Um die Wirkung von illegalen Filmkopien tobt seit Jahren ein erbitterter Streit zwischen der Filmindustrie und ihren Kritikern. Während die Industrie in ihren Studien regelmäßig auf exorbitante Schäden verweist und einen „War on Filesharing“ erklärt hat, zweifeln kritische Konsumenten und Wissenschaftler die verwendeten Auswertungsmethoden an – und argumentieren ihrerseits, dass Raubkopien als „Probe-Produkt“ fungieren und legalen Konsum sogar stimulieren, anstatt ihn zu verdrängen.
Deutsche Marketingwissenschaftler belegen nun erstmals mit einer wissenschaftlich referierten und hochrangig publizierten Studie, dass Raubkopien legalen Konsum verdrängen und zeigen, dass sie erhebliche Umsatzverluste für die Filmindustrie zur Folge haben. Die Studie „Consumer File Sharing of Motion Pictures“*, die von Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau und Victor Henning, beide Professur für Marketing und Medien an der Bauhaus-Universität Weimar, gemeinsam mit Prof. Dr. Henrik Sattler, Lehrstuhl für Marketing an der Universität Hamburg, durchgeführt worden ist, erscheint als Lead-Article in der Oktober-Ausgabe des JOURNAL OF MARKETING, der weltweit meistzitierten wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschrift. Das Forscherteam hat knapp 1.100 Personen in Deutschland über einen Zeitraum von zehn Monaten mehrfach befragt und deren Kinobesuche, DVD-Käufe und -Ausleihvorgänge sowie den Konsum von illegalen Kopien bei 25 Spielfilmen gemessen, die im Frühjahr 2006 in deutschen Kinos gestartet waren. Dieses Vorgehen ermöglichte es den Forschern, für jeden der Befragten zu beobachten, ob geplantes oder tatsächlich ausgeführtes Filesharing sein Kaufverhalten in Bezug auf Spielfilme veränderte, und den gesamten Schaden für die deutsche Filmwirtschaft zu schätzen.
Die Ergebnisse der unabhängigen Studie belegen:
- Illegale Filmkopien schaden drei der für die Filmindustrie wichtigsten Vertriebskanäle für Spielfilme in Deutschland: den Kinos, dem DVD-Verleih und dem DVD-Verkauf.
- Illegale Kopien verdrängen im Kino 12,6% zusätzliche Kinobesuche – das entspricht, bezogen auf 2005, fast 94 Mio. Euro pro Jahr.
- Ohne illegales Filesharing würden die DVD-Verleihumsätze 10,5% höher ausfallen – bezogen auf die in 2005 mit neuen Spielfilmen realisierten Umsätze ein Verlust von rund 28 Mio. Euro pro Jahr.
- Insgesamt 14,7% zusätzliche DVDs mit neuen Spielfilmen würden gekauft werden, gäbe es kein illegales Filesharing – rund 71 Mio. Euro würden jedes Jahr mehr in die Kassen der Industrie fließen.
- Insgesamt gehen der Filmindustrie in Deutschland durch illegales Filesharing somit rund 193 Mio. Euro pro Jahr verloren.
Die Forscher zeigen dabei, dass weniger der Besitz und der Konsum einer illegalen Kopie für die Verdrängung von legalem Konsum verantwortlich sind, sondern vielmehr die Absicht des Konsumenten, sich eine illegale Kopie eines Films zu beschaffen. Professor Hennig-Thurau, Hauptautor der Studie: „Wenn jemand sich einmal vorgenommen hat, einen neuen Film als Raubkopie anzuschauen, dann ist es beinahe egal, ob er später die Kopie auch tatsächlich in die Hände bekommt – er ist für das Kino und für die DVD als Kunde oft schon verloren“.
Weiterhin untersuchten die Forscher auch die Gründe und Bedenken der Konsumenten, die die Entscheidung zwischen der Raubkopie eines Films oder dem Original im Kino bzw. auf DVD schwanken lassen. Das Resultat: Je mehr ein Konsument Raubkopien als Sammlerobjekte sieht, und je größer sein Wissen um die Möglichkeiten des Filesharing, desto stärker wird auch der Vorsatz, sich Kopien zu beschaffen. Der Wunsch, der Filmindustrie durch das Raubkopieren zu schaden, spielt ebenfalls eine signifikante – wenn auch geringere – Rolle. Dagegen schränken eventuell vorhandene moralische Bedenken den Kopienkonsum ein, die von der Filmindustrie stärker betonten rechtlichen Risiken interessanterweise jedoch nicht: Diese haben in der Studie von Hennig-Thurau und Kollegen keinen Einfluss auf das Schauen von Raubkopien. Hennig-Thurau dazu: „Offenbar sind die bisherigen Kampagnen gegen Raubkopien in Deutschland, die Konsumenten Angst vor Strafverfolgung machen wollen, falsch aufgestellt. Filmwirtschaftsverbände anderer Länder, etwa die Briten, zielen hingegen auf das schlechte Gewissen der Konsumenten und dürften damit deutlich wirkungsvoller sein“.
Zuletzt zeigt das Forscherteam ebenfalls, dass das illegale Anschauen einer Raubkopie nicht zuletzt durch die hohen Nebenkosten, die mit dem Konsum des Originals im Kino verbunden sind, angetrieben wird. Noch einmal Hennig-Thurau, der auch das Weimarer Moviesuccess-Forschungscenter leitet: „Wenn das Kino Kunden aus der Illegalität zurückgewinnen will, muss es versuchen, die Begleitkosten des Kinobesuchs zu senken – Parkgebühren, Popkorn-Preise etc. summieren sich heute leicht zu astronomischen Beträgen auf. Da greift der Kunde schnell auf die Raubkopie zurück.“
* Thorsten Hennig-Thurau, Victor Henning, und Henrik Sattler (2007): „Consumer File Sharing of Motion Pictures”, in: JOURNAL OF MARKETING, Vol. 71, October, S. 1-18.
Kontakt:
Professor Dr. Thorsten Hennig-Thurau
Professur für Marketing und Medien
Fakultät Medien
Bauhaus-Universität Weimar
Helmholtzstr. 15
99425 Weimar
Tel.: +49 – (0) 3643 - 58 38 22
E-Mail: tht@medien.uni-weimar.de
www.uni-weimar.de/medien/marketing
www.moviesuccess.org
Kurzbiographie
Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau ist Professor für Marketing und Medien an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar sowie Research Professor in Movie Marketing an der Cass Business School, City University, London. Professor Hennig-Thurau ist Area Editor for Movie Marketing der American Marketing Association und leitet den MovieSuccess-Center an der Bauhaus-Universität, der u.a. die Guru*Talk Lecture Series veranstaltet. Er hat zahlreiche Artikel in führenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften zur Medien- und Filmökonomie veröffentlicht, so u.a. im JOURNAL OF MARKETING, dem JOURNAL OF THE ACADEMY OF MARKETING SCIENCE, MARKETING LETTERS und der ZEITSCHRIFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE FORSCHUNG. Er ist Mitglied der Editorial Boards führender Zeitschriften und wurde für seine Forschungsarbeiten mit hochrangigen internationalen Preisen ausgezeichnet, so dem „Overall Best Paper Award“ der AMA Summer Educators’ Conference und dem „JSR Excellence in Service Research" Award. Professor Hennig-Thurau ist Verfasser und Herausgeber verschiedener Bücher. Seine Arbeiten werden regelmäßig in deutschen und internationalen Zeitungen und Zeitschriften zitiert.
Nähere Informationen:
www.uni-weimar.de/medien/marketing/mitarbeiter.php
und
www.cass.city.ac.uk/filmbusinessacademy/our-experts/thennig-thurau.html
Für Fragen steht Ihnen auch Dana Horch, Fakultät Medien, telefonisch unter 03643/583706 oder per E-Mail unter dana.horch@medien.uni-weimar.de jederzeit gerne zur Verfügung.
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