Seit dem 1. März ist Dr. Sabine Wirth auf die neu geschaffene Tenure-Track-Professur für Digitale Kulturen an der Fakultät Medien berufen worden. Zunächst als Juniorprofessur auf sechs Jahre angelegt, geht die Stelle nach positiver Zwischenevaluation in eine Lebenszeitprofessur über. Die Professur ist eine von acht neuen Tenure-Track-Professuren an der Bauhaus-Universität Weimar, die die Universität im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einwerben konnte.
Sabine Wirth, geboren in Erlangen, hat Theater- und Medienwissenschaft, Neuere deutsche Literaturgeschichte und Philosophie sowie Ethik der Textkulturen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studiert und wurde an der Philipps-Universität Marburg zu »Dispositive der Handhabung. Zur Medialität des User Interface« promoviert. Sie erhielt ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes und hat wissenschaftliche Stationen in Melbourne, an der Universität Potsdam und der Philipps-Universität Marburg durchlaufen.
Wir haben Sabine Wirth zu ihrem Fachgebiet, geplanten Forschungs- und Lehrinhalten sowie ihrem neuen Lebens- und Arbeitsort befragt:
Wie wollen Sie das Profil der (Junior-)Professur ausgestalten?
Die Juniorprofessur stellt sich der grundlegenden Frage, wie sich gegenwärtige Medienkulturen auf der Basis digitaler Technologien generieren und welche Formen der Interaktion zwischen menschlichen Nutzer*innen und technischen oder algorithmischen Prozessen dabei hervorgebracht werden. Dabei interessiere ich mich insbesondere dafür, wie komplexe Technologien in alltägliche Zusammenhänge gelangen, Teil unseres Medienalltags werden und z.B. über Apps und Plattformen neue Routinen und kommunikative Verhältnisse schaffen. Also nicht nur die vielbeachtete Transformation des öffentlichen Lebens, der Arbeitswelt oder der Wissenschaft und Forschung steht im Fokus, sondern insbesondere die Transformation der populären Kultur – dessen, was wir als Alltag leben und verstehen.
Ausgehend vom Konzept des Interface möchte ich den Blick auf die Kristallisationspunkte bzw. Schwellen lenken, an denen sich Übersetzungsprozesse ereignen, Daten übertragen oder Verknüpfungen hergestellt sowie stetig aktualisiert werden. Dabei geht es zum einen darum, User Interfaces als ästhetische Formationen und als Ort der Aushandlung von Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren, aber zugleich auch die zugrundeliegenden technischen Infrastrukturen mitzudenken – also Interfaces, die Nutzer*innen ggf. nicht so explizit zugänglich sind. Die Juniorprofessur macht es sich zur Aufgabe, an der Etablierung eines Forschungsfeldes „Interface Studies“ mitzuwirken und dabei die medienkulturwissenschaftliche Perspektive auch interdisziplinär weiterzuentwickeln und z.B. nach produktiven Anschlüssen in der Medieninformatik oder den empirischen Sozialwissenschaften zu fragen.
Welche Forschungsschwerpunkte wollen Sie für die nächsten Jahre setzen bzw. welche Projekte haben Sie sich vorgenommen?
In der Forschung möchte ich in den kommenden Jahren vor allem interdisziplinäres Arbeiten erproben und meine bisherige Auseinandersetzung mit der Geschichte digitaler Medienkulturen (Geschichte des Personal, Mobile und Ubiquitous Computing) anhand der Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Tendenzen vertiefen und ausbauen. Dabei interessiert mich z.B. einerseits, wie sich digitale Bildkulturen durch Social Media Plattformen und Apps verändern, wo etwa Feeds und Timeline-Strukturen neue Bildpraktiken und spezifische medienästhetische Erfahrungen hervorbringen. Ergänzend möchte ich die Frage diskutieren, was es für die visuelle Kultur der Gegenwart bedeutet, dass immer mehr Interfaces unsichtbar bleiben und als ‚pervasive technology‘ in die Umwelt eingebettet werden. Ein zweiter thematischer Schwerpunkt ist die Frage nach Körperrelationen: Indem Interfaces menschliche und nichtmenschliche Akteure verknüpfen und Handlungsmacht verteilen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Medium auf neue Weise. Hier kommen beispielsweise Praktiken wie das ‚Lifelogging‘ oder sog. ‚Quantified Self‘-Anwendungen in den Blick, die mithilfe von Apps und Wearables eine neue Vermessung des menschlichen Körpers betreiben.
Worauf können sich Studierende in Ihren Lehrveranstaltungen freuen?
Forschung und Lehre sollten m. E. nicht völlig abgekoppelt voneinander sein, sondern sich auf eine produktive Weise verknüpfen, von der sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden profitieren können. Daher biete ich Lehrveranstaltungen an, die eng mit dem Forschungsprofil der Juniorprofessur gekoppelt sind und sich z.B. wie in meinen aktuellen Veranstaltungen mit der Veralltäglichung von KI-Technologien oder mit historischen und gegenwärtigen Interface-Utopien befassen. Das Lehrangebot für die BA- und MA-Studiengänge des Fachbereichs Medienwissenschaft wird also in Zukunft durch das vielfältige Themenfeld „Digitale Kulturen“ erweitert und es wird Veranstaltungen geben, die sich sowohl mit historischen als auch mit aktuellen Entwicklungen digitaler Medienkultur auseinandersetzen.
Die Professur ist ja darauf angelegt, Brücken in den Fachbereich Medieninformatik zu schlagen. Haben Sie dazu bereits spezifische Vorstellungen?
Die medienkulturwissenschaftliche Perspektive auf Digitale Kulturen und ihr Beitrag zum noch nicht fest institutionalisierten Feld der Interface Studies liefert wertvolle Impulse für eine Historisierung digitaler Kulturen und die Arbeit an Theorien und Begriffen, stößt aber als geisteswissenschaftliche Disziplin auch an methodische Grenzen, vor allem wenn es um die Beschreibung von Algorithmen und technischen Infrastrukturen geht. Die Medieninformatik kann hier wertvolles Grundlagenwissen über algorithmisierte Prozesse, Software-Entwicklung und Datenpraktiken liefern. Im Gegenzug kann die Medienwissenschaft Theorieangebote für die Beschreibung der Komplexität und Vielschichtigkeit digitaler Kulturen bereitstellen und vor allem Fragestellungen im fächerübergreifenden Dialog entwickeln. Aufgrund der unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und Fachidentitäten ist das eine große Herausforderung. Das Ziel dabei ist, ausgehend von dem gemeinsamen Interesse an den umwälzenden gesellschaftlichen Transformationen durch Digitalisierung und Computerisierung, eine interdisziplinäre Perspektive und gemeinsame Sprache zu finden, die einen Erkenntniszugewinn für alle beteiligten Fächer ermöglicht. In einem ersten Austausch mit Kolleg*innen der Medieninformatik, der schon stattgefunden hat, beschäftigen wir uns z.B. mit der Frage, wie algorithmische Selektion und Verfahren des Machine Learning in populären Anwendungen wie Social Media-Plattformen oder Foto-Sharing-Diensten zur Anwendung kommen, sich dort mit Nutzer*innenpraktiken verschränken und daraus dann neue medienästhetische Gefüge entstehen.
Sofern Sie bereits Zeit hatten, die Bauhaus-Universität Weimar und die Stadt Weimar zu erkunden: Was gefällt Ihnen hier besonders gut?
Es gefällt mir sehr gut, dass man von der Innenstadt so schnell ins Grüne gelangt – der Park an der Ilm ist auch und insbesondere außerhalb der Tourismussaison ein wirklich schöner Ort zum Nachdenken und Herumspazieren. Generell sind die kurzen Wege in Weimar (im Gegensatz zu Großstädten) ein Faktor, der den Alltag auf jeden Fall entstresst. Obwohl die Fakultät Medien durch den temporären Umzug in die Schwanenseestraße nicht mehr ganz so zentral liegt wie zuvor, ist doch alles mit dem Fahrrad in 15 Minuten erreichbar und das finde ich sehr angenehm. Zudem ist es natürlich sehr anregend, dass so viele kulturgeschichtliche Stränge in Weimar konvergieren und teils spannende Reibungsflächen zwischen Klassik, DDR-Geschichte und Bauhaus erzeugen. Für Medienwissenschaftler*innen ist die Fakultät Medien der Bauhaus-Universität, die es als solche kein zweites Mal in Deutschland gibt, ein wirklich besonderer Ort für Lehre und Forschung und steht in einer unkonventionellen und innovativen Tradition des Nachdenkens über Medien, an die ich gerne anschließen möchte.
Vielen Dank!
Weitere Informationen zu Prof. Dr. Sabine Wirth finden Sie auf der Website der Professur »Digitale Kulturen«.
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