1920 wurde für den Film »Der Golem, wie er in die Welt kam« eine opulente Orchestermusik in Auftrag gegeben – ein Sonderfall jener Zeit. Der jüdische Komponist Dr. Hans Landsberger schuf eine Musik, die das höchste Lob der Film- und Musikkritiker in der Fachpresse erhielt und ihm den Weg ins Filmgeschäft ebnete. Landsberger wurde 1940 ins Lager Les Milles und schließlich ins Lager Camp de Gurs deportiert und starb 1941 unter qualvollen Bedingungen. Sein Wirken ist heute fast unbekannt – seine Kompositionen galten als verschollen. Dem Weimarer Stummfilmmusiker Richard Siedhoff gelang nach dem sensationellen Fund der vollständigen »Golem«-Klavierdirektion und von Stimmenfragmenten Anfang 2018 eine eindrucksvolle Rekonstruktion und Neuorchestrierung der Musik. Erstmals seit den 1920er Jahren wird das Gesamtkunstwerk »Der Golem« nun im Rahmen des Kunstfest Weimar in seiner ursprünglichen Form wiederaufgeführt.
Die Staatskapelle Weimar begleitet die »neue« Uraufführung in einer Besetzung, die dem typischen Stil einer Kinokapelle der 1920er Jahre entspricht. Nach der Vorführung findet der Vortrag »Auf der Suche nach dem Golem« von Stefan Drößler (Filmmuseum München) über die Entstehung von Wegeners drei Golem-Filmen und die aufwändige Film-Rekonstruktion statt. Richard Siedhoff spricht zudem über die Rekonstruktion der wiederentdeckten Originalmusik von Dr. Hans Landsberger.
»Der Golem« – Ein Klassiker des Weimarer Kinos
Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung ist die Weimarer Republik Schauplatz zahlreicher Krisen und umstürzender Ereignisse. Im Zusammenhang mit der kriegsbedingten Flucht osteuropäischer Juden nach Westen nehmen auch antisemitische Anfeindungen stark zu. Zeitgleich erscheint der »Golem«, die kraftvolle Metapher jüdischer Selbstachtung, auf den Leinwänden der gesamten Republik und prägt die bildliche Vorstellung des bedrohlichen Helfers bis in die Gegenwart.
Paul Wegeners Adaption der jüdischen Sage aus dem Prager Getto zählt zu den außergewöhnlichsten künstlerischen Erfolgen des Weimarer Kinos und gilt als Meilenstein des Horror-Genres. Die dunkle, verwinkelte Szenerie des Architekten Hans Poelzig wurde prägend für expressionistische Filmarchitektur und der Traum vom »künstlichen Menschen« strebt bis heute nach Verwirklichung in den Grenzbereichen der Kybernetik und Biotechnologie, in Androiden, Cyborgs und künstlicher Intelligenz.
»Überreizung der Phantasie«
Die II. Weimarer Stummfilm-Retrospektive »Überreizung der Phantasie« lässt vom 2. bis 10. September 2020 anhand der rekonstruierten Spielpläne der lokalen Kinos »Scherffs Lichtspielhaus« und »Reform Licht-Spiele« das Weimarer Kinojahr 1920 Revue passieren. Zusammen mit international renommierten Musikern und Gästen bietet die Retrospektive einen Rundumblick auf eine der einflussreichsten Phasen des deutschen Filmschaffens, wie sie sich den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Weimar vor genau 100 Jahren dargeboten hat.
Veranstaltungsreihe: II. Weimarer Stummfilm-Retrospektive »Überreizung der Phantasie«
2. bis 10. September 2020
Karten & Programm: www.kunstfest-weimar.de
Cinessage: 2. September 2020, 18.30 Uhr, Lichthaus Kino mit Dirk Heinje (Lichthaus GmbH), Rolf C. Hemke (Kunstfest Weimar), Dr. Katrin Richter (Bauhaus-Universität Weimar), Richard Siedhoff (Hauspianist Lichthaus Kino und Stummfilmmusiker)
Film-Screening mit Uraufführung der rekonstruierten Originalmusik: »Der Golem, wie er in die Welt kam«
Donnerstag, 3. September 2020, 18 und 21 Uhr
Deutsches Nationaltheater, Großes Haus
Theaterplatz 2, 99423 Weimar
Karten: www.kunstfest-weimar.de
Vortrag »Auf der Suche nach dem Golem« von Stefan Drößler (Filmmuseum München)
Freitag, 4. September 2020, 18 Uhr
Lichthaus Kino
Am Kirschberg 4, 99423 Weimar
Veranstalter: Dozentur Film- und Medienwissenschaft der Fakultät Medien an der Bauhaus-Universität Weimar, Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, Lichthaus Kino, Stadtarchiv Weimar und Kunstfest Weimar
Gefördert durch: Thüringer Staatskanzlei, Sparkassenstiftung Weimar-Weimarer Land, Sparkasse Mittelthüringen, Stadt Weimar, Weimarer Republik e.V. (gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz), Bauhaus-Universität Weimar
Kontakt:
Dr. Simon Frisch
Dozentur Film- und Medienwissenschaft
Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar
Tel.: +49 (0) 3643 / 58 37 37
E-Mail: simon.frisch[at]uni-weimar.de
Dr. Katrin Richter
Universitätsbibliothek
Tel.: +49 (0) 3643 / 58 28 03
E-Mail: katrin.richter[at]uni-weimar.de
Kontakt
Bauhaus-Universität Weimar
Claudia Weinreich
Pressesprecherin
Tel.: +49(0)3643/58 11 73
Luise Ziegler
Mitarbeiterin Medienarbeit
Tel.: +49(0)3643/58 11 80
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