Im Rahmen der diesjährigen Sommertour »Tiefensee digital« besuchte der Thüringer Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee am 10. Juli 2018 die Bauhaus-Universität Weimar, um sich über aktuelle Forschung im Bereich Digitalisierung zu informieren. Er wurde von Präsident Prof. Winfried Speitkamp und einem Team aus Experten begrüßt.
Im Mittelpunkt des Interesses stand das Digital Bauhaus Lab: ein interdisziplinäres Forschungszentrum, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Informatik und Bauingenieurwesen sowie Künstlerinnen und Künstler den Herausforderungen der Informationsgesellschaft stellen. Die Bauhaus-Universität Weimar freute sich über die Möglichkeit, dem Minister ein breites Spektrum an Forschungsprojekten aus den Fakultäten Bauingenieurwesen und Medien präsentieren zu können.
Wer im Internet nach Informationen sucht, der kommt an Suchmaschinen nicht vorbei. Die von Algorithmen gesteuerten Maschinen präsentieren die gesuchte Information vermeintlich schnell, korrekt und handhabbar. Zudem hat man sie durch die neue Suchtechnologie fast ständig parat. Doch ihr Gebrauch ist nicht unproblematisch, wie Prof. Benno Stein erklärte: »Suchmaschinen indexieren große Datenmengen im World Wide Web und extrahieren daraus Fakten, die dem Nutzer ›roh‹, das heißt, insbesondere ohne Erklärungen und argumentative Zusammenhänge, präsentiert werden.« Dass diese »Dekontextualisierung« von Informationen durchaus brisant und nicht zuletzt deshalb zu einem der essenziellen Themen innerhalb der Digitalisierungsdebatte avanciert ist, zeigt nicht zuletzt die jüngste gesellschaftliche Diskussion zu »Fake News«.
Das Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe »Web Technology and Information Systems« unter der Leitung von Prof. Benno Stein hat vor diesem Hintergrund eine »Suchmaschine für Argumente« entwickelt, die die Forscher dem Minister anhand einer Suchmaske live präsentierten. »Aussagen im Internet, zum Beispiel in Online-Foren, Blogs oder Artikeln, basieren aber oft auf Meinungen von Einzelpersonen und folgen einer bestimmten Argumentation. Die Suchmaschine für Argumente soll helfen, Daten und Fakten in den Zusammenhang von Argumenten und Gegenargumenten stellen.«, erläuterte Prof. Stein den Nutzen der Suchmaschine. Mit ihr könnten gesellschaftliche Diskurse zukünftig von einer leichteren Zugänglichkeit von Pro- und Kontra-Argumenten profitieren.
Ein Treffen mit Freunden in einer geteilten virtuellen 3D-Realität oder ein gemeinsames Abendbrot mit virtueller körperlicher Anwesenheit der über den Kontinent verstreuten Familie? Die Arbeitsgruppe »Virtual Reality and Visualization Research« unter der Leitung von Prof. Bernd Fröhlich zeigte im Anschluss, dass solche Szenarien für die soziale Wirklichkeit der Menschen durchaus keine Zukunftsmusik mehr darstellen.
Interaktive Visualisierungsverfahren und kollaborativen Techniken, an denen die Wissenschaftler an der Bauhaus-Universität Weimar forschen, erlauben es mehreren Personen gleichzeitig, in der virtuellen Realität miteinander zu interagieren. So entstehen insbesondere für die digitale Bauwerksinspektion neue und detailreiche Analysemöglichkeiten. Aber auch für die zwischenmenschliche Kommunikation ergeben sich aus der so genannten »immersiven Telepräsenz«, also der virtuellen Anwesenheit von Personen, die sich physisch an ganz verschiedenen Orten befinden, neue Szenarien.
Die Medieninformatiker Dipl.-Med.-Sys.-Wiss. André Kunert und Dr. Alexander Kulik der Bauhaus-Universität Weimar demonstrierten dem Minister anhand des »stereoskopischen Mehrbenutzer-Systems« im Digital Bauhaus Lab, wie sich Menschen zukünftig in fiktiven virtuellen Welten begegnen und austauschen könnten. »Das Ziel ist, möglichst vielen Nutzern zu ermöglichen, über Entfernung in Interaktion miteinander zu treten. Das Mehrbenutzersystem im Digital Bauhaus Lab ist derzeit weltweit einzigartig, da es bis zu sechs Nutzer gleichzeitig unterstützt«, berichtet André Kunert, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe »Virtual Reality and Visualization Research«.
Aus dem Themenbereich »Visual Analytics« stellten die Medieninformatiker darüber hinaus zwei aktuelle Projekte vor, in denen es um die Analyse besonders umfangreicher Datensätze geht. Ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Firma Kohlhaas & Kohlhaas GbR aus Weimar durchgeführt wurde, visualisiert beispielsweise das gesamte Opus des Denkers und Philosophen Bazon Brock, wie Dr. Patrick Riehmann, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe »Virtual Reality and Visualization Research«, an einem Großbildschirm aufzeigt. Um sich in dem umfangreichen Werk des Philosophen besser orientieren zu können, wurden verschiedene Detail- und Übersichtsdarstellungen mit einer interaktiven Suchtechnologie kombiniert. »Die visuelle Aufbereitung des Werkes Brocks, welches sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt, kann uns helfen, Einschätzungen oder Standpunkte verschiedener Philosophen oder Schriftsteller unkompliziert zugänglich zu machen. Derzeit arbeiten wir die Werke von Goethe und Schiller auf, was die Anwendung sicherlich auch für Bildungsinstitute interessant macht«, berichtet Riehmann.
In einem interdisziplinären Ansatz erarbeitet die Forschergruppe »Digital Engineering für Planungs- und Revitalisierungsprozesse von Stadtquartieren« seit November 2016 moderne digitale Methoden für die Zustandserfassung von Bauwerken. Als Basis für die Untersuchung alternder Bausubstanz im Wohnungs- wie auch im Infrastruktursektor sind zuverlässige Informationen über deren aktuellen Zustand unerlässlich. Nur so könne die Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit bewertet und eventuell notwendige Sanierungsarbeiten sinnvoll geplant werden, erklärt Prof. Guido Morgenthal, Leiter der Professur »Modellierung und Simulation – Konstruktion« in seinem Vortrag. Die Forscher setzen dafür modernste Sensorplattformen wie »Unmanned Aircraft Systems« (Drohnen) ein, die mit hochauflösenden Kameras ausgestattet sind und automatisiert die gesamte Gebäudeoberfläche aufnehmen.
Mittels digitaler Bildanalyse können in den erfassten Daten Bauwerksschäden automatisiert erkannt und durch Photogrammetrie 3D-Modelle der Bauwerke generiert werden. Zusätzlich werden Thermographieaufnahmen erzeugt, mit deren Hilfe thermische Gebäudesimulationen zur energetischen Bewertung durchgeführt werden können. Zur Speicherung aller erzeugten Daten werden Building Information Modelling (BIM) Ansätze genutzt, die aktuell im Bauwesen Einzug halten.
»Unsere Vision sind hoch automatisierte digitale Erfassungs- und Auswertungsverfahren für Bauwerksdaten, um den Zustand von Bestandsbauwerken zukünftig effizienter und robuster ermitteln und Interventionsmaßnahmen fundierter planen zu können«, so Morgenthal. Wie die Schwebeplattform dabei helfen kann, präsentierte der Wissenschaftler dem Minister zusammen mit seinen Mitarbeitern im Anschluss bei einem vollständig automatisierten Flug der Drohne um das Digital Bauhaus Lab.
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