24. bis 26. Januar 2024
Oberlichtsaal im Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar
Geschwister-Scholl-Straße 8
99423 Weimar
Mehr denn je erscheint uns unsere Welt als eine animistische Welt, als eine Wirklichkeit, in der grundsätzlich alles – Dinge, Pflanzen, Maschinen – in irgendeiner Form als beseelt und dementsprechend als belebt erfahren werden kann. Schon für Walter Benjamin gehörte die »Einfühlung in das Anorganische« zur Signatur einer kapitalistischen Moderne, in der Waren zunehmend als aktive Instanzen auftreten, während Menschen immer mehr zu passiven Konsumenten werden. Heute wird nicht nur eine neue Achtsamkeit postuliert und mobilisiert, um den Seelen von Pflanzen oder auch Häusern gerecht zu werden. Es sind vor allem technische Objekte, die uns in zunehmendem Maße als lebendig imponieren.
Sicher, schon in den 1960er Jahren sprachen Besitzerinnen und Besitzer mit ihren Autos, belegten sie mit Spitznamen und redeten ihnen gut zu. Unter dem Vorzeichen einer fortschreitenden Digitalisierung sehen wir uns aber einer neuen Dimension des »Techno-Animismus« gegenüber. Sprachassistenten wie Siri oder Alexa erzeugen den Eindruck, dass bestimmten Geräten ein individueller Charakter, eine Art von Persönlichkeit innewohnt, während Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT oder Midjourney sich aktiv an Prozessen beteiligen, die vormals als spezifische und exklusive Tätigkeiten des kreativen Menschen galten: Schreiben, Zeichnen, Malen… Vor diesem Hintergrund scheint es höchste Zeit zu sein, die Produktivität von animistischen Perspektiven für das Verständnis unserer Gegenwart zu erkunden.
Die Relevanz animistischer Positionen und Diskurse wurde in den Geistes- und Sozialwissenschaften zuletzt besonders in den Debatten um das »Anthropozän« hervorgehoben. Angesichts der massiven Zerstörung von Ökosystemen im Anthropozän sei es, so wurde etwa argumentiert, dringend erforderlich, »eine animistische relational Ontologie« zu entwerfen. Nur damit könne die für die westliche Moderne grundlegende Dichotomie zwischen menschlicher Kultur und nicht menschlicher Natur, die sich in der Verwüstung der Erde durch bestimmte Teile der Menschheit manifestiere, aufgehoben werden.
Umgekehrt machte Bruno Latour den Verlust animistischer Vorstellungen für die ökologische Krise, mit der wir heute konfrontiert sind, mitverantwortlich. Ihm zufolge besteht das zentrale Problem der Gegenwart im »Sinnverlust« der Materialität durch ihre Reduktion auf abstrakte Materie – anders gesagt: im »eher naiven Glauben vieler Menschen an eine angeblich unbeseelte ›materielle Welt‹«. Demzufolge wird es für möglich gehalten, den »Kampf um Gaia« mit einem neuen Animismus gewinnen zu können: Nur solange »man der Zukunft den Rücken zuwendet«, so erklärt Latour zum Beispiel, »geht man dem Animismus aus dem Weg«.
Diese Konferenz zielt darauf ab, die Diskussion über den Animismus in der deutschsprachigen Medienwissenschaft zu verankern, sie mit Blick auf den laufenden Dialog von (Medien-)Wissenschaft und (Medien-)Kunst genauer zu verorten und in ihren kapitalismuskritischen Aspekten und Potentialen kenntlich und nutzbar zu machen. Dabei knüpft sie an die Hinweise an, die schon vor einigen Jahren auf die Relevanz dieser Diskussion gegeben worden sind, u.a. mit Blick auf die intersektionale Dekolonisierung der Wissensproduktion. Im Vordergrund stehen dabei aktuelle Entwicklungen der Medientechnik. Drei Perspektiven, Figuren oder Themen imponieren besonders: die neuen Assistenten, zu denen auch die derzeit viel diskutierten Chatbots wie ChatGPT zählen, die Avatare, die uns in virtuellen Welten begleiten und begegnen, sowie die technisch-medialen Atmosphären, die Smart Cities und andere auf dem Internet of Things aufbauende Entwicklungen mit sich bringen.
Mit Beiträgen von Ruth Anderwald, Volker Bernhard, Judith Dörrenbacher, Anselm Franke, Leonhard Grond,Moritz Hiller, Angela Melitopoulos, Matteo Pasquinelli, Patrick Urs Riechert, Elisabeth von Samsonow, Ephraim Schott, Erhard Schüttpelz, Angelika Seppi und Elena Vogman.
Organisiert von Jenny Brockmann, Henning Schmidgen und Mathias Schönher
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