Ein frühes Lifestyle-Magazin: Bibliothek erwirbt fünf Jahrgänge der Bauhaus-Zeitschrift »Die neue Linie«
Die Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar zählt seit Mitte September seltene Ausgaben der Zeitschrift »Die neue Linie« aus den 30er Jahren zu ihrem Bestand. Das Magazin ist zwischen 1929 und 1943 im Verlag Otto Beyer in Leipzig erschienen und galt dort als eines der Prestigeprojekte.
»Der Erwerb war eine glückliche Fügung«, so Bibliotheksdirektor Dr. Frank Simon-Ritz. »Diese Zeitschrift ist eine wahre Fundgrube für alles, was mit Mode, aber auch mit Wohnen, Einrichten, Reisen und Alltagskultur aus dieser Zeit zu tun hat.« Schon das erste Titelblatt von 1929 wurde vom Bauhaus-Lehrenden László Moholy-Nagy gestaltet, die Typographie stammt von Bauhaus-Künstler Herbert Bayer. Aufgrund dessen war auch eine 2007 in Berlin gezeigte Ausstellung über »Die neue Linie« mit »das bauhaus am kiosk« überschrieben. So vertritt Patrick Rössler, Kurator der Ausstellung die Auffassung, dass »Die neue Linie« vor allem als »prototypisches Exempel einer in der breiten Gesellschaft angekommenen Avantgarde« begriffen werden kann.
In Bibliotheken ist das Magazin äußerst selten vertreten. In Thüringen verfügt lediglich die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar über einen lückenhaften Bestand von 1938 bis 1943. Die Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar weist nun eine vollständige Sammlung der Jahrgänge 1934 bis 1938 auf. Die Bände spiegeln als geschichtliches Dokument natürlich die Zeit des Nationalsozialismus vor dem Zweiten Weltkrieg wider.
Schon das Januar-Heft 1935 zeigt, wie ambivalent sich die Zeitschrift in den 30er-Jahren präsentierte: einerseits beschreibt und dokumentiert Walter Gropius ein Einfamilienhaus-Projekt; andererseits steht Bildhauer Joseph Thorak im Gespräch mit der Redaktion über seine aktuellen, erstmals gezeigten Porträts von Mussolini, Hindenburg, Hitler und Kemal Atatürk.
Auch die Zeitschriftensammlung selbst weist eine spannende Geschichte auf. Die fünf Bände, die nun in der Universitätsbibliothek ihren Platz finden, wurden ursprünglich von der Ehefrau eines Krawattenfabrikanten in Krefeld erworben. Die Fabrik und das Elternhaus wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Mutter und die drei Kinder nach Österreich evakuiert. Zu ihrem minimalen Hausrat gehörten auf der Reise dennoch die insgesamt 20 Kilogramm schweren Ausgaben der »Neuen Linie«. Nach dem Krieg zogen sie mit der Familie erneut nach Deutschland um, zuletzt nach Bielefeld zu einem der Söhne. Letzterer übergab nun die Sammlung in die Hände Simon-Ritz‘. »Ich freue mich sehr«, schrieb er an den Bibliotheksdirektor, »dass die Alben an die Bauhaus-Universität Weimar kommen und damit sicher für zukünftige Generationen erhalten bleiben.«
Die Ausgaben der »Neuen Linie« werden nun in den Katalog der Bibliothek eingearbeitet und sind danach regulär bestellbar. Interessierte können dann – allerdings nur in den Räumlichkeiten der Bibliothek – einen Blick in die raren Hefte werfen.