Seit dem Sommersemester 2022 arbeiten Jenny Brockmann und Moritz Wehrmann als künstlerische Mitarbeitende im Fachbereich Medienwissenschaft der Fakultät Medien. Mit einer Vielzahl an künstlerisch forschenden Werkmodulen bereichern sie seitdem das Lehrangebot der Fakultät. Zentraler Ort der Lehrveranstaltungen ist das neu installierte bauhaus.medien.bühnen Labor. Ein Name, der neugierig macht. Höchste Zeit einmal nachzufragen, was es damit auf sich hat.
Was kann man sich unter dem bauhaus.medien.bühnen Labor (b.m.b. lab) vorstellen?
Jenny Brockmann:
Das bauhaus.medien.bühnen Labor wurde im Sommersemester 2022 von Moritz [Wehrmann] und mir begonnen. Es entwickelt Konzepte, in denen ein Zwischenfeld geschaffen wird, das sich durch Wissenschaft, Kunst und Philosophie bewegt. In Labor und Bühne verbindet sich die Praxis der Künste mit der Praxis der Theorie, die wir als plastische Praktiken ansehen.
Gerade für den Fachbereich Medienwissenschaft, in dem das Labor strukturell verankert ist, ist die Theorie als Grundlage von Prozessen, Objekten und Praktiken von großer Bedeutung, da das Denken sich immer in Körpern, Alltags- und nichtalltäglichen Welten artikuliert.
Moritz Wehrmann:
Das bauhaus.medien.bühnen Labor ist:
Ein Ort, der dem Zufall Raum gibt.
Ein Ort für Experimente im digitalen und analogen Raum, sowie dazwischen.
Ein Ort, der einlädt, neue Formen der Wissenschaft anzutreiben.
Ein Ort des Wandels, der sich anpassen lässt, wenn andere Orte nicht passen.
Der Name des Labors spielt ja auf das historische Bühnenkonzept des klassischen Bauhauses an. Wie ist das zu verstehen?
Moritz Wehrmann:
Das Labor steht einerseits in der Tradition des historischen Bauhauses und steht für den experimentellen Geist, der hier sehr unterschiedliche Disziplinen miteinander in Berührung bringen und miteinander reagieren lassen möchte. Andererseits setzt es den Fokus aber auf aktuelle Themen und beweihräuchert die Bauhaus-Vergangenheit nicht nur. Sowohl die historische Bauhausbühne als auch das bauhaus.medien.bühnen Labor sind Orte deren Fokus auf dem Ausprobieren statt der Aufführung liegt. Natürlich kann und soll das, was passiert, auch gezeigt werden, aber es steht eben nicht an erster Stelle und ist auf keinen Fall als eine Form des Theaters im Sinne von ‚hier Bühne – dort Publikum‘ zu verstehen. Das Labor schafft somit eher einen Raum, in dem Dinge, Vorgänge, Experimente, Ideen in die Welt treten können. Es ist ein geschützter Raum, aber auch ein Raum des Risikos.
Jenny Brockmann:
Wir wollen einen Raum für das Erforschen von Interdisziplinarität und Multiperspektivität schaffen und untersuchen, welche Möglichkeiten und Herausforderungen sich bei der Begegnung unterschiedlicher Perspektiven ergeben. Die Wichtigkeit von Forschung und Experiment im Raum hatte schon das historische Bauhaus erkannt und mit der Bauhausbühne einen Ort geschaffen, an dem unterschiedlichste Disziplinen, Gewerke und Künste zur Aufführung und Anschauung kamen.
Die Bühne soll auch bei uns als ein Labor vor der Publikation, als ein Ort der Aufführung mit unterschiedlich weiter Öffentlichkeit gedacht werden.
Wir sind nämlich der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit konkreten physischen und sozialen Räumen für Studierende und Forschende und die soziale und diskursive und multisensorische Praxis des geteilten Raums notwendige Voraussetzungen für jede Praxis sind, nicht zuletzt auch für die Ausweitung ins Virtuelle und Digitale.
Die Bühne wird hier in einem erweiterten Sinne gedacht als Ort oder Medium unterschiedlichen Formats und unterschiedlicher Ausdehnung, an dem unterschiedlich große Kreise von Öffentlichkeit adressiert werden.
Nach einem Jahr bauhaus.medien.bühnen Labor: Welches Projekt hat euch besonders viel Spaß gemacht?
Jenny Brockmann:
Ich würde eher von Ereignissen als von Projekten sprechen, die mich besonders berührt haben. Als erstes fällt mir das Ereignis unseres ersten Ideenaustausches zu dem bauhaus.medien.bühnen Labor ein – im Sinne von Hermann Hesses Ausspruch ‚Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne‘. Es war für mich ein besonderes Ereignis als Moritz und ich an unserem ersten Tag an der Fakultät Medien mit Prof. Dr. Henning Schmidgen und Dr. Simon Frisch im April 2022 in dem Raum 1.16 der Schwanseestraße standen und darüber sprachen, was eine neugedachte Bauhausbühne sowohl für die Fakultät Medien als auch für die Universität bedeuten könnte. Im Folgenden war es nur durch einen Zufall und großes Wohlwollen der Fakultätsleitung möglich, den Raum zu nutzen und der Idee nachzugehen. Ein weiteres Ereignis, das mir besonders im Sinn geblieben ist, war das Balancieren auf der Sitzskulptur Seat#12 mit der neuen Fakultätsleitung, Prof. Dr. Lorenz Engell und Susanne Rößler im Herbst 2022, bei dem unsere Ideen bestätigt und uns es im Folgenden ermöglicht wurde dem Labor durch eine eigene Webpräsenz weitere Sichtbarkeit zu geben.
Die Lecture von Technologie-Aktivistin Caroline Sinders im Sommer 2022, die schönen Medienkunst-Projekte von Studierenden währen der Winterwerkschau 2022, sowie unser erstes Fragment RAUM analog/digital im Bauhaus Museum möchte ich hier aber gerne auch als für mich sehr eindrücklich nennen.
Und natürlich die vielen Begegnungen mit Studierenden, Forschenden und Interessierten im Labor.
Moritz Wehrmann:
Das Schönste war für mich zu sehen, wie das Labor von einer ehemaligen Waschgarage zu einem Raum verwandelt wurde, der sehr flexibel und kreativ genutzt und werden kann. Der Wandel selbst ist also schon ein tolles Projekt, das nie ganz abgeschlossen sein wird und auch auf andere Räume anwendbar sein soll.
Das Arbeiten mit den Studierenden im Raum und auch das Treffen von Kolleg*innen in dieser, für eine Medienfakultät ungewöhnlichen, Atmosphäre, schafft neue Ideen. Auch Projekte des bauhaus.medien.bühnen Labors außerhalb des Raumes 1.16, wie z.B. das Projekt RAUM digital/analog meiner Kollegin Jenny Brockmann im Bauhaus Museum in Weimar, waren ein schönes Ereignis.
Das bauhaus.medien.bühnen Labor bietet auch in naher Zukunft weitere Projekte und Partizipationsmöglichkeit mit der gerade begonnene FRAGMENT-Reihe, die mit einem Workshop im Bauhaus Museum begonnen hat und uns in diesem Jahr noch zu verschiedenen Kooperationen führen wird: ins Schiller Museum für einen Vortrag zu ‚Medien des Waldes‘; zum ‚Hexentanz’ im Heckentheater des Schlosses Belvedere; und zu einem Workshop mit Theaterregisseur Robert Wilson in den Oberlichtsaal der Bauhaus-Universität Weimar.
Das bauhaus.medien.bühnen Labor ist ja nicht nur ein Ort für praktische künstlerische Projekte, sondern auch ein Ort des künstlerischen Forschens. Welche Aspekte interessieren euch dabei?
Moritz Wehrmann:
Die künstlerische Forschung führt auf einer gewissen Ebene immer ein Nischendasein, wobei ich aus persönlicher Erfahrung sagen kann, dass es nicht nur die Künstler*innen sind, die von ihr profitieren, sondern auch die Forschungspartner*innen und die Öffentlichkeit.
Künstlerische Forschung verstehe ich als einen Katalysator für Forschung, aber auch als Nukleus selbst. Idealerweise ist das ein gegenseitiges Inspirieren, Spiegeln und Teilhaben, das interessante neue Perspektiven, Forschungsfragen und Ideen in die Welt bringen kann.
Außerdem gibt es das von mir mit Studierenden im Sommer 2023 startende Forschungsprojekt ‚Zeit/Wald/Medien‘. Im Zentrum des Forschungsprojektes steht der Wald, in dem sich verschiedenartige Komplexitäten verflechten und Ökosysteme entstehen, die verschlungene und nur schwer zu durchdringende Strukturen bilden. Es lehnt sich an die in den letzten Jahren immer weiter verbreitete Erkenntnis der Wald-Wissenschaft an. Diese geht davon aus, dass der Wald ein Netz aus Informationen und Kommunikation bildet, das sich anpasst und im ständigen Fluss begriffen ist - sozusagen eine Art natürliche Intelligenz. Weiterhin forsche und lehre ich zu Fragen der (so genannten) Künstlichen Intelligenz und ihrem explosiven Einfluss auf Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft. In diesem sehr dynamischen Feld ist künstlerische Forschung auf besondere Weise dazu prädestiniert neue Perspektiven, Fragen und Antworten zu finden.
Jenny Brockmann:
Ich würde sagen, dass wir die künstlerische Forschung als einen integralen Bestandteil des bauhaus.medien.bühnen Labor-Alltags begreifen.
Dort soll untersucht werden, was für eine Rolle die Sinneswahrnehmung, das sogenannte ‚embodied knowlegde‘ und die politische, soziale, genderspezifische oder ethnische Kodierung eines Raumes bei der Erfahrung von Raum spielen. Daran schließt sich die Frage an, was dies für die Gestaltung sowohl des analogen als auch des digitalen Raumes und dessen algorithmische Struktur bedeutet.
Thematische Forschungsprojekte, wie z.B. das 2023 begonnene Forschungsprojekt ‚Animismus/Maschinismus‘ mit Prof. Dr. Henning Schmidgen, Dr. Mathias Schönher und mir, sind aber auch an das Labor angeschlossen. Dieses transdisziplinäre Forschungsprojekt kombiniert wissenschafts- und technikhistorische Methoden mit philosophisch-kritischen Ansätzen sowie künstlerisch-experimentellen Aspekten und ist daher prädestiniert im und mit dem Labor stattzufinden.
Besonders freuen wir uns über erste Schritte, einen ‚digital twin‘ des bauhaus.medien.bühnen Labors zu erstellen – also eine virtuelle Kopie des Raumes, in der Studierende und Forschende die Prozesse am Labor beobachten und mitgestalten können. Im Fokus steht hier der Gedanke, dass wir uns in Zukunft in einer ‚mixed Reality‘ Umgebung bewegen werden, in der alle Sinne – sowohl über analoge Prozesse als auch digital Prozesse – angesprochen werden. Wir wollen diese Umgebung mitgestalten, um sie sozialer, gendergerechter und inklusiver zu formen. Dies erfolgt in Zusammenarbeit mit der Professur Virtuelle Realität und Visualisierung von Prof. Dr. Bernd Fröhlich.
Wir haben zudem gerade eine Kooperation mit dem neu-installierten lernraum.bauhaus begonnen. Wir werden für den Raum in der Amalienstrasse ein ‚analog twin‘ sein, der aber eine digitale Verbindung zu dem lernraum.bauhaus haben wird. So wird es eine Leinwand geben, die eine Abbildung der Akteur*innen auf beiden Seiten in Originalgröße ermöglicht. Es ist bereits gute Technik für das Übertragen von Sound und Video installiert und wir beginnen diesen Sommer damit über das Internet of Things Netzwerk Objekte auf beiden Seiten zu verbinden. Dabei werden Objekte an verschiedenen Orten mit Sensoren und maschinellen Funktionen ausgestattet und über das Internet verbunden, sodass sie sowohl mir der unmittelbaren Umgebung als auch dem Objekt am anderen Ort interagieren können.
Ein weiteres Forschungsprojekt, das wir dieses Sommersemester mit Studierenden beginnen, ist die Recherche zu der historischen Bühne am Weimarer Bauhaus. Die historische Bühne hatte weder eine feste Werkstatt noch einen determinierten Aufführungsort. Wir möchten den verschiedenen damals aufgeführten Formaten nachgehen und rekonstruieren, wie und wo die Bauhausbühne stattgefunden hat.
Neben der Nutzung für Lehre und Projekte ist der Raum auch als Begegnungsort konzipiert. Wie funktioniert das und was können Interessierte dort tun?
Jenny Brockmann:
Das bauhaus.medien.bühnen Labor soll das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft ausloten und beforschen, wie die (Medien)-Kunst das gesellschaftliche Miteinander als nachhaltige soziale, gendergerechte und diversitätsgerechte Umgebung inkorporieren kann.
Bereits die Begegnung zwischen Studierenden und Forschenden, die den Raum nutzen, soll hier anders geschehen, als an anderen Orten. Dafür gibt es eine Tischtennisplatte und die interaktive Sitzskulptur Seat#12, die ein anderes Miteinanderkommunizieren ermöglicht.
Sowohl die Tischtennisplatte als auch Seat#12 stehen Personen der Universität jederzeit zur Verfügung. Der Raum1.16 des b.m.b. lab steht zudem allen Lehrenden der Uni offen, um in der Lehre damit zu experimentieren.
Außerdem gibt es etwa einmal pro Semester die von uns organisierte ‚Medientafel‘– ein informelles Zusammenkommen mit mitgebrachten Speisen und Getränken, bei dem Ideen ausgetauscht werden können.
Moritz Wehrmann:
Genau, ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass der Raum von unterschiedlichsten Akteur*innen genutzt werden kann und auch schon wurde. Ausstellungen, Workshops, Kolloquien und natürlich zum gemeinsamen Austausch, wie beim Format der ‚Medientafel‘.
Wenn man sich anschaut, wo in einer Institution neue Projekte und Innovation entstehen, sind das einerseits Räume, in denen ausprobiert werden kann und andererseits Räume, in denen sich Menschen mit unterschiedlichem Wissen begegnen. Deshalb sind uns Facettenreichtum und Begegnung besonders wichtig. Sollten nun durch das Interview noch Fragen aufgetreten oder Interesse an Begegnungen geweckt worden sein, freuen wir uns über Kontaktaufnahme.
Das bauhaus.medien.bühnen Labor befindet sich im Raum 1.16 auf dem Übergangscampus der Fakultät Medien in der Schwanseestraße 143.
INSTAGRAM: https://www.instagram.com/bmblab/
Über Jenny Brockmann und Moritz Wehrmann:
Jenny Brockmann ist Künstlerin und Bildhauerin. Ihre Arbeiten verbinden Technologie, Wissenschaft und Kunst und wurden international ausgestellt, unter anderem im BOZAR in Brüssel, auf der documenta fünfzehn in Kassel und im Hudson Valley MOCA in New York. Sie studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin, wo sie Schülerin von Rebecca Horn war, und erwarb einen Abschluss in Architektur an der Technischen Universität Berlin. Brockmann schafft Arbeiten, die von einer diskursiven Ästhetik geprägt sind. www.jennybrockmann.de
Moritz Wehrmann ist Medienkünstler und Mitarbeiter an der Bauhaus-Universität Weimar. Sein künstlerisches Schaffen umfasst konzeptionelle Arbeiten wie auch wahrnehmungsreflexive Werke, die in unterschiedlichen medialen und materiellen Formen ausgeführt werden. Er untersucht und hinterfragt dabei die Aspekte der Subjektivität, Wahrnehmung und Fragen der Beziehung physischer und medialer Selbst-Verortung. Ausstellungsbeteiligungen waren am Centre Phi (Montreal), bei der Ars Electronica (Linz und Tokio) sowie im Gropius Bau Berlin, an der Bauhaus-Stiftung Dessau und im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. www.moritzwehrmann.com
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