Ein Schlossbrand im Jahre 1774 zerstörte den Sakralraum der Schlosskapelle des Schlosses in Weimar völlig, in dem Johann Sebastian Bach von 1708 bis 1717 als Hoforganist tätig war. 230 Jahre später lässt sich der historische Ort zumindest virtuell wieder betreten:
Aus einer Initiative der Musikhochschule „Franz Liszt“ hervorgehend, als Ergebnis eines Projektes der Lehrstühle Bauaufnahme und Baudenkmalpflege und Informatik in der Architektur der Bauhaus-Universität Weimar entstanden digitales Computermodell und Animation, bau- und kunsthistorisch auf die vorhandene Quellenlage aufbauend.
Als Quellen standen verschiedene historische Grundrisse unterschiedlicher Autoren und ein Ölgemälde der perspektivischen Innenansicht der Kapelle von Christian Richter aus dem Jahr 1660 zur Verfügung. Auf dieser Grundlage ist eine exakte und vollständige Modellierung des Innenraumes nicht möglich. Im ersten Arbeitsschritt stand deshalb die klassische Rekonstruktion des baulichen Zustandes der Schlosskapelle im Vordergrund. Im zweiten Teil erfolgte die modell- und bildhafte Umsetzung mittels verschiedener digitaler Techniken auf Grundlage der umfassenden baugeschichtlichen Rekonstruktion, betreut vom Lehrstuhl Informatik in der Architektur.
In klassischer Herangehensweise der baufachlichen Dokumentation konnte die Schlosskapelle im Resultat in sämtlichen detaillierten Grundrissen, Schnitten und Ansichten abgebildet werden. Durch die routinierte Arbeit mit Grundrissen und Schnitten fällt es Fachleuten leicht, sich einen räumlichen Eindruck zu verschaffen, einem Fachfremden jedoch nicht. Aus diesem Grunde war die Umsetzung der Raumsituation der Kapelle in ein digitales dreidimensionales Modell sinnvoll/notwendig. Die vorliegenden historischen Grundrisse bilden immer die gesamte Schlossanlage ab und stellen so nur das Raumgefüge dar. Details und Ausstattungen wurden nicht kartiert. Anhand des Ölgemäldes konnte zwar nachgewiesen werden, dass der barocke Sakralraum zeittypisch reichhaltig mit architektonischen Schmuckelementen ausgestattet war, aber es existierten keine historischen Bauzeichnungen der Details, so dass für die räumliche Modellierung eine zweite aufwendige/sorgfältige Recherchephase nötig war. Schnell wurde klar, dass eine abstrahierte aber fachlich korrekte Modellierung Priorität hat, die dennoch den Gesamteindruck der architektonischen Formensprache unverfälscht darstellt.
Eine sog. Drahtgitter-Abbildung stellt die einfachste Art der perspektivischen Abbildung eines digitalen Modells auf Vektorbasis dar. Das modellierte Objekt wird nur durch seine Kanten abgebildet und erscheint ‚wie aus Draht’ konstruiert.
Eine nächste Stufe, das sog. Shaded-Rendering ist vom zeitlichen Aufwand vergleichbar mit der Drahtgitter-Darstellung. Die aufgespannten Flächen werden in den Farben der modellierten Raumobjekte dargestellt (Fehlfarben). Dadurch wird die Darstellung auch für Laien lesbar.
Die Festlegung der Texturierung und Beleuchtung bedeutete die Umsetzung vor ein weiteres Problem, da die einzige bildliche Quelle, aus der sich Materialitäten bzw. Farben ableiten lassen könnten, nicht verifizierbar ist. Um den Wahrheitsgehalt des Modells nicht zu verfälschen, wurde grundlegend auf eine Texturierung und die Ausleuchtung mittels künstlicher Lichtquellen verzichtet. Eine Berechnung mit Global Illumination simuliert die reale Lichtverteilung im Modell.
Die Ableitung von Panoramen aus dem vollständigen digitalen Modell und die Verknüpfung dieser zu einem virtuellen Rundgang erlaubt dem Betrachter eine große Freiheit im visuellen Erleben der rekonstruierten Schloßkapelle. An verschiedenen Standpunkten besteht die Möglichkeit 360° horizontal und 180° vertikal rundum zublicken und sich interessanten Details zu nähern. Digitale Abbildungen der Rekonstruktion sollten allerdings nur genau das zeigen, was wirklich aus der Quellenlage ersichtlich und nachgewiesen ist. Ungeklärte Bereiche mußen schematisch angedeutet werden, um den Gefahren einer verfälschenden oder gar falschen Wiedergabe zu entgehen - die scheinbare Realität der Abbildungen ließe den Betrachter intuitiv das Gesehene als existent und wahr akzeptieren.
Ein fachlich sorgfältig und bewußt umgesetztes digitales Modell erlaubt eine präzise Vermittlung der räumlichen Dimensionen und ihrer Wirkung. Der Grad der Detaillierung oder die Art der Umsetzung ist hierbei entsprechend der Quellenlage festzulegen. Belichtungen und individuelle Wahrnehmungen können simuliert werden. Im erstellten 3D-Modell lassen sich sämtlich Kartierungsarbeiten grafisch darstellen. Deren Möglichkeiten sind vielfältig, z.B. kann die Veränderung eines Bauwerkes über einen großen Zeitraum in einer Animation visualisiert werden.
Die architektonische Rekonstruktion der Schlosskapelle ist mit dem jetzigen Quellenstand abgeschlossen.
Die darauffolgenden Schritte bringen Erkenntnisse baulichen und akustischen Rekonstruktion zusammen. In einer Auralisierung kann so das Klangerlebnis der Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs virtuell erlebt werden.
Dann ist es dem Betrachter möglich, virtuell durch die Schlosskapelle zu schreiten und die Akustik des Raumes an verschiedenen Standpunkten wahrzunehmen.
Der aktuelle Arbeitsstand sowie Bilder von der Rekonstruktion sind im Internet abrufbar:
Professur Infar
Autoren:
Florian Scharfe, Fakultät Architektur
Prof. Dr.-Ing. Dirk Donath, Professur Informatik in der Architektur
Prof. Dr. phil. habil. Hermann Wirth, Professur Bauaufnahme und Baudenkmalpflege
Kontakt
Bauhaus-Universität Weimar
Claudia Weinreich
Pressesprecherin
Tel.: +49(0)3643/58 11 73
Luise Ziegler
Mitarbeiterin Medienarbeit
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