ASSISTENTEN, AVATARE, ATMOSPHÄREN. Perspektiven des Animismus in Medienwissenschaft und Medienkunst
Rückblick auf die transdisziplinäre Konferenz
Von 24. bis 26. Januar fand die transdisziplinäre Konferenz »Assistenten, Avatare, Atmosphären. Perspektiven des Animismus in Medienwissenschaft und Medienkunst« an der Fakultät Medien statt. Sie wurde von Henning Schmidgen, der die Professur für Medientheorie und Wissenschaftsgeschichte innehat, der Künstlerin Jenny Brockmann und dem Philosophen Mathias Schönher als Auftaktveranstaltung zu ihrem Forschungsprojekt »Animismus/Maschinismus. Konfigurationen der Kritik zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik« organisiert. Ziel der Konferenz war es, Forschende aus dem deutschsprachigen Raum zu versammeln, die in den vergangenen Jahren die Relevanz von animistischen Perspektiven aufzeigten, und die Debatte über diese Perspektiven fest in der Medienwissenschaft zu verankern. Im Zentrum der Konferenz, die sich der Frage des Animismus mit Blick auf aktuelle Entwicklungen der Medientechnik zuwandte, standen drei Figuren, die sich dabei immer deutlicher abzeichnen: die neuen Assistenten, zu denen auch die derzeit viel diskutierten Chatbots wie ChatGPT zählen, die Avatare, die uns in virtuellen Welten begleiten und begegnen, sowie die technisch-medialen Atmosphären, die Smart Cities und andere auf dem Internet of Things aufbauende Entwicklungen mit sich bringen.
Nach einer Begrüßung und Einleitung in das Thema der Konferenz von Henning Schmidgen, hielt Elisabeth von Samsonow (Professorin für Philosophische und historische Anthropologie der Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien) den ersten Vortrag. Sie verwies darin auf eine Depotenzierung des Geistes im 20. Jahrhundert und stellte fest, dass diese Depotenzierung mit einer Neugeburt des Geistes aus dem Thermostat einherging. Im anschließenden Vortrag wendete sich MathiasSchönher, indem er den Animismus von Gilles Deleuze und Félix Guattari herausarbeitete, gegen die weit verbreitete Gleichsetzung von »Animismus« und »verteilter Handlungsmacht«.
Erhard Schüttpelz (Professor für Medientheorie an der Universität Siegen) setzte sich in seinem Vortrag kritisch mit dem Animismus als einem, wie er es nannte, »abendländischen Selbstgespräch« auseinander und unterstrich die Notwendigkeit, sich in diesem Zusammenhang mit den Problemen der Anthropomorphisierung und der Alterisierung zu befassen. Zum Abschluss des ersten Konferenztages erörterte Angelika Seppi (Gastwissenschaftlerin in Vertretung der Professur für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken) in einer Würdigung der von Erhard Schüttpelz geleisteten Forschung und mit Bezug auf das Werk der Ethnologen Claude Lévi-Strauss und Philippe Descola die möglichen Bedeutungen eines »Animismus heute«.
Der zweite Konferenztag stand im Zeichen des laufenden Dialogs zwischen (Medien-)Wissenschaft und (Medien-)Kunst. Der Kurator Anselm Franke (Professor für Curatorial Studies an der Zürcher Hochschule der Künste) gab im ersten Vortrag des Tages Einblicke in die von ihm konzipierte, 2012 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin realisierte Ausstellung »Animismus«, die maßgeblich zur Rezeption von animistischen Perspektiven im deutschsprachigen Raum beigetragen hat. Im Anschluss daran präsentierte die Künstlerin Angela Melitopoulos ihre audio-visuelle Recherche »Assemblages« aus dem Jahr 2010. Diese kreist um den »maschinischen Animismus« von Félix Guattari und die zukunftsweisenden Subjektivierungsprozesse sowie kapitalismuskritischen Potentiale dieses Animismus.
Den dritten Vortrag, der zum anschließenden Laborbesuch überleitete, hielt die Designforscherin Judith Dörrenbächer (Postdoc-Forscherin an der Professur für Ubiquitous Design der Universität Siegen). Sie stellte vier unterschiedliche animistische Praktiken vor und zeigte auf, wie diese in Designprozessen Anwendung finden. Die von ihr angesprochenen »object personas« wurden beim Besuch des VR-Laboratoriums der Professur für virtuelle Realität und Visualisierung anschaulich. Denn nach einer Einführung von Volker Bernhard (wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Medientheorie und Wissenschaftsgeschichte) über Animismus in Architektur und Interieur, die einen Bogen von Goethe über Paul Klee bis zum interdisziplinären Forschungsprojekt »MetaReal« spannte, konnten die mit VR-Brillen ausgestatteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der Anleitung von Ephraim Schott (wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für virtuelle Realität und Visualisierung) sich im bekannten Gropius-Zimmer im Hauptgebäude der Bauhaus-Universität bewegen und mit dem Inventar kommunizieren.
Die weiteren beiden Laborbesuche brachten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern technisch-medial verfasste Atmosphären näher. Im bauhaus.medien.bühnen Labor wurden sie von Jenny Brockmann dazu eingeladen, die interaktive Skulptur »Sitz#12« gemeinsam zu erproben. Im Anschluss testete die Künstlerin ihre diskursive Performance »Atmospheric Algorhythms«, die in einer von WiFi-Signalen informierten Frequenzgeräusch-Umgebung stattfand. Den Abschluss des zweiten Konferenztages bildete der dritte Laborbesuch. Er führte zur 7-Kanal-Sound-Installation »On Certain Groundlessness«, die Ruth Anderwald und Leonhard Grond (Inhabende der Professur für das Doktoratsprogramm Künstlerische Forschung an der Universität für angewandte Kunst Wien) im hybriden Lernatelier aufgebaut hatten. Diese machte durch eine den Raum animierende Vielstimmigkeit eine Atmosphäre des sozialen Taumels erfahrbar und bildete den Rahmen für den performativen Vortrag des Künstlerduos über »Voices of Dizziness«.
Den dritten Konferenztag eröffneten Patrick Urs Riechert (Mitarbeiter an der Professor für Medienphilosophie der Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe) und Elena Vogman (Leiterin des im Fachbereich Medienwissenschaft angesiedelten Forschungsprojekts »Madness, Media, Milieus«) mit ihrem Vortrag »Machinic Extimacy«. Ausgehend von der Annahme eines Außen im Herzen der psychischen Innerlichkeit, die Jacques Lacans Begriff der Extimität impliziert, erläuterte Elena Vogman den von Félix Guattari geprägten Begriff der maschinischen Subjektivität. Im Anschluss daran stellte Patrick Urs Riechert mit Bezug auf ChatGPT konkrete »Scenes of Extimacy« vor. Moritz Hiller (Postdoc-Mitarbeiter an der Professur für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken) befasste sich im folgenden Vortrag mit »›Animismus‹ als Strategie«. Seinen Ausgangspunkt bildete dabei die These, dass der Techno-Animismus als gegenläufige Bewegung zum Posthumanismus zu verstehen sei und erlaube, eine obsolet gewordene Auffassung des Menschen zu konservieren.
Matteo Pasquinelli (Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Ca' Foscari in Venedig) rekonstruierte die Entwicklung von Informationstechnologie, Kybernetik und Künstlicher Intelligenz entlang der Überschneidungen zwischen den drei Paradigmen »Organismus«, »Maschine« und »Sprache«. Den abschließenden Beitrag zur Konferenz lieferte Henning Schmidgen, der Einblicke in die Technikphilosophie von Gilbert Simondon gab und dessen Ausweitung des Begriffs des Individuums auf technische Objekte als Ausdruck einer animistischen Perspektive deutete.
Animismus Maschinismus. Konfigurationen der Kritik zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik
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