Internationales Symposion
10.-12. November 2016
Salon des ehem. Palais Dürckheim
Cranachstr. 47, 99423 Weimar
„[T]he old functions of the urban container have been supplemented by new functions, exercised through what I shall call the functional grid: the framework of the invisible city." (Lewis Mumford)
„Deshalb liegen auf der Kehrseite der Bauten, im Offenen der Stadt ihre Strukturen, die allemal Netze sind." (Friedrich Kittler)
Das Dispositiv der Stadt, seine Effekte, Repräsentationen und Wirkmächte sind durch widersprüchliche Zuschreibungen gekennzeichnet (manifest/latent, real/virtuell, verfügbar/unverfügbar), die alle auf das Verhältnis von 'Sichtbarem' und 'Unsichtbarem' verweisen. Sichtbarkeit respektive Unsichtbarkeit ist jedoch nicht allein visuell zu verstehen, sondern ebenso grundlegend als Frage epistemischer Un/Verfügbarkeit. So werden beispielsweise im Anschluss an architekturbezogene Positionen der Medientheorie und Kulturtechnikforschung (Kittler 1988, Siegert 2010, 2015) der gebaute Raum und seine 'unsichtbaren' Infrastrukturierungen im Rahmen von Haustechnik und städtischen Verkehrsnetzen (Sprenger 2015, Gleich 2015, Stalder 2015) als „Prozessarchitekturen“ (Jany 2015) verstanden, die in ihrer Materialität agency entfalten und Personen und Dinge regulieren. Deutlich vor dem Zeitalter der Digitalisierung zeigt sich hier also eine grundlegende Vernetztheit und Mediatisierung der Stadt, deren historische Tiefe mit der Geschichte der Stadtentwicklung korreliert (Sennett 1996). Denn immer schon, so die These Friedrich Kittlers, verschaltet die Stadt „Netze aus lauter Netzen“. Gemäß grundlegender Einsichten der Infrastrukturforschung wäre die Unsichtbarkeit der Stadt somit nicht als ontologische Kategorie zu verstehen, sondern bezöge sich auf den für das Funktionieren notwendigerweise geblackboxten Zustand von Infrastrukturen. Sie sind 'unsichtbar', weil sie uns selbstverständlich sind, weshalb gerade Momente der Störung – ausfallende Heizung oder Klimaanlagen, feststeckende Fahrstühle, aber auch eine nicht-funktionierende Müllentsorgung oder Hausreinigung – Infrastrukturen 'sichtbar', d.h. jenseits des Normalbetriebs wahrnehmbar zu machen vermögen (Star 1989).
Unter dem Titel „In/Visible City“ greift das Symposium einen kulturhistorisch prägenden Topos auf und macht ihn systematisch wie historisch für eine Analytik des Stadtraums produktiv. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund zweier gegenwärtiger Forschungsfelder, die in je unterschiedlicher Weise die Netzhaftigkeit des urbanen Raums problematisieren: Zum einen finden im Rahmen des Ubiquitous Computing umfangreiche Diskussionen zu Smart Houses und Smart Cities statt, zum anderen setzt eine medienwissenschaftlich-kulturtechnische Architektur- und Infrastrukturforschung, die Frage nach der (informationstechnischen) Vernetztheit deutlich vor dem Digitalisierungsschub der späten 1980er Jahre an. Das Symposium nimmt das Konzept der „unsichtbaren Stadt“ zum Ausgangspunkt, um dieses Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit für den städtischen Raum und deren bedeutsame Relation historisch wie systematisch zu problematisieren. Neben der Geschichte der Infrastrukturierung und Mediatisierung ist dabei ebenso die Informatisierung der Stadt im 21. Jahrhundert zu diskutieren.
Programm:
Donnerstag, 10.11.2016
14.30 Uhr
Einführung
Gabriele Schabacher und Claudia Tittel (Bauhaus-Universität Weimar)
Panel I: Epistemologie der un/sichtbaren Stadt
Moderation: Claudia Tittel
15.00 - 15.45 Uhr
Urbane Archäologie: Zur Un/Sichtbarkeit filmischer Stadtlandschaften
Laura Frahm (Harvard University, Cambridge/MA)
15.45 - 16.30 Uhr
Un/Sichtbarkeit überwachender Infrastrukturen. Vier Fallbeispiele und einige anschließende Überlegungen
Dietmar Kammerer (Philipps-Universität Marburg)
Kaffeepause
17.00 - 17.45 Uhr
Dokumentarische Architektur der politischen Choreographie der Stadt
Ines Weizman (Bauhaus-Universität Weimar)
17.45 - 18.30 Uhr
Mediale Trajektorien der Stadt und ihrer Nutzer
Marc Ries (Hochschule für Gestaltung Offenbach)
19.00 Uhr
Apéro
Freitag, 11.11.2016
Panel II: Infrastrukturen im urbanen Raum
Moderation: Gabriele Schabacher
09.30 - 10.15 Uhr
Architektonische Infrastrukturen: Hotels um 1880
Susanne Jany (Humboldt-Universität zu Berlin)
10.15 - 11.00 Uhr
Barrikaden / Boulevards. Techniken revolutionärer Kultur im Paris des 19. Jahrhunderts
Tom Ullrich (Bauhaus-Universität Weimar)
Pause
11.30 -12.15 Uhr
Un/Sichtbare Dinge. Self-Storage in Städten
Petra Beck (Technische Universität München)
12.15 -13.00 Uhr
Karten, Daten, Automaten
Sebastian Gießmann (Universität Siegen)
Mittagessen
Panel III: Die Stadt als Informationssystem
Moderation: Olga Moskatova
14.30 - 15.15 Uhr
Simulierte Nähe. Die mediale Rekonstruktion der Nachbarschaft
Frank Eckhardt (Bauhaus-Universität Weimar)
15.15 - 16.00
Babylonische Träume. Info-Cities, Smart Cities und experimenteller Kollektivismus
Clemens Apprich (Leuphana-Universität Lüneburg)
Kaffeepause
16.30 - 17.15 Uhr
Urban Screens: Die mediale Architektur der Stadt
Claudia Tittel (Bauhaus-Universität Weimar)
18.00 Uhr
Artist Talk. Der Traum von der perfekten Stadt
Herbert Stattler (Künstler, Wien/Berlin)
19.00 Uhr
Gemeinsames Abendessen
Samstag, 12.11.2016
Panel IV: Aneignungspraktiken im Raum der Stadt
Moderation: Claudia Tittel
10.00 - 10.45 Uhr
Werkzeuge zur partizipatorischen Stadtgestaltung
Jennifer Schubert (Universität der Künste Berlin)
Pause
11.00 - 11.45 Uhr
»Da denk ich mir dann schon ›hey was soll das‹?« Über die Aneignungspraktiken der Street Art bei Facebook
Katja Glaser (Universität Siegen)
11.45 - 12.30 Uhr
Vom Trojanischen Pferd zum Medienspektakel. Kunst im öffentlichen Raum der un/sichtbaren Stadt
Elisabeth Fritz (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
Abschlussdiskussion