Alembert, Jean LeRond, Einleitung zur Encyclopédie, (1751), in: Mensching, Günther (Hrsg.), Meiner, 1997 (Text im Ordner)
Michel, Paul, Ordnungen des Wissens. Darbietungsweisen des Materials in Enzyklopädien, in: Ingrid Tomkowiak, Populäre Enzyklopädien. Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens, Chronos, Zürich, 2002, S. 35–85 (Buch im Semesterapparat)
13.05.03: Zufällig Zerfallen? Ästhetik der Ruine, des Fragments (in der Literatur)
Referat: Aneta Bludau
Lektüre zur Vorbereitung:
Böhme, Hartmut, 1989, Die Ästhetik der Ruinen, in: Dietmar Kamper und Christoph Wulf (Hg.), Der Schein des Schönen (im Semesterapparat)
Fetscher, Justus, 2001, Fragment, in: Dieter Schlenstedt Burkhart Steinwachs Friedrich Wolfzettel Karlheinz Barck, Martin Fontius (Hg.), Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. Band 2. Dekadent — Grotesk, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar, S. 551–588 (in der Limona).
Wählen Sie aus der literarischen Abteilung Ihrer Bibliothek Ihr “Lieblingsbuch”, das den Kriterien von Fragment nach Fetscher (2001) am besten genügt, und bereiten Sie dazu ein dreiminütiges Kurzreferat vor.
20.05.03: Sammeln: Verwaltung zwischen Fülle und Wertlosigkeiten
Referat: Alexias Klingler
Lektüre zur Vorbereitung:
Cahn, Michael, 1991, Das Schwanken zwischen Abfall und Wert. Zur kulturellen Hermeneutik des Sammlers, Merkur, Bd. 45, Nr. 8, S. 674–690 (Text als pdf-Datei).
Sommer, Manfred, Sammeln. Ein philosophischer Versuch, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1999, S. 33–52 (Kopie im Ordner).
Nabokov, Vladimir, Meine Schmetterlinge, in ders., Sprich, Erinnerung, sprich, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1999 (Kopie im Ordner).
27.05.03: Reste aus historischer, chemischer, mathematischer und ökonomischer Perspektive
Referat: Caspar Clemens Mierau
Lektüre zur Vorbereitung:
Ostwald, Wilhelm, 1909, Die stöchiometrischen Grundgesetze und die Atomtheorie, in: ders., Die Forderung des Tages, Leipzig, 1911, S. 189–195 (Text als pdf-Datei).
Droysen, Johann Gustav, Überreste, in: ders., Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, Berlin, München, 1937
03.06.03: Verschwendung und Vermeidung: Energetische Bilanzen
Referat: Christoph Müller
Lektüre zur Vorbereitung:
Ostwald, Wilhelm, 1909, Der energetische Imperativ Leipzig, 1912, S. 1–24, S. 64–97 (Text als pdf-Datei).
Rabinbach, Anson, The Human Motor. Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity, University of California Press, Berkely, 1992, S. 45–48, 52–56, 69–72 (Text als pdf-Datei).
10.06.03: Wertstoffverwertung zwischen roh und gekocht: Parasiten, Reste und Recycling
Referat: Ingo Landwehr
Lektüre zur Vorbereitung:
Serres, Michel, Der Parasit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1980, S. 11–45, 268–278 (Buch im Semesterapparat).
Reith, Reinhold, 2001, Recycling — Stoffströme in der Geschichte, in: Sylvia Hahn und Reinhold Reith (Hg.), Querschnitte 8: Umweltgeschichte, Verlag für Geschichte und Politik; Oldenbourg, Wien, München (Text als HTML-Datei).
17.06.03: Wertstoffverwertung II, köchelnd: Der Parasit in voller Größe
Lektüre zur Vorbereitung, als close reading, d.h. sehr genaues Lesen ist erforderlich:
Jean de La Fontaine, Sämtliche Fabeln, dtv, München, 1995 (Text als pdf-Datei)
Serres, Michel, Der Parasit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1980, insb. S. 11–45, 268–278 (Buch im Semesterapparat); Beachten Sie bitte besonders die Frage nach der Funktionsweise von Systemen und die Rolle des Parasiten dabei.
24.06.03: Lesen lernen: Archäologie des Mülls und der Deponie
Referat: Juliane Lenz
Lektüre zur Vorbereitung:
Göttle, Gabriele, 1994, Abfall. Bericht von einer Müllkippe, in: dies., Deutsche Bräuche. Ermittlungen in Ost und West, Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, S. 28–36 (Buch im Semesterapparat).
Wegmann, Nikolaus, 2000, “Die Bibliothek als Mülldeponie”, in: ders., Bücherlabyrinthe. Suchen und Finden im alexandrinischen Zeitalter, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien, Kap. 3, S. 78–121 (Buch im Semesterapparat)
01.07.03: : Eine Theorie des Abfalls; Rückstände, Zerfall im Film, Kunst, Literatur
Referate: Kilian Görl, Kristoffer Kendel
Lektüre zur Vorbereitung:
Hausheer, Cecilia und Christoph Settele, Found Footage Film, Viper/Zyklop, Luzern 1992, S. 90–109 (Kopie im Ordner des Semesterapparats).
08.07.03: Die kulturelle Funktion von Rest und Abfall. Sterbliche Reste. Abfall und Übriges in Kunst, Literatur & Musik
Referat: Sarah Schreiner
Lektüre zur Vorbereitung:
Schwab, Werner, Der Dreck und das Gute. Das Gute und der Dreck, Literaturverlag Droschl, Essay 15, Graz 1992 (Kopie im Ordner des Semesterapparats).
Literaturliste (Auswahl)
Böhme, Hartmut, 1989, Die Ästhetik der Ruinen, in: Dietmar Kamper und Christoph Wulf (Hg.), Der Schein des Schönen
Cahn, Michael, 1991, Das Schwanken zwischen Abfall und Wert. Zur kulturellen Hermeneutik des Sammlers, Merkur, Bd. 45, Nr. 8, S. 674–690.
Culler, Jonathan, 1985, Junk and Rubbish, Diacritics, S. 2–12.
Dierse, Ulrich, 1977, Enzyklopädie. Zur Geschichte eines philosophischen und wissenschaftstheoretischen Begriffs, Archiv für Begriffsgeschichte. Supplementheft 2, S. 1–8.
Dirlmeier, Ulf, 1986, Zu den Lebensbedingungen in der mittelalterlichen Stadt: Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung, in: Bernd Herrmann (Hg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, Stuttgart, S. 150–159.
Feldhaus, Franz Maria, 1921, Ka-Pi-Fu und andere verschämte Dinge. Ein fröhlich Buch für stille Orte. Mit Bildern, Quellenforschungen zur Geschichte der Technik und Industrie, Privatdruck, Berlin-Friedenau.
Fetscher, Justus, 2001, Fragment, in: Dieter Schlenstedt Burkhart Steinwachs Friedrich Wolfzettel Karlheinz Barck, Martin Fontius (Hg.), Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. Band 2. Dekadent — Grotesk, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar, S. 551–588.
Flaubert, Gustave, 1880/1979, Bouvard und Pécuchet, Insel Verlag, Frankfurt am Main.
Flusser, Vilém, 1993, Dinge und Undinge. Phänomenologische Skizzen, Edition Akzente, Carl Hanser Verlag, München.
Foucault, Michel, 1966/1974, Die Ordnung der Dinge, Bd. 96 von stw, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.
Göttle, Gabriele, 1994, Abfall. Bericht von einer Müllkippe, in: dies., Deutsche Bräuche. Ermittlungen in Ost und West, Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, S. 28–36.
Grassmuck, Volker und Christian Unverzagt, 1991, Das Müll-System. Eine metarealistische Bestandsaufnahme, Bd. 1652 von edition suhrkamp, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.
Greenaway, Peter, 1986, A Zed Two Noughts, Faber and Faber, London, Boston.
Grünbein, Durs, 1994, Etwas wird dem Strom der Dinge entrissen. Der Vesuv und der Müllberg von Dresden: Woraus Gedichte entstehen und warum sie dauern, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bd. 27. Mai, Nr. 121, S. 33.
Halliday, Stephen, 1999, The Great Stink of London. Sir Joseph Bazalgette and the Cleansing of the Victorian Capital, Sutton Publishing, Phoenix Mill, Thrupp, Stroud.
Hellige, Hans Dieter, 2000, Weltbibliothek, Universalenzyklopädie, Worldbrain: Zur Säkulardebatte über die Organisation des Weltwissens, Technikgeschichte, Bd. 67, Nr. 4, S. 303–329.
Henningsen, Jürgen, 1966, Enzyklopädie. Zur Sprach- und Bedeutungsgeschichte eines pädagogischen Begriffs, Archiv für Begriffsgeschichte, Bd. 10, Nr. xx, S. 271-362.
Honsberger, Ross, 1984, Gitter, Reste, Würfel. 91 mathematische Probleme mit Lösungen, Vieweg Verlag, Braunschweig.
Hösel, Gottfried, 1987, Unser Abfall aller Zeiten. Eine Kulturgeschichte der Städtereinigung, Kommunalschriften-Verlag J. Jehle, München.
Illich, Ivan, 1985, H2O und die Wasser des Vergessens, Bd. 12131 von rororo, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.
Lehmann, E.H., 1934, Geschichte der Konversationslexikons, Leipzig.
Lichtenstein, Claude und Thomas Schregenberger (Hg.), 2001, As Found. Die Entdeckung des Gewöhnlichen. Britische Architektur und Kunst der 50er Jahre, Museum für Gestaltung Zürich; Müller, Zürich, Baden/Schw.
Macho, Thomas, 2001, Zoologiken. Tierpark, Zirkus und Freakshow, in: Hartmut Fischer (Hg.), TheaterPeripherien, Bd. 35 von Konkursbuch, Konkursbuchverlag, Berlin, S. 13–33.
Müller-Wille, Staffan, 1999, Botanik und weltweiter Handel. Zur Begründung eines natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné (1707–1778), Bd. 3 von Studien zur Theorie der Biologie, Verlag für Wissenschaft und Bildung VWB, Berlin.
Payer, Peter, 1997, Der Gestank von Wien. Über Kanalgase, Totendünste und andere üble Geruchskulissen, Döcker Verlag, Wien.
Petzholdt, Julius, 1860, Chronologische Übersicht von bibliographischen Systemen, G. Schönfeld’s Buchhandlung (C.A. Werner), Dresden. Separatdruck aus dem Neuen Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekswissenschaft.
Rathje, William und Cullen Murphy, 1994, Müll. Eine archäologische Reise durch die Welt des Abfalls, Goldmann Verlag, München.
Reith, Reinhold, 2001, Recycling — Stoffströme in der Geschichte, in: Sylvia Hahn und Reinhold Reith (Hg.), Querschnitte 8: Umweltgeschichte, Verlag für Geschichte und Politik; Oldenbourg, Wien, München.
Schärer, Kurt und Erwin Sonderegger (Hg.), 2002, Brüche, Torsi, Unvollendetes. Über Unvollständiges in Kunst und Wissenschaft., Chronos Verlag, Zürich.
Schneider, Manfred, 1999, Auswählen. Probleme und Lösungen des Kanons, in: Heinrich Bosse und Ursula Renner (Hg.), Literaturwissenschaft. Einführung in ein Sprachspiel, Bd. 3 von Rombach Grundkurs, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, S. 363–384.
Schunke, Ilse, 1927, Die systematischen Ordnungen und ihre Entwicklung. Versuch einer geschichtlichen Übersicht, Zentralblatt für Bibliothekswesen, Bd. 44, S. 377–400.
Schwab, Werner, Der Dreck und das Gute. Das Gute und der Dreck, Literaturverlag Droschl, Essay 15, Graz 1992
Seifert, Arno, 1983, Der enzyklopädische Gedanke von der Renaissance bis zu Leibniz, Leibniz et la Renaissance. Studia Leibnitiana Supplementa, Bd. 23, S. 113–124.
Selg, Anette und Rainer Wieland (Hg.), 2001, Die Welt der Encyclopédie, Die Andere Bibliothek. Hg. von H.M. Enzensberger, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main.
Steierwald, Ulrike, 1995, Wissen und System. Zu Gottfried Wilhelm Leibniz’ Theorie einer Universalbibliothek, Bd. 22 von Kölner Arbeiten zum Bibliotheks- und Dokumentationswesen, Greven Verlag, Köln.
Strasser, Susan, 1999, Waste and Want. A Social History of Trash, Metropolitan Books, Henry Holt Company, New York.
Thompson, Michael, 1981, Die Theorie des Abfalls. Über die Schaffung und Vernichtung von Werten, Klett-Cotta, Stuttgart.
Thompson, Michael, 2002, Benji the Binman and his Anti-Archive, in: Hedwig Pompe und Leander Scholz (Hg.), Archivprozesse. Die Kommunikation der Aufbewahrung, Bd. 5 von Mediologie, DuMont, Köln, S. 100–110.
Tomkowiak, Ingrid (Hg.), 2002, Populäre Enzyklopädien. Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens, Chronos Verlag, Zürich.
Vogl, Joseph, 2001, Luxus, in: Dieter Schlenstedt Burkhart Steinwachs Friedrich Wolfzettel Karlheinz Barck, Martin Fontius (Hg.), Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. Band 3. Harmonie — Material, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart,Weimar, S. 694–716.
Wegmann, Nikolaus, 2000, Bücherlabyrinthe. Suchen und Finden im alexandrinischen Zeitalter, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien.
Winkler, Norbert, 1996, Von der Physiognomie des Weltlabyrinths oder: Das Projekt einer unendlichen Enzyklopädie. Reflexionen zur Signaturenlehre bei Paracelsus, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Bd. 44, S. 57–74.
ZumHingst, Anja, 1995, Die Geschichte des Großen Brockhaus: vom Conversationslexikon zur Enzyklopädie, Bd. 53 von Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, Wiesbaden.
Material (elektronische Texte)
(siehe bei den einzelnen Sitzungen)
Beschreibung
Jeder, der sich in letzter Zeit die Mühe gemacht hat, einer politischen Gesprächsrunde zuzuhören, kennt diese Phrase: spätestens im dritten Satz beginnt der Interviewte von der eigentlichen Frage abzulenken, wobei er diese rhetorische Fluchtbewegung zumeist mit den Worten “Im Übrigen…” einleitet. Ausgehend von dieser aktuellen Konjunktur soll aus kulturhistorischer Perspektive danach gefragt werden, was sich dort, im Übrigen, befindet. Und nach einer ersten Sondierung von A wie Abfall (in der Antike, z.B., Votivgaben, Opfer, etc.) über F wie Fragment (in der Literatur, z.B. der opulente Sprachmüll Werner Schwabs) bis hin zu Z wie Zerfallenes gilt es, nach den kulturellen Funktionen von Rest und Rückständen, von Unvollständigem und Übriggebliebenem zu fragen.
Gleichzeitig sei damit die These geprüft, daß in dem Maße wie Abfall oder Ausgeschlossenes zum kulturellen Problem gerät, sich Gegenbewegungen zu etablieren verstehen, die umfassendere Ordnungstheorien aufstellen, um so den Rest zu minimieren und mit einer angestrebten Vollständigkeit das Übrige für nichtig zu erklären. Dabei soll ein wissenschaftsgeschichtlicher Blick die Theorie stets mit historischen Fallgeschichten anreichern (etwa von manischen Sammlern oder Ordnungsfanatikern, aus der Thermodynamik oder der Royal Society), die zeigen, welche produktiven Momente dem vermeintlichen Abfall eignen. Denn selbst wenn die Forschungsresultate irgendwann auf den eigens dafür vorgesehenen Halden der Historie landen – im Archiv der Preußischen Akademie der Wissenschaften beispielsweise pflegt man von 1871 bis 1946 eine Systemstelle mit der Bezeichnung Wertlose Einsendungen aus der Bevölkerung -, so bleibt der Trost, daß diese uns, im Übrigen, reichlich Material und Nahrung für Geschichte liefern.
Kulturtechniken des Speicherns (T. Nanz)
Seminar, 2 SWS Montags, wöchentlich, 17.00-18.30 Bauhausstraße 11, Raum 013
Daten und Objekte wollen gespeichert werden. Im Seminar werden wir verschiedene Speichertechniken betrachten und nach den Systematiken der Ordnung und Verwaltung fragen. Wir werden das weite Gebiet historisch angehen, vermutlich mit der Mnemotechnik beginnen, über Wunderkammern, Museen, Bibliotheken und Enzyklopädien reden und das Seminar voraussichtlich mit dem Videorecorder und digitalen Speichermedien beschließen.
Seminarplan
07.04.03: Themenvorstellung
14.04.03: Einführung
21.04.03: Seminar entfällt
28.04.03: Mnemotechnik
Referat: Martin Bellardi, Nicolai Marquardt und Mike Schumacher
05.05.03: Kunst- und Wunderkammer
Referat: Jörg Ens und Karina Fuchs
12.05.03: Museum
Referat: Jan Löw und Jana Voigtländer
Zur Vorbereitung: Pomian 1988, v.a. S. 38-90.
19.05.03: Bibliothek
Referat: Marc Gerbing und Martin Kleppe
Zur Vorbereitung: Borges 1988 (Kopie im Semesterapparat) und Eco 1998.
26.05.03: Gastvortrag: M. Krajewski, Verzetteln. Karriere einer Idee
02.06.03: Enzyklopädie — Beginn: 17.30 Uhr
Referat: Falko Schuster
Zur Vorbereitung: Darnton 1993 (Einleitung) und beliebige Artikel in Die Welt der Enzyklopädie, 2001.
09.06.03: Seminar entfällt
16.06.03: Archiv und Datenverarbeitung
Referat: Przemyslaw Musialski und Farnoush Pourebrahimzadeh
Zur Vorbereitung: Leibniz 1986 — Von nützlicher Einrichtung eines Archivi (1680) und Entwurff gewisser Staats-Tafeln (1680).
23.06.03: Digitale Speicher
Referat: Sebastian Nußbaum, Sebastian Seidel und Mark Winterhalter
Zur Vorbereitung: Der Aufsatz von Martin Warnke in Pompe/Scholz 2002 (steht im Semesterapparat Im Übrigen).
30.06.03: Das kulturelle Gedächtnis
Referat: Jana Poppe und Beatrice Ziller
Zur Vorbereitung: Assmann 1999, S. 1-47.
07.07.03: Abschlußdiskussion und Nachtrag
Referat: Sibylla Gottschall
Literaturliste (Auswahl)
Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999.
Günter Berger (Hg.), Jean le Rond d’Alembert, Denis Diderot u.a.: Enzyklopädie. Eine Auswahl, Frankfurt a.M. 1989.
Jorge Luis Borges, Die Bibliothek von Babel, in: Ders., Blaue Tiger und andere Geschichten, hg. v. Gisbert Haefs, München und Wien 1988.
Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993.
Lionel Casson, Bibliotheken in der Antike, Düsseldorf und Zürich 2002.
Roger Chartier und Guglielmo Cavallo (Hg.), Die Welt des Lesens. Von der Schriftrolle zum Bildschirm, Frankfurt a.M. und New York 1999.
Robert Collison, Encyclopaedias: Their History Throughout the Ages, New York 1966.
Robert Darnton, Glänzende Geschäfte. Die Verbreitung von Diderots Encyclopédie oder: Wie verkauft man Wissen mit Gewinn?, Berlin 1993.
Lorraine Daston und Katharine Park, Wunder und die Ordnung der Natur, Berlin 2002.
Die Welt der Enzyklopädie, ediert v. Anette Selg und Rainer Wieland, Frankfurt a.M. 2001.
Bernhard Dotzler, Babbages Rechen-Automate, Wien u.a. 1996.
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1998 (22. Aufl.).
Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers [...], hg. v. Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, Paris 1751-1765.
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a.M. 1971.
Uwe Jochum, Kleine Bibliotheksgeschichte, Stuttgart 1993.
Markus Krajewski, Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek, Berlin 2002.
Gottfried Wilhelm Leibniz, Entwurff gewisser Staats-Tafeln, in: Ders., Sämtliche Schriften und Briefe, hg. v. d. Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin 1986, 4. Reihe, 3. Band, S. 340-349.
Ders., Von nützlicher Einrichtung eines Archivi, in: Ebd., S. 332-340.
Rolf Lindner u.a., Planen, Entscheiden, Herrschen, Reinbek 1984
Peter Matussek, Computer als Gedächtnistheater, in: Götz-Lothar Darsow (Hg.), Metamorphosen. Gedächtnismedien im Computerzeitalter, Stuttgart und Bad Cannstatt 2000, S. 81-100.
Rolf Oberliesen, Information, Daten und Signale, Reinbek 1982.
Krzysztof Pomian, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988.
Hedwig Pompe und Leander Scholz (Hg.), Archivprozesse. Die Kommunikation der Aufbewahrung, Köln 2002.
Julius von Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammlungswesens, Neudruck Braunschweig 1978.
Frances A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, Berlin 2001.
Siegfried Zielinski, Zur Geschichte des Videorecorders, Berlin 1985.
Lacan-Lektüren (B. Siegert)
Kolloquium, 2 SWS Mittwochs, wöchentlich, 17.00-18.30 Anzahl der Teilnehmer: begrenzt MK Bauhausstraße 11, Raum 13
Im Zentrum steht diesmal die Lektüre und Diskussion von ausgewählten Texten von Jacques Lacan. Dazwischen bleibt wie immer Raum für die Vorstellung von Diplomarbeiten und anderen Projekten. Das Kolloquium ist offen auch für interessierte Studierende im Hauptstudium. Teilnahme nach persönlicher Anmeldung.
Literaturliste (Auswahl)
Zur Vorbereitung:
Jacques Lacan, Die Ethik der Psychoanalyse (= Das Seminar Buch VII). Übers. v. Norbert Haas. Weinheim-Berlin 1996.
Meer und Medium I + II (B. Siegert)
Hauptseminar, 4 SWS Dienstags, wöchentlich, 13.00-17.00 Anzahl der Teilnehmer: unbegrenzt alle, MK, AKK Bauhausstraße 11, Raum 14
“An der Küstenlinie zwischen Land und Meer vollziehen sich Prozesse, die unsere primären Probleme darstellen. Die Ordnung verfällt in Unordnung, und gelegentlich geht sie daraus hervor. Der Ozean zerreißt die Küste, er formt die Strände. Sanfte Skulptur des Cape Cod. Wässriges Chaos, von den zeitweiligen Rhythmen geschaffen, die sich zerstreuen. Ordnung entsteht, verschwindet, kehrt zurück, verschwindet wieder, dort, hier, einst, morgen, eben erst, wie die Küste der Bretagne in Millionen von Jahren.” (Michel Serres) Im Mittelpunkt des Seminars stehen philosophische, wissenschaftsgeschichtliche und kulturgeschichtliche Texte von Michel Serres, Gaston Bachelard, Ivan Illich, Gernot und Hartmut Böhme, Carl Schmitt, Paul Virilio u. a., die aus unterschiedlichen Richtungen kommend Grundlagen für eine Kulturtheorie der Medien gelegt haben, die von der Frage nach dem Wasser als Element und nach der kulturgeschichtlich bedeutsamen Differenz von Land und Meer ausgeht.
Einen zweiten Schwerpunkt bildet die Untersuchung der filmischen Ins-Bild-Setzung des Meeres. Parallel zu den Texten werden daher auch klassische und weniger klassische Filme zum Thema behandelt: John Hustons Moby Dick, Frank Lloyds und Lewis Milestones The Mutinity of the Bounty, Polanskis Piraten, die Serie der Titanic-Filme, Fellinis E la nave va, John McTiernans Hunt for Red October, Petersens Das Boot, Kathryn Bigelows Gefährliche Brandung u. a.
Für Teilnehmer am Projekt erfüllt das Seminar die Funktion eines Projektplenums.
Literaturliste (Auswahl)
Zur Vorbereitung empfohlen:
Carl Schmitt, Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung. Köln-Lövenich 1981.
Gaston Bachelard: Das Wasser und die Träume. Frankfurt/M. 1991.
Michel Serres: Hermes, Bd. 5: Die Nordwest-Passage. Berlin 1994.
Ort ohne Ort: Das Schiff (B. Siegert)
Forschungsprojekt, 6 SWS, wöchentlich, Anzahl der Teilnehmer: unbegrenzt alle, MK, AKK
“Das Schiff”, schrieb Foucault, “das ist die Heterotopie schlechthin. In den Zivilisationen ohne Schiff versiegen die Träume, die Spionage ersetzt das Abenteuer und die Polizei die Freibeuter.” Das Schiff ist ein ungeheures Arsenal der Träume und Gleichnisse unserer Kultur: Die Reise des Lebens, das Reich der Toten oder der Untoten, der Wahnsinn, aber auch der Staat und das Surfen im Internet sind dauerhaft mit dem Bild des Schiffs verknüpft worden. Zahllos sind die ums Schiff gewebten Geschichten, die die Mythen, heilige Schriften, die Literatur und der Film überliefern vom Abenteuer des Aufbruchs, vom Kampf mit den Elementen, vom Scheitern, von der Begegnung mit anderen Gesetzen, dem Gesetz des Anderen und dem Gesetzlosen.
Was ist es, das das Schiff zum “größten Imaginationsarsenal unserer Kultur” (Foucault) gemacht hat, warum knüpfen sich um das Schiff mehr und widersprüchlichere Bilder, Phantasien und Metaphern als um jede andere technische Erfindung der Menschheit? Die Richtung, in der das Projekt eine Antwort suchen wird, ist von Hans Blumenberg vorgegeben: der Grund könnte darin liegen, daß das Schiff und die Seefahrt ein frivoles, wenn nicht blasphemisches Moment birgt, daß das Schiff einen Verstoß gegen das Gesetz darstellt, das die Institutionen des menschlichen Lebens begründet und sichert.
Das Ziel des Forschungsprojektes ist kein geringeres als dieses blasphemische Moment zur Grundlage einer Kulturtheorie der Medien zu machen. Das setzt die methodische Bereitschaft und Flexibilität voraus, medienwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Kompetenzen zusammenzuführen, um “das Schiff” als exemplarischen Gegenstand am Horizont einer innovativen Medienkulturwissenschaft erscheinen zu lassen: “Auf die Schiffe, ihr Philosophen!”
Bestandteile des Projekts sind die Vorlesung Das Schiff. Bausteine einer Wissenschaft der Kulturtechnik und das Hauptseminar Meer und Medium I + II.